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       # taz.de -- Kunst von Frauen aus Afghanistan und Iran: Es braucht die Bilder
       
       > Künstlerinnen aus Afghanistan und Iran werden hierzulande virtuell oder
       > in richtigen Ausstellungen sichtbarer. Für sie ist das ein Risiko.
       
   IMG Bild: Eine Fotografie von Aziza Asadullah, aufgenommen in Afghanistan​
       
       Eine Frau mit offenem Haar und im roten schulterlosen Top reckt den Kopf
       empor, im Hintergrund ist die Kulisse von Persepolis zu sehen; doch dort,
       wo die Sonnenbrille sein sollte, sind ihr die Augen verbunden. Gemalt hat
       das beklemmende Bild die nach Hamburg geflohene iranische Künstlerin Mina
       Irani Benimar.
       
       Dann sind da die Fotografien von Aziza Asadullah (Name geändert),
       aufgenommen in ihrer Heimat Afghanistan. Man sieht: eine Frau im Türrahmen,
       über ihrem Gesicht das Gitter des hellblauen Schleiers, neben ihr zwei
       Türketten. Hermetisch, abgeriegelt, verschlossen.
       
       Diese Bilder sind derzeit in einer Ausstellung in Hamburg-Bergedorf zu
       sehen, an einem für die Kunst eher untypischen Ort in einem
       Einkaufszentrum, wo eine Initiative ein Atelier eingerichtet hat. Deren
       Titel „Frau Leben Freiheit – Zan Zendegi Azadi – Woman Life Freedom“ greift
       einen Slogan der Proteste im Iran auf, die Schau bringt die dortigen
       Geschehnisse nach dem Tod von Jina Mahsa Amini im September 2022 in Teheran
       zusammen mit der Situation der Afghaninnen nach Abzug der westlichen
       Truppen im August 2021.
       
       In beiden Regimen werden Frauen brutal unterdrückt, im Iran werden täglich
       Oppositionelle und Frauen hingerichtet. Amnesty International [1][fordert
       den Internationalen Strafgerichtshof dazu auf], zu prüfen, ob die
       Repressionen gegenüber Frauen unter dem afghanischen Taliban-Regime als
       Völkerrechtsverbrechen zu werten sind. Frauen, die Kunst machen, werden in
       Afghanistan mit dem Tod bedroht, sie arbeiten häufig im Untergrund, halten
       ihre Bilder versteckt.
       
       Es ist besonders, dass in dieser Ausstellung überhaupt Bilder von sieben
       afghanischen Künstler:innen an die Öffentlichkeit gelangen – einige von
       ihnen leben noch in Afghanistan. „Die Menschen dort brauchen eine Stimme,
       insbesondere die Frauen, die nur noch mit blickdichter Burka an den
       Checkpoints sicher sind und die nicht mehr arbeiten oder studieren dürfen“,
       sagt Juli Bandelow, eine der Kuratorinnen.
       
       Da es so gut wie unmöglich ist, deren Werke sicher außer Landes zu
       schaffen, sind in Hamburg Duplikate ausgestellt. [2][Auch das Projekt „Hope
       in Darkness“] widmet sich derzeit der Kunst afghanischer Frauen. „Hope in
       Darkness“ ist als Wanderausstellung konzipiert, ab dem 16. Juli ist sie in
       der Städtischen Galerie Fruchthalle in Rastatt bei Karlsruhe zu sehen.
       Weitere Ausstellungsorte sollen folgen. Die Schau zeigt 35 Werke von jungen
       Frauen aus dem westafghanischen Herat, die Originale sollen unter Risiken
       außer Landes geschmuggelt worden sein.
       
       ## Ausstellung verbunden mit politischer Forderung
       
       Für die Kuratorinnen in Hamburg-Bergedorf ist die Sichtbarmachung dieser
       Bilder auch mit einer politischen Forderung verbunden. Die Adressaten: das
       Bundesaußenministerium und das Land Hamburg. Das Bundesaufnahmeprogramm für
       bedrohte Afghan:innen, das im Dezember 2022 gestartet wurde, ist nach
       zwischenzeitlichem Stopp zwar nun wieder aufgenommen worden, doch kein
       einziger Mensch ist darüber bislang nach Deutschland gelangt. Die
       Kurator:innen fordern auch deshalb ein Landesaufnahmeprogramm für
       Hamburg, ähnlich wie Hessen es gerade eingeführt hat.
       
       Etwa 14.000 Afghan:innen warten laut NDR Info auf die Einreise nach
       Deutschland, die meisten sind noch in Afghanistan. Nun sollen monatlich
       1.000 Menschen nach Deutschland kommen können, Menschenrechtsorganisationen
       schlagen seit langem Alarm, dass alles viel zu lange dauere – in Fällen, wo
       Menschen akut mit Tod oder Folter bedroht sind.
       
       In Iran sind laut Schätzungen von Menschenrechtler:innen mehr als
       20.000 Oppositionelle inhaftiert, auch hier werden die Forderungen an die
       Bundesregierung lauter, einen neuen Kurs in der Iranpolitik einzuschlagen.
       
       Bilder können lügen, doch die, die hier nun langsam über die Ausstellungen
       in Hamburg-Bergedorf oder „Hope in Darkness“ sichtbar werden, lügen sicher
       nicht. Sie mögen manchmal plakativ sein – ein Schleier aus Draht, ein Land
       hinter Gittern – und einen aktivistischen Impetus haben, aber sie machen
       auf die bedrohliche Lage der Frauen im Iran und Afghanistan aufmerksam. Es
       braucht wohl noch mehr solcher Bilder.
       
       28 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.amnesty.de/allgemein/pressemitteilung/afghanistan-taliban-frauen-maedchen-verbrechen-gegen-die-menschlichkeit
   DIR [2] http://hope-in-darkness.de
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jens Uthoff
       
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