URI: 
       # taz.de -- Internationales Finanzsystem: Neue Klimaklausel für Schulden
       
       > Verschuldete Länder sollen nach Unwetter-Katastrophen künftig ihre
       > Tilgung pausieren dürfen. Das Geld kann dann in den Wiederaufbau fließen.
       
   IMG Bild: Windanlagen bei Kajiado, Kenia: der Ausbau der Erneuerbaren stockt in vielen Entwicklungsländern
       
       Chiang Mai taz | Noch Schulden tilgen, wenn gerade eine große
       Unwetterkatastrophe gewütet hat? Das ist für arme Länder der Einstieg in
       die Schuldenspirale. Künftig soll es in internationalen Kreditverträgen
       Katastrophenklauseln geben. Das ist Ergebnis eines internationalen
       Finanzgipfels, der am Freitag in Paris zu Ende gegangen ist. Knapp 40
       Staats- und Regierungschefs sowie die Chefs der [1][Weltbank und des
       Internationalen Währungsfonds (IWF)] nahmen teil.
       
       Erfunden wurden die Katastrophenklauseln vom karibischen Inselstaat
       Barbados. Dieser hat bei einer Umschuldung im Jahr 2019 neue Anleihen
       ausgegeben, bei denen der Schuldendienst für zwei Jahre ausgesetzt wird,
       wenn Barbados von einer klimabedingten Katastrophe heimgesucht wird.
       
       Die freigewordenen Mittel kann der Inselstaat dann in die Bewältigung der
       Schäden investieren. Im Fall von Barbados sind das Mittel in Höhe von 18
       Prozent der Wirtschaftsleistung – eine beträchtliche Summe, die nach einer
       Katastrophe kaum von anderen Stellen bereitgestellt werden dürfte.
       
       Die Katastrophenklauseln sind denn auch Teil der „Bridgetown-Initiative“
       von Mia Mottley, der Premierministerin von Barbados. Die Initiative umfasst
       Vorschläge zur Reform des internationalen Finanzsystems.
       
       ## Reiche Länder geben Sonderziehungsrechte ab
       
       Auch IWF-Chefin Kristalina Georgieva konnte einen Erfolg verkünden: Im Jahr
       2021 hatte der IWF Sonderziehungsrechte (SZR) [2][im Wert von 650
       Milliarden US-Dollar an seine Mitgliedsländer verteilt], um ihnen bei der
       Bewältigung der Coronapandemie zu helfen.
       
       SZR sind eine Art Währung, die vom IWF aus dem Nichts geschaffen werden
       kann. Da sich der Anteil, den jedes Land bekommen hat, an der jeweiligen
       Wirtschaftsleistung bemisst, haben große und reiche Länder viele SZR
       erhalten und arme und kleine Länder wenige. So bekam Deutschland SZR im
       Wert von 30 Milliarden Dollar und ganz Afrika nur solche im Wert von 28
       Milliarden.
       
       Aus diesem Grund sollten die reichen Länder SZR im Wert von 100 Milliarden
       Dollar an ärmere Länder abgeben. Diese Summe könnte nun erreicht werden.
       Frankreich und Japan wollen 40 Prozent ihrer SZR abgeben, viele andere
       Industriestaaten etwas weniger. Unklar ist allerdings, ob die USA ihre
       Zusage auch einhalten können. Die US-Regierung will SZR im Wert von 21
       Milliarden Dollar zu den 100 Milliarden beisteuern. Dass das US-Parlament
       dem zustimmt, ist jedoch eher unwahrscheinlich.
       
       ## Wechselkursrisiken bei Klimaschutz-Projekten ungelöst
       
       Keine nennenswerten Ankündigungen gab es hingegen beim vielleicht
       wichtigsten Vorschlag aus der Bridgetown-Initiative: einem Fonds zur
       Absicherung von Wechselkursrisiken für Klimaschutzprojekte. Das Problem
       ist, dass der Ausbau der Erneuerbaren in vielen Entwicklungsländern stockt.
       
       Diese Länder beheimaten zwar 42 Prozent der Weltbevölkerung, aber tätigen
       nur 7 Prozent der Investitionen in erneuerbare Energien. Aus diesem Grund
       produzieren die Niederlande mehr Solarstrom als alle afrikanischen Länder
       südlich der Sahara.
       
       Die Ursache: Entwicklungsländer haben Mühe, privates Kapital aus dem
       Ausland für die Investitionen in Wind und Sonne zu mobilisieren. Um Solar-
       und Windkraftwerke zu errichten und bezahlen zu können, brauchen die Länder
       US-Dollar. Die Einnahmen aus dem Stromverkauf fallen hingegen in der
       lokalen Währung an, wodurch ein Wechselkursrisiko entsteht.
       
       Das lässt sich in vielen Fällen gar nicht oder sonst nur sehr teuer
       absichern. Avinash Persaud, der kreative Kopf der Bridgetown-Initiative,
       schlägt daher vor, der [3][IWF und die Weltbank] sollten speziell dafür
       einen Fonds schaffen.
       
       Am Rande des Gipfels gab es aber weitere Neuigkeiten für zwei afrikanische
       Länder: Sambia hat sich endlich mit seinen Gläubigern auf eine Umschuldung
       geeinigt. Das Land war im Jahr 2020 bankrott gegangen. Des Weiteren stellen
       einige europäische Länder wie Deutschland sowie Kanada dem
       westafrikanischen Land Senegal 2,7 Milliarden Dollar zur Verfügung, um den
       Anteil der Erneuerbaren von 10 auf 30 Prozent des Stromverbrauchs bis zum
       Jahr 2030 zu steigern.
       
       26 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Fruehjahrstagung-von-Weltbank-und-IWF-/!5927897
   DIR [2] /IWF-Hilfe-zur-Pandemiebekaempfung/!5786540
   DIR [3] /IWF-und-Weltbank-auf-Fruehjahrstagung/!5924846
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Mihatsch
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR IWF
   DIR Energie
   DIR Schulden
   DIR Weltbank
   DIR Weltbank
   DIR Schuldenkrise
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Weltbank
   DIR Entwicklungszusammenarbeit
   DIR Schuldenkrise
   DIR Wetter
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Entwicklungszusammenarbeit
   DIR Entwicklungszusammenarbeit
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Weltbank und IWF in Washington: Pläne für globale Reichensteuer
       
       Kredite reichen nicht, um Klimaschutz zu finanzieren. Erstmals spielt
       Umverteilung eine Rolle beim Treffen der globalen Finanzinstitute.
       
   DIR Überschuldete Staaten: 1,3 Milliarden Dollar Zinsen am Tag
       
       130 Länder sind überschuldet. Die hohen Tilgungskosten schaden der
       Bekämpfung von Armut und Klimawandel, mahnt der aktuelle Schuldenreport.
       
   DIR Gegen Armut und für Erhalt des Planeten: Weltbank wird auch zur Klimabank
       
       Mitgliedsländer definieren Aufgaben neu. Mehr Eigenkapital bekommt die
       Institution nicht. Das reicht wohl kaum gegen die Erderhitzung.
       
   DIR Erneuerung des globalen Finanzsystems: Die Weltbank braucht mehr Geld
       
       Klimakrise, Hunger, Kriege: Das globale Finanzsystem muss erneuert werden.
       Währungsfonds und Banken beraten in Marrakesch, wie das klappen kann.
       
   DIR Klimaschutz im globalen Süden: Neues Geld für Grünen Klimafonds
       
       Die Industrieländer legen Milliarden Euro für den Grünen Klimafonds für
       Länder des globalen Südens Geld auf den Tisch – aber weniger als zuletzt.
       
   DIR Schuldenkrise im Globalen Süden: Kaum Bewegung
       
       Beim Treffen der G20-Finanzminister*innen gibt es keine Fortschritte
       für hochverschuldete Länder. Uneinigkeiten blockieren Gespräche.
       
   DIR Unwetter in Süddeutschland: Sturm zieht Schneisen
       
       Erst in Frankreich, dann in Süddeutschland wüteten am Dienstag Gewitter.
       Bäume wurden umgeknickt, Häuser beschädigt. Vorher gab es Hitzerekorde.
       
   DIR Kenias Rodungsverbot auf der Kippe: Fällen und Neupflanzen
       
       Präsident Ruto will die Wirtschaft ankurbeln und dafür den Schutz der
       Wälder einschränken. Umweltgruppen warnen vor „verheerenden Folgen“.
       
   DIR Frühjahrstagung von Weltbank und IWF: Grüner Anstrich gesucht
       
       Die Weltbank soll grüner und nachhaltiger werden. Doch wie viel Klimaschutz
       und Menschenrechte stecken in den Reformplänen wirklich?
       
   DIR IWF und Weltbank auf Frühjahrstagung: Es braucht Billionen fürs Klima
       
       Internationaler Währungsfonds und Weltbank treffen sich zu ihrer
       Frühjahrstagung. Letztere soll künftig deutlich mehr Geld für Klimaschutz
       bereitstellen.
       
   DIR IWF-Hilfe zur Pandemiebekämpfung: Geldspritze für den Globalen Süden
       
       Um die Coronakrise zu bewältigen, stockt der Internationale Währungsfonds
       seine Kapazitäten um 650 Milliarden US-Dollar auf. Profitieren sollen alle.