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       # taz.de -- Kostümverkauf in der Komischen Oper: Gern auch mal was Römisches
       
       > Die Komische Oper Berlin steht vor der Sanierung und zieht deswegen um.
       > Bei einem Kostümverkauf wird vorher noch einmal kräftig ausgemistet.
       
   IMG Bild: Römische Schickness: die „Xerxes“-Kostüme der Komischen Oper
       
       Das Ding, das da über der Balustrade im Foyer der Komischen Oper in Berlin
       hängt, scheint eine Perücke zu sein, auch wenn es wirklich überdimensional
       groß ist und man sich fragt, ob ein normaler Mensch unter dem Gewicht eines
       solch monströsen Kopfschmucks nicht sofort zusammenbricht. Noch mehr fragt
       man sich allerdings, wer solch einen Haaraufsatz wirklich kaufen soll. Denn
       selbst jemand, bei dem demnächst eine Mottoparty zum Thema „Amadeus“
       stattfindet, denkt sich wahrscheinlich, so ein Ding auf dem Kopf wäre dann
       doch etwas übertrieben.
       
       Wenn man allerdings sieht, was es bei dem Kostümverkauf, der vergangene
       Woche im ziemlich geräumigen Foyer der [1][Komischen Oper] stattfand, sonst
       noch so zu erstehen gibt und wie riesig der Andrang selbst vor wirklich
       kuriosen Kostümen und Accessoires aus dem Fundus der Oper ist, würde man
       sich am Ende nicht wundern, wenn irgendwann doch noch jemand bei der
       Riesenperücke zuschlagen würde.
       
       Als „letzte Arie vor dem Umzug“ war der Kostümverkauf annonciert, das
       Opernhaus ist nun dicht aufgrund von Umbaumaßnahmen, die voraussichtlich
       sechs Jahre andauern werden. So genau weiß man das ja nie in Berlin, und
       die Kosten explodieren natürlich jetzt schon. Für die Zwischenzeit hat man
       ein Interims-Zuhause im Schillertheater gefunden, das zuletzt bereits von
       mehreren Häusern bei Sanierungen zwischengenutzt wurde – und wie bei jedem
       Umzug wurde halt auch von der Komischen Oper nochmals kräftig ausgemistet.
       
       So hängen auf Kleiderbügeln etwa braune ärmellose Felljacken mit Fransen
       und Rokokoröcke, mit denen man theoretisch auch auf einem Empfang zu Hofe
       von Ludwig XIV. nicht weiter auffallen würde. Allerdings kommen die Röcke
       in Tarnfleck daher, der damals wahrscheinlich noch nicht so gängig war. Was
       einerseits darauf hinweist, dass die Komische Oper wohl zu Recht den Ruf
       genießt, eigene Inszenierungen auch optisch originell zu gestalten. Und was
       andererseits nun zu einem eigenwilligen Fashion Item geführt hat, das es so
       wahrscheinlich nirgendwo anders zu erstehen gibt.
       
       ## Die Leute shoppen Kuriositäten aller Art
       
       Und die Leute shoppen hier wirklich wie verrückt derartige Kuriositäten
       aller Art. Der Andrang ist so groß, dass nur Gruppen von bis zu 120 Leuten
       für je eine Stunde eingelassen werden, und vor der Kasse bilden sich
       riesige Schlangen.
       
       Eine Shopperin, die man zu ihren Einkäufen befragt, zieht aus ihrem Beutel
       eine Mütze mit Spritzern von Theaterblut. Sie scheint davon überzeugt zu
       sein, diese wirklich einmal in der Öffentlichkeit aufsetzen zu wollen. Ein
       anderer sagt, er habe zwei Hemden und eine Hose erstanden, für zwischen
       zehn und zwanzig Euro pro Teil. Die Klamotten seien für Clubabende gedacht,
       sagt er. Und wieder ein anderer trägt einen roten Schafskopf wie eine
       Karnevalsmaske, der ihn ganz offensichtlich so begeistert, dass er ihn gar
       nicht mehr abnehmen möchte. Warum und für was er den bitte braucht? „Weil
       er lustig ist“, lautet die Antwort.
       
       Die Kostümchefin der Komischen Oper, Katrin Kath-Bösel, die hier auch
       herumwuselt, sagt, viele würden bestimmte Kostüme und Accessoires sowieso
       nicht erstehen, weil sie dringend was Neues zum Anziehen brauchen. Sondern
       weil sie Fans bestimmter Inszenierungen oder Sänger und Sängerinnen seien.
       Geschneidertes rund um die in der Komischen Oper aufgeführte [2][Barockoper
       „Xerxes“] beispielsweise würde ziemlich gut gehen, meint sie und zeigt in
       Richtung der Römer-Rüstungen, die ganz offensichtlich in dem Stück zum
       Einsatz kamen, und von denen schon ein paar weggegangen sind.
       
       Ob das Römer-Outfit aus „Xerxes“ nun daheim im Kleiderschrank landet oder
       vielleicht doch zum Einsatz kommt, kann dann ja immer noch entschieden
       werden. Vielleicht lässt sich mit dem Style auch ein Filmabend mit „Das
       Leben des Brian“ ganz anders genießen als bloß in öden Jeans. Oder man
       traut sich selbst mit diesem Fummel in den Club, in dem man mit seinem
       original „Xerxes“-Look die anderen auf dem Dancefloor bestimmt ausstechen
       wird.
       
       21 Jun 2023
       
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