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       # taz.de -- Nach dem AfD-Sieg in Sonneberg: Nicht nur auf die Blauen starren
       
       > Bei der Diskussion um die AfD in Sonneberg wird zu sehr auf die geschaut,
       > die die Demokratie zerreißen. Andere hätten mehr Aufmerksamkeit verdient.
       
   IMG Bild: Die blauen Männchen wollen den Diskurs verschieben, hier auf einer Wahlkampfveranstaltung 2021
       
       Plötzlich sind wieder alle schockiert. Nachdem der rechtsextreme Politiker
       Robert Sesselmann von der [1][AfD im thüringischen Sonneberg] am
       vergangenen Sonntag die [2][Landratswahl] mit 52,8 Prozent gegen einen
       CDU-Kandidaten gewann, ist der Aufschrei groß. Von Zeitungen über
       TV-Sendungen bis hin zu den sozialen Medien – überall liest man
       Erschrecken, Entsetzen, Überraschung.
       
       Dabei kommt dieser Wahlsieg nicht aus dem Nirgendwo. Die AfD in Thüringen
       mit ihrem Vorsitzenden [3][Björn Höcke] ist stramm rechtsextrem, das weiß
       sogar der Verfassungsschutz. Nur: Für viele Menschen ist das kein
       Hindernis, sondern der Hauptgrund, sie zu wählen. Das zeigen auch aktuelle
       Umfrageergebnisse oder ein Video, in dem ein Mann sich die NSDAP
       zurückwünscht. Es kursierte kurz vor der Wahl.
       
       Das öffentliche Versagen liegt nicht etwa in der mangelhaften Analyse
       dieser Partei oder der zunehmenden Verrechtung der Gesellschaft – sei es
       die Asylgesetzverschärfung, der Umgang mit rechtem Terror oder die
       unsoziale Sozialgesetzgebung. Auch über die Besonderheit Ostdeutschlands in
       dieser Gemengelage reden viele Menschen schon lange – mal mehr, mal weniger
       klug.
       
       Nein, unser Versagen als Gesellschaft liegt darin, dass wir zu wenig Fokus
       auf emanzipatorische, solidarische, demokratische Positionen lenken. Es
       gibt viele engagierte Menschen in Thüringen, die tagtäglich um die
       Demokratie im Freistaat ringen und sich mit standhaftem Engagement für eine
       offene Gesellschaft einsetzen. Aber wir lassen sie zu sehr alleine.
       
       ## Wir lassen die Engagierten alleine
       
       Auch wir, als Journalist*innen. Immer wieder sucht die Zivilgesellschaft
       händeringend nach der Aufmerksamkeit der Medien. Wenn sie unter Beschuss
       stehen, wenn CDU und AfD ihnen Fördergelder kürzen wollen, wenn sie
       rechtsextreme Gewalt erfahren. Für die meisten Medien ist das aber weniger
       berichtenswert als das zehntausendste Porträt über den Faschisten Björn
       Höcke.
       
       Expert*innen warnen seit Jahren vor der steigenden rechtsextremen
       Hegemonie, die sich vor allem in Ostdeutschland abzeichnet. Sie war seit
       den 90er Jahren ohnehin nie wirklich weg, breitet sich aber immer weiter
       aus. Wir wissen, dass rechte Kräfte hier ein Experimentierfeld für
       Politikgestaltung haben, ob im Geraer Stadtrat oder im Sonneberger Landrat.
       Und wer in Sachsen, Thüringen oder Brandenburg lebt, den überrascht dieses
       Wahlergebnis nicht.
       
       Aber: Die Gesellschaft ist vielschichtiger, als viele Analysen es abbilden.
       
       ## Demokratische Kultur stärken
       
       Es ist unsere Aufgabe als Presse, diese Vielschichtigkeit zu zeigen und
       damit die demokratische Meinungsbildung zu fördern. Klar ist es wichtig,
       diese Verschiebungen mit Argusaugen zu beobachten und darüber zu
       informieren. Was aber zu kurz kommt: dass es zahlreiche Menschen gibt, die
       sich Rechten in den Weg stellen, eigene solidarische Alternativen schaffen
       und die demokratische Kultur stärken.
       
       Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit für diese Menschen. Kontinuierlich.
       Langfristig. Nicht immer nur dann, wenn Journalist*innen aus den
       deutschen Großstädten mal wieder in „den Osten“ fahren, um zu zeigen, wie
       schlimm dort alles ist.
       
       Wir sollten diesen Menschen mehr zuhören, sie ermächtigen, den Fokus
       verschieben. Denn diese Stimmen sind es, die wir brauchen, um Schlimmeres
       zu verhindern.
       
       26 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
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