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       # taz.de -- Verhandlungen zur Emissionsminderung: Warschauer Pakt in der Klimakrise
       
       > Im nächsten Jahr soll die UN-Klimakonferenz in einem früheren
       > Ostblockstaat stattfinden – trotz Krieg in der Ukraine. Die Standortwahl
       > wird schwierig.
       
   IMG Bild: Schornsteinsprengung beim tschechischen Kohlekraftwerk Prunéřov
       
       Prag taz | [1][Russlands Angriffskrieg in der Ukraine] lädt die
       Klimaverhandlungen der Vereinten Nationen politisch noch mehr auf: Im
       kommenden Jahr soll die Weltklimakonferenz ausgerechnet in der Region
       stattfinden.
       
       Das ist keine Absicht. Nach den Statuten der Vereinten Nationen „wandern“
       die Klimakonferenzen einfach in einem festgelegten Turnus über den Globus.
       Im vergangenen Jahr fanden die [2][Verhandlungen in Ägypten], also in
       Afrika, dieses Jahr ist Asien dran, konkret [3][die Vereinigten Arabischen
       Emirate].
       
       2024 ist dann ein Staat aus dem ehemaligen Warschauer Pakt an der Reihe –
       jenem Militärbündnis, das die Sowjetunion einst anführte. Eigentlich hat
       sich das Bündnis 1991 aufgelöst. In der Welt der Klimadiplomatie besteht es
       noch.
       
       Fragt sich, welcher Ostblockstaat sich für die Ausrichtung des Megaevents
       mit bis zu 40.000 Teilnehmern, entsprechend viel internationaler
       Aufmerksamkeit, aber auch hohen Kosten bewerben möchte? Bislang hatte immer
       nur Polen Interesse: [4][2008 war Poznań Gastgeber], fünf Jahre [5][später
       die Hauptstadt Warschau], weitere fünf Jahre [6][später Katowice]. Was
       aber, wenn sich diesmal Belarus bewirbt? Oder gar Russland selbst?
       
       ## Tschechien hatte Bewerbung in Aussicht gestellt
       
       In Stellung hat sich Tschechien gebracht. Der neue tschechische
       Ministerpräsident Petr Fiala von der Demokratischen Bürgerpartei hatte eine
       Bewerbung Prags zumindest im Parlament angekündigt. Zuvor hatte der
       ehemalige Umweltminister und heutige UN-Diplomat Jan Dusik eine
       tschechische Bewerbung ins Spiel gebracht, auch eine „gemeinsame Bewerbung
       mit einem anderen osteuropäischen Land.“
       
       Zuletzt wurde die tschechische EU-Ratspräsidentschaft gelobt, das
       Nachbarland Deutschlands führte das Staatenbündnis in der zweiten
       Jahreshälfte 2022 durchaus mit Geschick und Erfolg durch schwierige Zeiten.
       
       „Für die tschechische Politik wäre eine Ausrichtung extrem vorteilhaft“,
       sagt Romana Jungwirth Březovská, die in Prag für das Institut für Forschung
       zum globalen Wandel an der tschechischen Akademie der Wissenschaften
       arbeitet. „Eine Gastgeberschaft bedeutet, dass auch die Präsidentschaft der
       COP in tschechischer Obhut wäre“, so Jungwirth Březovská.
       
       Das heißt: Das Land muss die Verhandlungen leiten, zwischen Streitparteien
       vermitteln, kluge Formulierungen für Beschlüsse entwerfen. Um eine solche
       Aufgabe zu meistern, sei es notwendig, „Kapazitäten aufzubauen – sowohl in
       der Sache als auch in der Diplomatie“, meint Jungwirth Březovská.
       
       Die tschechische Politik müsste sich also verstärkt mit dem Thema
       Klimaschutz auseinandersetzen. Zudem würde eine solche Präsidentschaft tief
       in die Gesellschaft wirken und das Problem der Erderwärmung ins
       tschechische Bewusstsein holen, „von den Hauptnachrichten bis zu den
       Parteien“.
       
       „Wir Tschechen lieben den Erfolg“, sagt Vít Dostál, Geschäftsführer der
       Prager Nichtregierungsorganisation AMO, die Forschung und Bildung in den
       internationalen Beziehungen voranbringen will. Deshalb sei nach der
       Ratspräsidentschaft eine Bewerbung für die Weltklimakonferenz konsequent.
       „Tschechien hat seine Stimme in Europa gefunden“, so Dostál. Leider aber
       habe Ministerpräsident bislang Fiala seine Pläne nicht konsequent verfolgt,
       für eine Bewerbung bleibe nicht mehr sehr viel Zeit.
       
       Ganz und gar gegen eine Bewerbung spricht sich dagegen die tschechische
       Umweltbewegung aus. „Die Regierung unternimmt zu wenig gegen die
       Erderwärmung“, sagt Radek Kubala, Klima-Aktivist von der Organisation
       Re-Set. „Die Erfahrungen aus Polen zeigen: UN-Klimakonferenzen dienen nur
       als Feigenblatt für aktiven Klimaschutz – und das brauchen wir nicht.“
       
       Tschechien ist der elftgrößte Braunkohleförderer der Welt, 2021 wurden
       knapp 30 Millionen Tonnen verstromt. Zum Vergleich: Deutschland ist nach
       China der zweitgrößte Förderer mit 126 Millionen Tonnen. Mit 8,7 Tonnen pro
       Kopf war Tschechien 2020 klimaschädlicher als Deutschland (7,7 Tonnen).
       
       Deshalb verklagte die Gruppe „Klimaklage“ den Staat auf Untätigkeit im
       Bereich Klimaschutz. „Das Bezirksgericht in Prag gab ihr in einem
       richtungsweisenden Urteil recht“, sagt Jungwirth Březovská. Allerdings ging
       Tschechiens Regierung in Berufung. Die Verhandlungen laufen derzeit noch.
       
       ## Ein weiterer Krieg belastet die Standort-Wahl
       
       Während Tschechien noch zögert, haben sich auch schon andere Staaten für
       die Austragung der Weltklimakonferenz ins Spiel gebracht – auch bei ihnen
       könnte die Weltpolitik aber teils einen Strich durch die Rechnung machen.
       
       „Alternativ haben sich Aserbaidschan, Armenien und Bulgarien um die
       COP-Präsidentschaft beworben“, sagt Professor Raimund Schwarze,
       Umweltökonom an der Europa-Universität Viadrina und am Helmholtz-Zentrum
       für Umweltforschung in Leipzig. Er beobachtet die internationale
       Klimadiplomatie seit vielen Jahren.
       
       Weil das UN-Klimasekretariat sich auf keine Seite der Konfliktparteien
       [7][im Krieg um die Region Berg-Karabach] schlagen dürfe, glaubt Schwarze
       nicht, dass Aserbaidschan oder Armenien realistische Standorte wären. Nach
       aktuellem Stand steht für ihn fest: „Es wird Bulgarien.“
       
       Im Jahr 2025 folgt dann übrigens ein „westlicher“ Ausrichter. Das heißt:
       Ein Staat der Europäischen Union, Nordamerikas oder Großbritannien. 2026
       ist ein mittel- oder lateinamerikanischer Staat an der Reihe. 2027 geht der
       Zyklus dann in Afrika von neuem los.
       
       26 Jun 2023
       
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       ## AUTOREN
       
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