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       # taz.de -- Nach dem Tod von Silvio Berlusconi: Der Forza Italia fehlt der König
       
       > Die Zukunft von Berlusconis Partei Forza Italia, aktuell an der
       > italienischen Regierung beteiligt, ist völlig offen. Ein Nachfolger ist
       > nicht in Sicht.
       
   IMG Bild: Berlusconi bei einer Wahlkampfveranstaltung im September 2022
       
       Rom taz | Schon früh plante [1][Silvio Berlusconi für die Zeit nach seinem
       Ableben]. Im Jahr 1990 ließ er im Garten seiner Villa in Arcore vor den
       Toren Mailands ein mächtiges Mausoleum aus Carraramarmor errichten, ganz so
       als wäre er ein Pharao, mit 37 Grabstätten: für sich, für die Familie, auch
       für die engsten Freunde. Ähnliche Vorausschau zeigte er auch bei seinen
       Unternehmen: Dort ist der Stabwechsel zu seinen Kindern, vorneweg zu
       Tochter Marina und Sohn Piersilvio, schon vollzogen. Doch für seine
       politische Kreation, für Forza Italia (FI), fehlt jeglicher Plan, wie es
       nach dem Tod des Gründers weitergehen soll.
       
       Als „Plastik-“, als „Retortenpartei“ wurde FI 1994 verspottet. Über Nacht
       hatte Berlusconi den Namen des Vereins – er ist der Schlachtruf der Fans
       der italienischen Fußball-Nationalmannschaft – erfunden, und die
       Kandidat*innen für die erste Parlamentswahl wurden vor der TV-Kamera
       gecastet.
       
       Ob Plastik, ob Retorte, die Forza Italia blieb eine einzig auf Berlusconi
       fokussierte Partei. Als „Presidente“ des Vereins ließ er sich nie wählen,
       Parteitage hielt er nicht ab, demokratische Strukturen im Inneren gab es
       nicht. Berlusconi führte FI als absoluter Monarch, umgeben von einem Kreis
       von wechselnden Hofschranzen. Umso mehr stellt sich die Frage: Was wird aus
       FI? Hat die Partei überhaupt eine Überlebenschance – oder wird sie ihrem
       Alleinherrscher in den Tod folgen?
       
       So wie Berlusconi selbst hatte auch FI in den letzten 10 Jahren einen
       kontinuierlichen Niedergang erlebt. Doch sie blieb, genauso wie „Silvio“ –
       so nannten ihn seine Parteigänger – unverzichtbar für Italiens
       Rechtsallianz.
       
       ## Meloni konnte das recht sein
       
       Angesichts des Vormarschs erst der Lega Nord unter Matteo Salvini und dann
       der [2][Fratelli d’Italia unter der amtierenden Ministerpräsidentin Giorgia
       Meloni], hatte Berlusconi für sich selbst genauso wie für seine Partei eine
       ganz neue Rolle gefunden: die des „moderaten“ Korrektivs in der stramm
       rechten Meloni-Koalition. Er, der die italienische Politik seit 1994 mit
       rüden populistischen Tönen aufgemischt hatte, gab sich auf einmal als der
       „Gemäßigte“, als der „Proeuropäer“.
       
       Meloni konnte das nur recht sein. Mit Forza Italia sitzt eine Partei in der
       Regierungskoalition, die in Europa zur Europäischen Volkspartei gehört, zu
       der auch CDU und CSU zählen, und die in Italien mit 8 Prozent immerhin jene
       Stimmen beisteuerte, die für den Wahlsieg der Rechtsallianz schlicht
       unverzichtbar waren. Doch auch Meloni muss jetzt ohne Berlusconi, und bald
       womöglich auch ohne Forza Italia planen. Schon in den letzten Monaten war
       FI zerrissen zwischen einer Fraktion, die einen härteren Konfrontationskurs
       gegenüber Meloni in der Koalition wollte, und einem Lager, das die
       Regierungs- und Koalitionstreue über alles stellte.
       
       Berlusconi hatte diesen Konflikt erst vor Kurzem mit einem Machtwort
       zugunsten der Meloni-Treuen entschieden. Angeblich ist er dabei dem Rat
       seiner letzten Lebensgefährtin, der 33-jährigen Abgeordneten Marta Fascina,
       gefolgt. Machtworte: Sie waren und blieben bis zu Berlusconis letztem Tag
       der einzige Entscheidungsmechanismus in seiner Partei.
       
       Doch niemand wird sie jetzt mehr sprechen können. Unmittelbar nach
       Berlusconis Beerdigung dürften die Diadochenkämpfe ausbrechen. Ihr Ende ist
       absehbar, mit dem Zerfall von Forza Italia, mit dem Abmarsch ihrer
       Parlamentarier*innen zu einer der beiden anderen Regierungsparteien,
       entweder zu Melonis Postfaschisten oder zu Salvinis Lega.
       
       12 Jun 2023
       
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