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       # taz.de -- Prozess gegen Journalistin in Berlin: Wie eine Vergeltungsmaßnahme
       
       > Prozess gegen Journalistin wird eingestellt. Sie wurde beschuldigt
       > Polizist*innen „Nazi-Cops“ genannt zu haben. "Nicht mein Wortschatz", so
       > die Angeklagte.
       
   IMG Bild: Die Journalistin Wafaa Albadry vor dem Gericht in Berlin Moabit
       
       Berlin taz | Die Journalistin Wafaa Albadry steht am Freitag vor dem
       Amtsgericht in Berlin Moabit. Sie hatte gegen einen Strafbefehl Einspruch
       eingelegt. Der Vorwurf: uneidliche Falschaussage in einem Fall, in dem sie
       selbst als Klägerin aufgetreten war. Nach eineinhalb stündiger Verhandlung
       wird das Verfahren eingestellt, eine der Hauptzeug*innen – eine
       29jährige Polizistin – kann nicht mehr sicher bestätigen, was sie
       ursprünglich zu Lasten der Angeklagten behauptet hatte.
       
       Die Polizistin und zwei weitere Personen hatten die Journalistin
       beschuldigt, sie bei einem Einsatz am 19. Januar 2020 mit den Worten
       „Nazideutschland, Scheiß-Deutschland, Nazi-Cops“ beleidigt zu haben. Die
       Journalistin erzählt am Freitag im Gerichtssaal, dass sie die beiden
       Beamt*innen an jenem Tag selbst zu Hilfe gerufen habe, da sie nach einem
       Einkauf am Ostbahnhof von einem Supermarktangestellten mehrfach mit den
       Worten „Geh raus aus Deutschland“ beleidigt worden sei.
       
       Von den diensthabenden Polizist*innen habe sie sich vor Ort [1][und
       später auf der Wache allerdings nicht unterstützt gefühlt], ein Beamter sei
       ihr gegenüber aggressiv aufgetreten. Diese Aussage bestätigt auch die
       Polizistin im Gerichtsaal.
       
       Die Journalistin hatte Anzeige gegen den Supermarktmitarbeiter erstattet,
       der Fall wurde nach der Verhandlung am 2. August 2021 fallen gelassen. Über
       die Frage des für den seinerzeitigen Prozess zuständigen Richters, ob sie
       die Beamt*innen bei dem Vorfall als „Nazi-Cops“ beschimpft habe, sei sie
       sehr überrascht gewesen, sagt die Journalistin am Freitag vor dem
       Amtsgericht. „Das sind Worte die ich nicht nur an diesem Tag nicht benutzt
       habe, sondern generell nicht benutze.“ Da der Supermarktmitarbeiter, der
       wegen Beleidigung angeklagt war, das aber behauptete und die Polizistin
       dies vage bestätigte, hatte der zuständige Richter Strafanzeige wegen
       Falschaussage gegen die Journalistin erstattet.
       
       Polizistin kann sich nicht mehr erinnern 
       
       Beim Prozess am Freitag kann sich die Polizistin allerdings nicht mehr
       erinnern, ob Wafaa Albadry sie und ihren Kollegen in der aufgeheizten
       Situation wirklich mit diesen Worten beleidigt habe. Auf wiederholte
       Nachfrage der Anwältin Ilil Friedman, ob sie sich an genau diese Worte
       ihrer Mandantin erinnern könne, antwortet die Beamtin schließlich mit
       „Nein.“ Der Prozeß wird daraufhin ohne Auflagen eingestellt, die
       Anwaltskosten muss Wafaa Albadry allerdings selbst tragen.
       
       Für ihre Anwältin ist dieser Ausgang eine pragmatische wenn auch
       unbefriedigende Lösung. Sie sieht ihre Mandantin durch die Strafanzeige
       vorverurteilt. „Für mich als Journalistin wiegt dieser Vorwurf schwer,“
       bestätigt auch Wafaa Albadry nach der Verhandlung. „Auch als
       alleinerziehende, schwarze Frau trifft mich das hart. [2][Es fühlt sich an
       wie eine Vergeltungsmaßnahme, weil ich mich getraut habe Diskriminierung in
       Deutschland anzuzeigen].“
       
       Ihre Anwältin vermutet gegenüber der taz, dass es zur Strafanzeige kam,
       weil der Richter ein Zeichen setzen wollte. Die Staatsanwaltschaft habe den
       Fall ohne kritische Prüfung verfolgt. Die Polizistin hingegen müsse keine
       Konsequenzen wegen ihrer nicht haltbaren Beschuldigung befürchten, vermutet
       die Anwältin. „Wir haben auch darüber nachgedacht, dass sie
       konsequenterweise belangt werden müsste. Aber [3][Polizisten erhalten in so
       einem Fall schlimmstenfalls eine Belehrung].“
       
       9 Jun 2023
       
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