# taz.de -- Kampagne für geschlossenes Heim: Ein Kind als Spielball der Medien
> Die Hamburger Lokalpresse macht Stimmung für ein geschlossenes Heim. Dazu
> instrumentalisiert sie einen auffälligen Jugendlichen.
IMG Bild: Wünscht sich in Hamburgs Redaktionen offenbar mancher zurück: Geschlossene Heime der Haasenburg GmbH
Es gibt Tage, da haut einen um, was in der Zeitung steht. So als das
Hamburger Abendblatt seine Leser über den [1][Aufenthalt eines 14-Jährigen
im Kinder- und Jugendnotdienst] (KJND) auf dem Laufenden hielt. Erst vor
Kurzem soll der „Hochgefährliche“ wieder einen „kritischen Vorfall
provoziert“ haben.
Der Junge habe einen Bänderriss und laufe an Krücken. Mitarbeiter hätten
beobachtet, dass er „durchaus“ normal laufen könnte und wollten ihm die
Krücken wieder nehmen. Darüber sei er so erbost gewesen, dass er einen
Beschäftigten der Security angegriffen habe. „Danach wurde der Junge mit
einem speziellen Multifunktionsband am Boden fixiert.“
Fällt was auf? Provokateur und Provozierter, Ursache und Wirkung werden
locker mal vertauscht. Wenn das Kind schon gefährlich ist, dann lässt man
ihm doch besser seine Gehilfe, statt zu eskalieren. Die Passage sagt,
sofern authentisch, mehr über die Mitarbeiter aus als über das Kind.
Der Junge, der viele Monate in U-Haft saß, weil er ein anderes Heimkind an
einen Baum gefesselt und gewürgt haben soll, dann aber freigesprochen
wurde, weil der Zeuge als unglaubwürdig galt, lebte laut NDR schon vorher
beim KJND. Zum Spielball der Medien wird er, weil ein Gutachten ihm
Gewaltfantasien attestieren soll. Die Frage ist, ob er nicht früher eine
passende Hilfe hätte bekommen müssen und ob es auch früher schon einen
falschen Umgang mit ihm gab.
Die Berichterstattung verschärft nur alle Probleme. Deshalb müssen die
Medien aufhören, den Jungen zu verfolgen. Mitarbeiter, die sie mit Details
füttern, gehören gestoppt. Denn hier wird ein Kind instrumentalisiert.
Selbst wenn man die Überzeugung teilt, dass ein [2][geschlossenes Heim] in
diesem Fall nötig ist, fiele das ja nicht vom Himmel. Es ist so schon
schwer, eine Wohngruppe zu finden. Aber die Presse betreibt mit ihrer
Grusel-Kampagne extra Anti-Werbung.
Der Junge braucht wohl Hilfe und einen Ort zum Großwerden. Jugendhilfe und
Jugendpsychiatrie sollten eine Lösung finden – was in vielen Fällen ja auch
gelingt, wie die Arbeit der „Hamburger Koordinierungsstelle für
individuelle Hilfen“ zeigt. Hätte Hamburg ein geschlossenes Heim, würde das
Leid der Kinder nur größer, [3][davor warnen Ex-Bewohner] der
[4][Haasenburg].
Ganz übel war, wie die Presse den „Aufstand“ der Eltern aus der
Nachbarschaft puschte. Eine Demo vor dem KJND wäre ein Angriff auf die
Schutzeinrichtung gewesen. Ein Glück, dass nur drei Reporter kamen.
2 Jul 2023
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## AUTOREN
DIR Kaija Kutter
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