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       # taz.de -- Reform des Einwanderungsrechts: Neues Gesetz soll Fachkräfte locken
       
       > Nach heftiger Debatte mit der Union verabschieden die Ampelfraktionen
       > das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Neu ist unter anderem die
       > „Chancenkarte“.
       
   IMG Bild: Die Anerkennung des Berufsabschlusses kann künftig erst nach der Einreise erfolgen
       
       Es ist eine bemerkenswert aggressive Diskussion an diesem Freitag im
       Bundestag. Auf der Tagesordnung stehen die zweite und dritte Lesung des
       [1][Fachkräfteeinwanderungsgesetzes] der Ampel, das durch zahlreiche
       Vereinfachungen dafür sorgen soll, dass mehr spezialisierte
       Arbeitnehmer*innen nach Deutschland kommen.
       
       Eigentlich ein Anliegen, hinter dem sich alle demokratischen Fraktionen
       versammeln können, schließlich ist der Fachkräftemangel inzwischen eine
       ernsthafte Bedrohung für die deutsche Wirtschaft: 400.000 Fachkräfte fehlen
       jedes Jahr. Doch CDU und CSU nutzen die Zeit vor der Abstimmung am Freitag,
       um das Gesetzesvorhaben heftig anzugreifen. Vizefraktionsvorsitzende der
       Union, Andrea Lindholz, bezeichnet den Entwurf als „Mogelpackung“, ihr
       Kollege Alexander Throm nennt Teile der neuen Regeln „unsäglich“. Beide
       warnen vor Missbrauch der deutschen Sozialsysteme. Besonders stören sie
       sich am vorgesehenen Spurwechsel-Mechanismus: Geflüchtete sollen unabhängig
       von ihrem Asylantrag in Deutschland bleiben können, wenn sie einen Job
       finden. Dass die Regelung nur für die wenigen Personen Auswirkungen haben
       wird, deren Antrag am Stichtag 29. März 2023 noch in Bearbeitung war,
       ignorieren sie.
       
       Vor allem die Grünen-Redner*innen halten dagegen. „Reißen Sie sich
       zusammen“, mahnt etwa Misbah Khan nach der Rede von Throm. Ihr Kollege
       Konstantin von Notz nennt Lindholz „ideologisch verbohrt“, die Vorwürfe
       seien „an den Haaren herbeigezogen“. Und Konstantin Kuhle von der FDP
       erntet viel Beifall als er fragt: „Was hat die Union eigentlich gegen
       Arbeitgeber?“ Die würden sich schließlich über jeden qualifizierten
       Arbeitnehmer freuen, ganz egal, ob der ursprünglich als Geflüchteter
       gekommen sei.
       
       ## Bewertet werden Sprachkenntnisse, Qualifikation und Alter
       
       Ruhiger äußern sich die federführenden Bundesminister*innen.
       Innenministerin Nancy Faeser (SPD) spricht vom „modernsten
       Einwanderungsrecht der Welt“. Und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) fügt
       hinzu, dass die Ampel mit dem Gesetz „alle Register“ für eine
       „qualifizierte Einwanderung“ ziehe.
       
       Die Reden der Linken-Abgeordneten Gökay Akbulut und Susanne Ferschl bleiben
       derweil blass. Sie befürworten die Pläne im Kern, fordern aber mehr
       Möglichkeiten für Familiennachzug und bessere soziale Absicherung der
       Fachkräfte. Der einzige AfD-Redner, Norbert Kleinwächter, steigert sich
       hinter dem Rednerpult in einen Wutanfall, der keine größere Beachtung
       findet. Am Ende wird das Gesetz mit den Stimmen der Ampel verabschiedet,
       AfD und Union votieren dagegen, die Linke enthält sich.
       
       Damit dürfen Personen mit in Deutschland anerkanntem Berufsabschluss
       künftig auch kommen, wenn sie ein Jobangebot aus einer Branche haben, für
       die sie nicht direkt qualifiziert sind. Außerdem können sie
       Familienmitglieder leichter nachholen.
       
       Wer einen Berufsabschluss hat, der in Deutschland noch nicht anerkannt ist,
       darf ebenfalls kommen, sofern er oder sie mindestens zwei Jahre
       Berufserfahrung nachweisen kann und hier ein Jobangebot hat. Die
       Anerkennung eines Abschlusses kann zudem erst nach der Einreise erfolgen.
       Bestimmten Personen ermöglicht die Ampel, auch ohne Jobzusage nach
       Deutschland zu kommen. Sie führt dafür mit der [2][Chancenkarte] ein
       Punktesystem nach kanadischem Vorbild ein.
       
       Bewertet werden Sprachkenntnisse, Qualifikation und Alter. Wer über einer
       bestimmten Punktegrenze liegt, hat die Möglichkeit, sich in Deutschland
       eine Arbeitsstelle zu suchen. Per Verordnung will die Bundesregierung zudem
       die sogenannte Westbalkanregelung entfristen und ausbauen.
       
       Jährlich sollen bis zu 50.000 Menschen aus Albanien, Bosnien und
       Herzegowina, Kosovo, Republik Nordmazedonien, Montenegro und Serbien nach
       Deutschland ziehen dürfen. Zusammen mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz
       sollen so insgesamt bis zu 130.000 zusätzliche Fachkräfte pro Jahr
       angelockt werden.
       
       Um auch inländisches Potenzial gegen den Fachkräftemangel zu aktivieren,
       beschlossen die Ampelfraktionen am Freitag außerdem ein Gesetz, das jedem
       jungen Menschen in Deutschland einen Ausbildungsplatz garantieren soll.
       Eine Mobilitätsprämie soll Ausbildungsorte attraktiver machen, auch wenn
       sie weit vom Wohnort entfernt sind.
       
       23 Jun 2023
       
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