# taz.de -- Verfassungsschutz schützt Altnazis: Falsche Loyalitäten
> Jahrzehnte lebte Alois Brunner, die rechte Hand Adolf Eichmanns, in
> Syrien. Erst jetzt werden Akten sichtbar, die zeigen, wer ihn deckte.
IMG Bild: Hier wurde gemauert, was das Zeug hält: Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln in den 1970ern
Dass Nazis andere Nazis vor einer Strafverfolgung zu bewahren suchen,
entspricht den Umgangsformen unter Massenmördern. Das Gegenteil wäre
überraschend. Und so ist es denn auch geradezu folgerichtig, dass der
Verfassungsschutz über Jahrzehnte seine schützende Hand über einen der
furchtbarsten NS-Täter gehalten hat. Schon früh wusste man im Kölner Amt,
dass sich [1][Adolf Eichmanns] rechte Hand, Alois Brunner, nach Syrien
abgesetzt hatte. Aber darüber schwieg man lieber, als es den Kollegen der
Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main mitzuteilen, die ein Verfahren gegen
den Flüchtigen eröffnet hatten.
Es hat sich inzwischen herausgestellt, dass diese Art mörderischer Kumpanei
in der Bonner Republik allgegenwärtig war, ob beim BND, im Auswärtigen Amt
oder bei anderen Dienststellen – also eben auch beim Verfassungsschutz.
Weite Teile gerade der Geheimdienste hatten sich aus NS-belastetem Personal
rekrutiert. Deren Loyalität galt nur formal der neuen Demokratie. Sobald es
um ausgeschiedene Bandenmitglieder ihrer terroristischen Vereinigung ging,
waren Freundschaftsdienste angesagt, galt es doch, die alten Bande und
damit die eigene Karriere zu stärken.
Die Bonner Republik ist schon vor langer Zeit nach Berlin umgezogen. Die
alten Nazis sind längst gestorben, die in ihren Verstecken genauso wie die
in ihren Amtsstuben. So wäre die ganze Affäre eigentlich eine Angelegenheit
für Historiker. Doch der Verfassungsschutz hat bewiesen, dass das leider
ein Irrtum ist.
Denn der Inlandsgeheimdienst hat mit allen Mitteln dagegen gekämpft, dass
seine frühere Kumpanei zwischen Altnazis öffentlich wird. Dass das Amt
diesen Streit nun verloren hat, ist ein gutes Zeichen. Dass der
[2][Verfassungsschutz] aber überhaupt glaubte, dieses Geheimnis hüten und
vor hartnäckigen Nachforschungen bewahren zu müssen, ist ein Signal, dass
die Loyalitäten unter denjenigen, die das Grundgesetz schützen sollen,
nicht ganz so eindeutig sind, wie man es erwarten sollte.
Denn selbstverständlich zählt es zu den vornehmsten Aufgaben einer
staatlichen Behörde, eigene vor langer Zeit begangene Verfehlungen
öffentlich zu machen. Erst recht dann, wenn man von Amts wegen damit
betraut ist, die Verfassung zu bewahren. Wissen um Fehler kann bekanntlich
vor dem Begehen neuer Fehler bewahren. Wen aber glaubte das Amt mit seiner
Geheimnistuerei zu schützen? Die eigenen Nazis? Das macht wenig Sinn, denn
über denen wächst längst das Gras.
Viel näher liegender erscheint es, dass man die eigenen Fehler immer noch
nicht als solche erkannt hat. Nein, [3][Alois Brunner] wird nicht mehr
geschützt. Aber die lange, unselige Behördentradition scheint ungebrochen
zu sein.
30 Jun 2023
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## AUTOREN
DIR Klaus Hillenbrand
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