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       # taz.de -- Ex-Regierungschefin Sturgeon wieder frei: Schottlands Unschuldige
       
       > Die Polizei hat Schottlands Ex-Regierungschefin Sturgeon wieder
       > freigelassen. Die verteidigt sich nun in einem Onlinestatement.
       
   IMG Bild: Plädiert auf unschuldig: Ex-Regierungschefin Nicola Sturgeon (SNP), Archivaufnahme
       
       London taz | Bereits wenige Stunden, nachdem die ehemalige Regierungschefin
       Nicola Sturgeon am Sonntag festgenommen wurde, war sie am Abend wieder auf
       freiem Fuß. Doch umgerechnet etwa 780.000 Euro Spendengelder an ihre
       Schottische Nationalpartei (SNP), Beiträge von Unterstützer:innen für
       ein zweites Unabhängigkeitsreferendum, sind weiterhin unauffindbar.
       Sturgeon versicherte noch am Abend, sie sei unschuldig – sogar „über jeden
       Zweifel hinaus“ unschuldig.
       
       Auch [1][nach stundenlangem Verhör bei der Polizei] wurde keine Anklage
       gegen Sturgeon erhoben. Sie dankte jenen, welche die einst populäre
       Politikerin weiter unterstützen. Aber die Festnahme bedrücke sie zutiefst.
       
       Angaben über die Untersuchung, welche unter dem Codenamen „Operation
       Branchform“ laufen, wollten weder sie noch die Polizei machen. Man reiche
       einen Bericht an die zuständigen Behörden weiter, hieß es von der
       schottischen Polizei. In Veröffentlichungen sprach die nur von „der
       Befragung einer 52-jährigen Frau“ und nannte Sturgeon nicht namentlich. Die
       SNP-Parteizentrale versicherte, man kooperiere voll und ganz mit den
       Behörden.
       
       Nicola Sturgeon [2][hatte am 15. Februar überraschend angekündigt], sie
       trete von ihrem Amt als schottischer Regierungschefin und als Parteichefin
       der SNP zurück. Das begründete sie damals aber nicht mit der Krise durch
       die Spendengelder, sondern sagte lediglich, dass für sie, „Hand aufs Herz“,
       die Zeit gekommen sei, abzudanken. Trotzdem blieb Sturgeon Abgeordnete für
       ihren Wahlbezirk Glasgow Southside.
       
       ## Spenden-Krimi in Schottland
       
       Die schottischen Oppositionsparteien halten dies für einen Missstand, denn
       Sturgeon hatte während ihrer Zeit als Parteiführerin die Suspendierung
       anderer Politiker:innen für weniger gravierende Vergehen verlangt.
       Auch der SNP-Westminster-Abgeordnete Angus MacNeil vertrat diese Meinung
       auf der Social-Media-Plattform Twitter.
       
       Sturgeons [3][Ehemann Peter Murrell sowie der ehemalige Schatzmeister,
       Colin Beattie, wurden bereits im April] von polizeilichen
       Ermittler:innen befragt, ohne dass eine Anklage folgte. Die Polizei
       durchsuchte sowohl das SNP-Zentralbüro in Edinburgh als auch Wohnadressen
       des Ehepaars Murrell und Sturgeon.
       
       Die Untersuchung um die verschollenen Parteispenden begannen, nachdem Sean
       Clerkin, ein Aktivist für die schottische Unabhängigkeit, 2021 der Polizei
       entsprechende Hinweise gab. Dafür sei er nach eigenen Angaben als Verräter
       und Spion gebrandmarkt wurde.
       
       Im selben Jahr sah sich Peter Murrell gezwungen, die lädierte Finanzlage
       der Partei mit einem Darlehen aus eigener Kasse in Höhe von umgerechnet
       125.000 Euro aufzubessern, während der damalige Schatzmeister Colin Beattie
       zugab, es gäbe Probleme mit der Transparenz bezüglich der Spendengelder.
       2022 wollten die Rechnungsprüfer der Partei nichts damit zu tun haben.
       
       Die Partei beabsichtigt, ihre Leitung zu prüfen. Der neue SNP-Parteichef
       Humza Yousaf verteidigte jedoch Sturgeon am Sonntag und seinen Kontakt zu
       ihr. Er sehe keinen Grund, warum er nicht [4][weiterhin den Rat einer der
       bedeutendsten Politikerinnen Europas] des vergangenen Jahrzehnts suchen
       solle.
       
       Doch Yousaf steht unter Druck. Vor allem die Labourpartei muss bei den
       bevorstehenden Nationalwahlen 2024 im Schottland punkten, aber auch die
       Torys wollen von der Krise der schottischen Nationalist:innen
       profitieren. Zudem offenbarte der Wahlkampf um die Parteiführung klare
       Unterschiede zwischen ihm, der als Nachfolger der von Sturgeon geführten
       sozialdemokratischen Richtung gilt, und seinen beiden konservativeren
       Kontrahentinnen.
       
       12 Jun 2023
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
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