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       # taz.de -- Urteil im Diesel-Skandal: Bewährung gegen Geständnis
       
       > Urteil im Diesel-Skandal: Ex-Audi-Chef Rupert Stadler hat weggeschaut und
       > seine Pflichten vernachlässigt, muss aber nicht ins Gefängnis.
       
   IMG Bild: Sagte auch bei der Urteilsverkündung nichts: Rupert Stadler
       
       München taz | Auch an diesem letzten Tag kommt er wie immer in den
       Hochsicherheitsgerichtssaal am Münchner Gefängnis Stadelheim. Und wie immer
       sagt er nichts. Rupert Stadler, ehemals ein Top-Manager in der
       Autoindustrie, Vorstandschef bei Audi, Vorstandsmitglied beim
       VW-Mutterkonzern, weiß, dass ihn an diesem Dienstag nichts allzu Schlimmes
       bevorsteht.
       
       Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München bewahrt ihn und zwei
       weitere Angeklagte in ihrem Urteil zum Dieselabgasskandal vor dem
       Gefängnis. Gemäß eines „[1][Deals]“, einer Absprache zwischen Gericht und
       Angeklagtem, erhält der 60-Jährige eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und
       neun Monaten. Zudem muss er 1,1 Millionen Euro an die bayerische
       Staatskasse sowie an gemeinnützige Organisationen zahlen.
       
       Die zwei Mitangeklagten, Wolfgang Hatz – einst bei Audi und später
       Porsche-Entwicklungsvorstand –, sowie der ihm unterstellte Ingenieur
       Giovanni P. erhalten ebenso Bewährungsstrafen. Damit geht ein
       Mammutverfahren zu Ende, in dem erstmals ein Urteil gegen einen früheren
       Volkswagen-Vorstand wegen [2][manipulierter Software bei Dieselfahrzeugen]
       gesprochen wurde. Über zweieinhalb Jahre hinweg wurde an insgesamt 172
       Tagen verhandelt. Und das Auffliegen des Dieselskandals ist auch schon fast
       acht Jahre her.
       
       Alle drei Angeklagten wurden wegen Betruges verurteilt. Hatz und der
       Ingenieur hatten schon recht früh ihre Schuld gestanden, Deals
       abgeschlossen und ausgesagt. Stadler hingegen war bis Mitte Mai bei seiner
       Haltung geblieben, unschuldig zu sein. Der Betrug habe sich hinter seinem
       Rücken abgespielt und er nichts davon gewusst, hatte Stadler lange
       behauptet. Erst nachdem ihm das Gericht klar gesagt hatte, dass es genug
       Beweise sehe für eine Verurteilung mit Gefängnis, ging Stadler auf den Deal
       ein: Geständnis gegen Bewährung.
       
       ## Stadler hat weggeschaut
       
       In seiner Urteilsbegründung listete der Vorsitzende Richter Stefan Weickert
       vor allem Stadlers Versäumnisse als oberster Audi-Mann auf. Dieser habe
       „gesehen, dass es Möglichkeiten gibt, Betrug zu verüben“. Ihm sei „bewusst
       gewesen, dass es Entwicklungen gegeben hat, deren rechtliche Zulässigkeit
       nicht gesichert waren“. Kurz: Stadler hat weggeschaut, wo er hätte
       hinschauen und einschreiten können, ja sollen.
       
       Bei den verzweigten Fällen geht es um Dieselabgasmessungen verschiedener
       Autos von Audi und VW. Begonnen hatte das Problem in den USA, als dort
       schärfere Gesetze für den Ausstoß von Schadstoffen eingeführt wurden. Im
       Kern tüftelten die Ingenieure Systeme aus, bei denen der Abgasausstoß bei
       den Messungen niedrig sein sollte. [3][Diese Werte hatten aber nichts mit
       denen zu tun, die tatsächlich bei den Fahrten ausgestoßen wurden]. Diese
       lagen um ein Vielfaches höher.
       
       So wurden Behörden, Audi-Vertragshändler und Kunden ausgetrickst. Als der
       Dieselskandal 2015 aufflog, führte das zu tiefgreifenden Erschütterungen in
       der gesamten Automobilindustrie. Allein in den USA entstand laut dem
       Vorsitzenden Richter Weickert ein Schaden von 2,3 Milliarden Euro, für den
       Wolfgang Hatz und der Ingenieur laut Urteil verantwortlich sind.
       
       Stadler werden dagegen in dem Urteil nur in Deutschland entstandene Schäden
       zur Last gelegt – fast läppische 41 Millionen Euro wegen des Verkaufs von
       manipulierten Dieselautos in Deutschland. Hier wurden die Manipulationen
       durch relativ günstige Softwareupdates ausgebügelt, in den USA hatten die
       betroffenen Autos nach dortiger Rechtslage nur noch Schrottwert.
       
       ## Seine Anwälte stellten ihn als unschuldig dar
       
       Dass beim Ex-Chef Stadler eine gewisse Schuldeinsicht besteht, war in dem
       gesamten Verfahren nicht zu erkennen. Seine Anwälte stellten ihn als
       unschuldig dar, er selbst hat nie etwas gesagt. Das Mitte Mai von seiner
       Verteidigerin vorgelesene Geständnis hörte sich karg und dünn an. Mit
       vielen Einschränkungen und Konjunktiven hatte er darin erklärt, dass es
       „ein Mehr an Sorgfalt bedurft hätte“. Er habe die Möglichkeit „billigend in
       Kauf genommen“, dass manipuliert worden sei. Und als einziger Satz der
       Entschuldigung: „Das bedauere ich sehr.“
       
       Mit welchem Aufwand und wie durchtrieben an den Abgasvorrichtungen
       manipuliert wurde, zeigen die langen Ausführungen des Richters in der
       Urteilsbegründung. Für den Laien sind die einzelnen technischen Schritte
       und Vorgehensweisen kaum verständlich. Es zeigt sich aber: Es wurde
       zeitaufwändig, sehr komplex und immer wieder neu am Betrug getüftelt.
       
       Der Ingenieur, so der Richter, wusste vom Betrug, „fand sich damit aber
       ab“. Er wollte „Nachteile für sich abwenden“. Wolfgang Hatz sei der
       Auffassung gewesen, „dass es keine anderen Lösungen gab“.
       
       27 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Patrick Guyton
       
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