# taz.de -- Urteil gegen Großbritanniens Ruanda-Deal: Ein nicht nur britischer Irrweg
> Das Auslagern von Asylsuchenden nach Ruanda ist laut einem Londoner
> Gericht rechtswidrig. Interessant ist die Begründung – auch für
> Deutschland.
IMG Bild: Geflüchtete im Hafen von Chania. Der EU-Türkei-Deal erlaubt Griechenland, syrische Flüchtlinge ohne Anhörung in die Türkei zurückzubringen beziehungsweise sie gar nicht einzulassen
Großbritannien darf nun doch keine [1][Flüchtlinge nach Ruanda] auslagern,
statt ihnen Asyl zu gewähren. Mit dem zweitinstanzlichen Urteil in London
am Donnerstag dürfte der „Ruanda-Deal“ aus dem Jahr 2022, der dem Land
weltweit Kritik einbrachte, gestorben sein.
Das Urteil ist komplex. Der [2][„Ruanda-Deal“] wird nicht an sich für
rechtswidrig erklärt, nicht einmal wegen des Bruchs der
UN-Flüchtlingskonvention. Es wird lediglich Ruanda der Status als „sicheres
Drittland“ abgesprochen, aus nur einem Grund: Ruanda biete keine
ausreichende Garantie dafür, dass Asylsuchende dort vor einer Abschiebung
in ihr Herkunftsland geschützt seien, heißt es.
Mit diesem Punkt allerdings wird eine Praxis, die in der internationalen
Flüchtlingspolitik mittlerweile zum Standard gehört, grundlegend
hinterfragt. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR fliegt ständig Asylsuchende
aus Libyen nach Ruanda – geht das nun nicht mehr? Noch problematischer ist
[3][das Urteil] für die EU und damit auch für Deutschland. Der
EU-Türkei-Deal erlaubt Griechenland, syrische Flüchtlinge ohne Anhörung in
die Türkei zurückzubringen beziehungsweise sie gar nicht einzulassen – aber
in der Türkei wird auf höchster politischer Ebene diskutiert,
Syrien-Flüchtlinge auch gegen ihren Willen nach Syrien zu deportieren. Nach
den Maßstäben des Londoner Urteils wäre der Deal illegal.
Das ist nicht nur eine theoretische Feststellung. Die Europäische
Menschenrechtskonvention, auf die sich das Gericht beruft, gilt in ganz
Europa, nicht nur in der EU. Die EU-Innenminister haben sich gerade erst
auf das Parken von Flüchtlingen in Lagern an EU-Außengrenzen geeinigt. Aber
sind Flüchtlinge in EU-Anrainerstaaten wie Tunesien oder Türkei wirklich
davor sicher, gegen ihren Willen in die falsche Richtung abgeschoben zu
werden? Die EU ist womöglich dabei, den gleichen Irrweg zu beschreiten, den
Großbritannien jetzt voraussichtlich verlassen muss. Das ist die
eigentliche, paradoxe Lehre dieses Londoner Urteils.
29 Jun 2023
## LINKS
DIR [1] /Nach-gescheitertem-Abschiebeflug/!5858189
DIR [2] /Abschiebepraxis-in-Israel/!5269686
DIR [3] https://www.judiciary.uk/judgments/aaa-v-secretary-of-state-for-the-home-department/
## AUTOREN
DIR Dominic Johnson
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