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       # taz.de -- Wahlen in Guatemala: Wechselstimmung an den Urnen
       
       > Die Präsidentschaftswahl in Guatemala geht in die Stichwahl. Arévalo von
       > der linken Bewegung Semilla wurde überraschend Zweiter.
       
   IMG Bild: Bernardo Arévalo von der linken Bewegung Semilla mit Parteimitgliedern in Guatemala-Stadt
       
       Berlin taz | Sandra Torres gab sich optimistisch. „Wir sind darauf
       vorbereitet, dass wir gewinnen und ich die erste Präsidentin Guatemalas
       sein werde“, sagte die Kandidatin in der Wahlnacht am Sonntag
       selbstbewusst. Ob die Politikerin der zentristischen Partei UNE Recht
       behalten wird, muss sich erst noch zeigen. Beim ersten Wahlgang um das
       höchste Staatsamt konnte sie jedenfalls mit etwa 15,7 Prozent den ersten
       Platz belegen. Nun muss sie bei einer Stichwahl am 20. August antreten.
       
       Ihr Gegner: Bernardo Arévalo von der linken Bewegung Semilla. Der
       64-Jährige konnte knapp 12 Prozent der Wählerstimmen für sich verbuchen und
       landete damit auf Platz zwei. „Wir sind nicht angetreten, um in den
       Umfragen zu gewinnen, sondern bei den Wahlen“, reagierte Arévalo auf das
       unerwartet starke Ergebnis.
       
       Seine Bewegung Semilla – Samen – ist aus dem Widerstand entstanden, der
       sich 2015 gegen die kriminellen Machenschaften hochrangiger Politiker,
       Militärs und Unternehmer, dem sogenannten Pakt der Korrupten, entwickelt
       hatte. Damals hatte die UN-Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala
       ([1][Cicig]) zahlreiche Fälle von Korruption in höchsten politischen
       Kreisen aufgedeckt.
       
       Meinungsforscher*innen hatten nicht ihm, sondern zwei Rechten große
       Chancen versprochen, neben Torres an der Stichwahl teilzunehmen: Edmond
       Mulet von der Partei Cabal und Zury Ríos, die Tochter des verstorbenen
       Diktators Efraín Ríos Montt. Die rechtsextreme Ríos hatte sich für die
       Todesstrafe, die Kriminalisierung der Abtreibung und eine schärfere
       Sicherheitspolitik stark gemacht. Mulet versprach ein neues
       Hochsicherheitsgefängnis.
       
       ## Kandidatin Torres will El Salvador nachahmen
       
       Doch auch mit Torres, die bereits [2][zum vierten Mal] um die
       Präsidentschaft kandidiert, wären einschneidende Maßnahmen zu erwarten. Die
       67-Jährige hat bereits angekündigt, dass sie sich an den [3][Strategien des
       salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele] orientieren werde, „um mit der
       Geißel der Morde und Erpressungen Schluss zu machen“.
       
       Der Staatschef des Nachbarlandes geht mit Hilfe eines erklärten
       Ausnahmezustands massiv gegen vermeintliche und tatsächliche
       Bandenmitglieder vor. Fast 70.000 Menschen wurden verhaftet, Grundrechte
       außer Kraft gesetzt. Menschenrechtsverteidiger*innen kritisieren
       die Maßnahmen, doch eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung unterstützt
       Bukele. „Ich werde die Erpresser zu Terroristen erklären“, versprach denn
       auch Torres.
       
       Zu den eigentlichen Siegern des Wahlsonntags zählen jedoch jene, die dem
       Urnengang eine Absage erteilt haben: Über 17 Prozent der Wähler*innen
       stimmten ungültig, weitere 7 Prozent haben leere Wahlzettel abgegeben. Drei
       oppositionelle Kandidat*innen durften nach entsprechenden
       Gerichtsurteilen mit fadenscheinigen Begründungen nicht antreten und haben
       dazu aufgerufen, ungültig zu stimmen. Zu ihnen zählt auch die Indigene
       Thelma Cabrera, die für die linke Bewegung MLP ins Rennen gehen wollte. Mit
       ihrem Ausschluss verloren die Indigenen, 45 Prozent der Bevölkerung, ihre
       aussichtsreichste Anwärterin.
       
       Zivilgesellschaftliche Organisationen hatten sich vorab kritisch geäußert.
       „Während einige Kandidaten teilnehmen dürfen, obwohl gegen sie wegen
       Korruption und Drogenhandel ermittelt wird, werden andere, die den Status
       quo infrage stellen, blockiert“, erklärte Human Rights Watch.
       
       Der rechtskonservative amtierende Präsident [4][Alejandro Giammattei]
       erfährt regelmäßig Kritik, weil er repressiv gegen
       [5][Journalist*innen] und Jurist*innen vorgeht. Mitte Juni wurde der
       Herausgeber der mittlerweile eingestellten Zeitung [6][El Periódico] wegen
       Geldwäsche zu sechs Jahren Haft verurteilt. Das Blatt hatte aktuelle
       Korruptionsfälle aufgedeckt.
       
       Staatsanwält*innen und Richter*innen, die mit der Cicig kooperiert
       hatten, mussten ins Exil flüchten. Das Gremium selbst wurde 2019 vom
       damaligen Präsidenten Jimmy Morales des Landes verwiesen. Seither hat der
       „Pakt der Korrupten“ wieder mehr Macht. „Von einer Demokratie kann hier
       nicht die Rede sein“, erklärt der Jurist Jordán Rodas. Der ehemalige
       Ombudsmann für Menschenrechte wollte für die Vizepräsidentschaft
       kandidieren. Auch er wurde nicht zugelassen.
       
       26 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Juristenkommission-fuer-Guatemala/!5619653
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       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf-Dieter Vogel
       
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