URI: 
       # taz.de -- NS-Verbrecher Alois Brunner: Der effiziente Massenmörder
       
       > Deportieren war sein Beruf: Die furchtbare Karriere des österreichischen
       > SS-Manns Alois Brunner.
       
   IMG Bild: Alois Brunner, undatierte Aufnahme
       
       Berlin taz | „Das Wetter wird immer schöner. Und unsere Arbeit schreitet
       prima vorwärts. Am 25. 2. begannen hier die gelben Sterne zu funkeln. So
       mancher Landser sagte, au weh, meine trägt ja auch einen Stern. Und die
       griechische Bevölkerung ist über die Kennzeichnung und Ghettoisierung
       derart erfreut, dass ich mir sage ein Verbrechen, dass nicht schon früher
       entsprechende Maßnahmen ergriffen worden sind.“ Als Alois Brunner diese
       Zeilen 1943 an einen Kameraden schreibt, ist der SS-Hauptsturmführer im
       griechischen Thessaloniki mit der Durchführung eines Massenmords
       beschäftigt. Es geht um die Kennzeichnung, Isolierung und schließlich
       Deportation der dort lebenden Juden.
       
       Brunner löst die Aufgabe effizient wie immer. Bis Mitte August treffen 19
       Güterzüge mit 48.533 griechischen Jüdinnen und Juden im
       [1][Vernichtungslager Auschwitz] ein. Doch der Job in Thessaloniki ist nur
       eine Station in der mörderischen Karriere des österreichischen Nazis und
       überzeugten Antisemiten. Brunner gilt als rechte Hand [2][Adolf Eichmanns],
       der immer dann geholt wird, wenn es mit dem Massenmord nicht so schnell
       vorangeht wie erwünscht.
       
       Brunners Karriere beginn in seiner Heimat Österreich. Der 1912 geborene
       Kaufmann aus dem Südburgenland hatte sich als Caféhausbetreiber versucht
       und war gescheitert. In NSDAP und SA war er schon 1931 eingetreten. Im
       September 1933 geht der kleingewachsene Mann nach Deutschland und bringt es
       in der „Österreichischen Legion“ bis zum SA-Obertruppführer. Und er tritt
       der SS bei. So kommt es, dass ihn Adolf Eichmann Mitte November 1938 als
       Mitarbeiter in der Wiener „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“
       aufnimmt.
       
       Diese Zentralstelle soll die „Ostmark“, wie Österreich unter den Nazis
       heißt, durch Terror möglichst rasch „judenfrei“ machen, die Menschen also
       zur Auswanderung zwingen. Eichmann gilt da als besonders erfolgreich. Erst
       im Oktober 1938 hat er voller Stolz Zahlen vorgelegt, die den Erfolg seines
       „Wiener Modells“ belegen sollen: 40.000 vertriebene Juden in nur einem
       Monat. 1941 wird Brunner Leiter der Zentralstelle, sein Chef geht nach
       Berlin und leitet dort fortan das [3][SS-Amt IV B4], das den im selben Jahr
       beginnenden [4][Holocaust] europaweit organisiert. Alois Brunner schickt
       Zehntausende Wiener Juden in den Tod.
       
       ## 1.327 jüdische Kinder deportiert
       
       1942 wird der Massenmörder in die Reichshauptstadt entsandt, denn dort geht
       den Nazis ihr Todesprogramm nicht schnell genug voran. Brunner zwingt die
       Berliner Jüdische Gemeinde, eigene Leute abzustellen, die bei der Abholung
       in die Sammellager dabei sind. Er lässt das Sammellager in der Großen
       Hamburger Straße so umbauen, dass dort mehr Menschen durchgeschleust
       werden. Er sorgt dafür, dass sich in wenigen Wochen die Altersheime leeren.
       Die Menschen kommen ins Ghetto [5][Theresienstadt], viele später weiter
       nach Auschwitz. Die Kinder eines Waisenhauses werden direkt nach Auschwitz
       deportiert. In vier Monaten lässt Brunner rund 56.000 [6][Berliner Juden]
       deportieren.
       
       Nach seiner Station in Berlin und seinem Einsatz in Griechenland wird
       Brunner nach Paris geschickt. Dort organisiert er im Juli 1943 22
       Transporte nach Auschwitz. Er sorgt für Kommandos, die nach Untergetauchten
       fahnden, lässt noch im Juli 1944 1.327 jüdische Kinder deportieren. Sein
       letzter Job als SS-Mann führt Brunner 1944/45 in die Slowakei, wo er das KZ
       Sered’ leitet.
       
       Kurz nach Kriegsende wird Alois Brunner in Wien gesehen. Er und seine Frau
       suchen danach zwischen Passau und Linz einen Unterschlupf. Ab 1947 ist er
       unter dem Namen Schmaldienst in Essen gemeldet. Um 1954, als seine
       Identität ruchbar zu werden droht, verschwindet Alois Brunner in den Nahen
       Osten. An Helfern fehlte es ihm nicht.
       
       30 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bundestag-gedenkt-Shoah-Toten/!5911708
   DIR [2] /60-Jahrestag-des-Eichmann-Prozesses/!5759178
   DIR [3] /NS-Geschichte-in-Schoeneberg/!5430293
   DIR [4] /80-Jahre-Wannsee-Konferenz/!5827977
   DIR [5] /Holocaust-Gedenktag/!5827463
   DIR [6] /Zeugnis-einer-Berliner-Juedin/!5375310
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Hillenbrand
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Nationalsozialismus
   DIR NS-Verbrechen
   DIR Holocaust
   DIR Shoa
   DIR Adolf Eichmann
   DIR GNS
   DIR Schwerpunkt Syrien
   DIR wochentaz
   DIR Schwerpunkt Nationalsozialismus
   DIR Justiz
   DIR Holocaust-Gedenktag
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Deutsche und das syrische Regime: In der Tiefe
       
       Die Assad-Diktatur hat sich von Nazis, DDR und Bundesrepublik inspirieren
       lassen. Die Geheimdienstarchive dürften manche Überraschung bereithalten.
       
   DIR Buch über Antisemitismus vor 1933: Jüdische Badegäste unerwünscht
       
       „Ob die Möwen manchmal an mich denken?“ erzählt von der Vertreibung
       jüdischer Gäste an der Ostsee. Geliebte Urlaubsziele rücken in ein anderes
       Licht.
       
   DIR Zeitzeuge erinnert sich: „Am 1. April 1933 verlor ich meinen Glauben“
       
       Vor 90 Jahren inszenierten die Nazis ihren ersten „Juden-Boykott“. Walter
       Frankenstein erlebte diesen Tag als Neunjähriger.
       
   DIR Prozess gegen mutmaßlichen KZ-Wachmann: 101 Zeichen der Schuld
       
       In Brandenburg muss die Justiz am Dienstag ihr Urteil über einen alten Mann
       fällen. Josef S. ist der Beihilfe zum Mord im KZ Sachsenhausen angeklagt​.
       
   DIR 60. Jahrestag des Eichmann-Prozesses: Der Prozess, der Geschichte schrieb
       
       Vor 60 Jahren begann in Jerusalem das Verfahren gegen Adolf Eichmann. Der
       Strafprozess schuf die Grundlagen für eine Verfolgung vieler NS-Straftäter.