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       # taz.de -- Neue Zentralbankchefin in der Türkei: Die jüngste und die erste Frau
       
       > Die US-Finanzmanagerin Hafize Gaye Erkan wird neue Chefin der türkischen
       > Zentralbank. Schafft sie es, die Inflation am Bosporus zu bändigen?
       
   IMG Bild: Neue Zentralbankchefin Hafize Gaye Erkan
       
       Istanbul taz | Die Türkei hat eine neue Zentralbankchefin – erstmals in der
       Geschichte ist es eine Frau. Hafize Gaye Erkan löst Sahap Kavcioglu ab. Er
       war der letzte in einem immer kürzeren Wechsel von Zentralbankchefs, die am
       Ende nichts anderes mehr zu tun hatten, als [1][Präsident Recep Tayyips
       Erdogans Entscheidungen umzusetzen].
       
       Das wird wohl nun vorbei sein. Mit Hafize Gaye Erkan kommt eine
       amerikanische Investmentbankerin an die Spitze der Zentralbank. Sie hat
       zwar einen türkischen Pass, ihre Ausbildung und anschließende Karriere aber
       ausschließlich in den USA absolviert. Dort hat sie bei verschiedenen
       US-Banken gearbeitete, darunter Goldman Sachs.
       
       Zuletzt war die Finanzmanagerin Co-Chefin der insolventen [2][First
       Republik Bank], die von JP Morgan gerettet werden musste. Erkan ist damit
       das Gegenteil der bisherigen von Erdogan berufenen Zentralbankchefs aus
       seiner eigenen Fraktion, die nur deshalb ernannt wurden, weil sie gegenüber
       ihrem Chef besonders loyal waren.
       
       Die 1982 in Istanbul geborene Erkan kommt zu einem für die Zentralbank
       kritischen Zeitpunkt ins Amt. Die türkischen Devisenreserven sind im Minus,
       die Lira befindet sich auf einem historischen Tiefpunkt gegenüber Euro und
       Dollar. „Sie ist nicht nur die jüngste Chefin die die Zentralbank je hatte,
       sondern vermutlich auch die erste, die persönlich über mehr Devisenreserven
       verfügen dürfte als Bank“, merkte ein Satiremagazin am Freitag spöttisch
       an.
       
       ## Gute Kontakte zur westlichen Finanzwelt
       
       Politische Beobachter vermuten, dass Erkan auf Wunsch des neuen Finanz- und
       Schatzministers [3][Mehmet Simsek] geholt wurde, ebenfalls ein ehemaliger
       Investmentbanker, der in den USA und Großbritannien bei verschiedenen
       Banken tätig war. Simsek, der schon einmal von 2009 bei 2018 unter Erdogan
       Finanzminister, war von Erdogan vor einer Woche installiert worden.
       
       Mit dem Team Simsek/Erkan dürfte wieder eine eher angloamerikanische
       Wirtschafts- und Finanzpolitik am Bosporus Einzug halten. Beide wurden
       vermutlich auch geholt, weil sie die über gute Kontakte zu den westlichen
       Finanzmärkten verfügen. Wahrscheinlich wird die neue Zentralbankchefin im
       Einklang mit der amerikanischen Fed und der europäischen EZB die Zinsen
       anheben, um die enorme Inflation, die unabhängige Ökonomen bei 120 Prozent
       ansetzen, langsam wieder zu drücken.
       
       Simsek hatte als Ziel bereits eine einstellige Inflationsrate in den
       kommenden Jahren ausgegeben. Das dürfte auch die Voraussetzung dafür sein,
       dass amerikanische und europäische Banken wieder Vertrauen in die Türkei
       schöpfen und bereit sind, sich in dem Land zu engagieren.
       
       Die Türkei braucht dringend neue Finanzspritzen. Zuletzt wurde der Kollaps
       nur dadurch verhindert, dass Russland Öl und Gas zu Schleuderpreisen an
       Erdogan abgab und die Scheichs aus Katar wiederholt Milliardenpakete an
       Dollars überwiesen, damit die Türkei handlungsfähig bleiben konnte.
       
       9 Jun 2023
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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