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       # taz.de -- Bootsunglück in Griechenland: Neun Festnahmen
       
       > Griechische Behörden nahmen nach dem Untergang eines Boots mit
       > Geflüchteten 9 Verdächtige fest. Rund 80 Menschen sind gestorben,
       > Hunderte werden vermisst.
       
   IMG Bild: Ein überfülltes Boot mit Geflüchteten: Auch dieses ist gesunken
       
       Kalamata afp | Nach dem Untergang eines voll [1][besetzten Flüchtlingsboots
       vor der Küste Griechenlands] und der Bergung von fast 80 Toten haben
       griechische Rettungskräfte ihre Suche nach hunderten Vermissten
       fortgesetzt. Zwei Patrouillenboote, eine Fregatte der griechischen Marine,
       drei Helikopter und neun weitere Schiffe suchten am Donnerstag in dem
       besonders tiefen Seegebiet westlich der Halbinsel Peloponnes das Mittelmeer
       ab. Unterdessen nahmen griechische Hafenbehörden neun Menschen fest, die
       unter Verdacht stehen, einer Schlepperbande anzugehören.
       
       Die griechische Nachrichtenagentur ANA meldete, die neun Verdächtigen
       ägyptischer Nationalität seien in der auf der Peloponnes liegenden
       Hafenstadt Kalamata festgenommen worden. Nach Angaben der Hafenbehörden
       befindet sich darunter auch der Kapitän des Bootes.
       
       Das Fischerboot war am frühen Mittwochmorgen westlich der Peloponnes
       gekentert. Nach Angaben aus Kreisen der Hafenbehörden war das Schiff in
       Ägypten gestartet, hatte in der libyschen Hafenstadt Tobruk die Migranten
       an Bord genommen und dann Kurs Richtung Italien genommen.
       
       78 Leichen wurden nach Angaben der Küstenwache bis Donnerstagabend
       geborgen, die Leichen wurden zur Autopsie nach Athen gebracht. Es wird
       jedoch mit deutlich mehr Todesopfern gerechnet.
       
       ## Offenbar 750 Menschen an Bord gewesen
       
       Regierungssprecher Ilias Siakanataris zufolge gibt es Berichte darüber,
       dass sich bis zu 750 Menschen an Bord befanden. Das Fischerboot sei „25 bis
       30 Meter lang“ gewesen, sagte der Sprecher der Küstenwache, Nikolaos
       Alexiou, dem staatlichen Sender ERT. Das Deck sei voll mit Menschen
       gewesen. „Wir gehen davon aus, dass der Innenraum genauso voll war“,
       ergänzte Alexiou.
       
       „Wir sind Zeugen einer der größten Tragödien im Mittelmeer, und die von den
       Behörden bekannt gegebenen Zahlen sind erschütternd“, erklärte die
       Internationale Organisation für Migration (IOM). Daniel Govevan, Anwalt bei
       der Hilfsorganisation Save the Children, befürchtet, dass sich „100 Kinder
       im Frachtraum befanden“.
       
       104 Menschen konnten nach offiziellen Angaben gerettet werden: 47 Syrer, 43
       Ägypter, zwölf Pakistaner und zwei Palästinenser, ausschließlich Männer.
       Etwa 30 der Überlebenden befänden sich im Krankenhaus von Kalamata. Sie
       litten „vor allem an Lungenentzündung, Dehydrierung und Unterkühlung“,
       sagte der Leiter der zuständigen Abteilung einem Radiosender. Die anderen
       Überlebenden seien vorübergehend in einer Lagerhalle im Hafen von Kalamata
       untergebracht worden.
       
       ## Griechenland hat dreitägige Staatstrauer ausgerufen
       
       Das überladene Fischerboot war nach Angaben griechischer Behörden am
       Mittwochmorgen an einer der tiefsten Stellen des Mittelmeers gekentert,
       nachdem zuvor der Motor ausgefallen war. Regierungssprecher Siakantaris
       erklärte, das Boot sei innerhalb von nur zehn bis 15 Minuten gesunken.
       
       Die griechische Regierung rief eine dreitägige Staatstrauer aus. Das
       oberste Gericht Griechenlands ordnete eine Untersuchung zur Ursache des
       Unglücks an. Schon jetzt ist die Zahl der Todesopfer die höchste bei einem
       Schiffsunglück in Griechenland seit vielen Jahren. Nach von AFP erhobenen
       Daten ereignete sich das schlimmste Flüchtlingsunglück in Griechenland am
       3. Juni 2016, als 320 Menschen starben oder als vermisst gemeldet wurden.
       
       Griechenland ist neben Italien und Spanien eines der Hauptankunftsländer
       für zehntausende Menschen aus Afrika und dem Nahen Osten, die nach Europa
       wollen.
       
       ## Deutsche Politiker zeigen sich bestürzt
       
       Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte das Flüchtlingsunglück „bedrückend“.
       Es rufe „uns allemal mehr dazu auf, alles dafür zu tun, dass das vermieden
       wird“, sagte Scholz am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin.
       Menschen dürften diese „gefährlichen Fluchtrouten“ nicht mehr wählen. Um
       das zu schaffen, müsse Europa ein „gemeinsames und solidarisches System des
       Umgangs mit der Fluchtmigration“ entwickeln.
       
       Bundesinnenministern Nancy Faeser (SPD) sagte, sie sei „tief erschüttert“
       und sprach von einer „schrecklichen Katastrophe“. Es müsse weiter daran
       gearbeitet werden, „legale Migrationswege zu schaffen und
       Migrationsabkommen zu schließen, die Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit
       achten“. Dies zerstöre „das Geschäftsmodell der Schleuser, die Menschen auf
       lebensgefährlichen Wegen in die EU bringen“.
       
       Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler erklärte am Donnerstag: „Wir haben
       gestern erneut auf furchtbare Weise vor Augen geführt bekommen, was die
       Festung Europa bedeutet. Hunderte Menschen ertrinken auf der Flucht. (…)
       Mehr Abschottung sorgt nicht für weniger Geflüchtete, sondern macht die
       Flucht gefährlicher“, fügte sie hinzu.
       
       Papst Franziskus, der sich nach einer Operation noch im Krankenhaus
       aufhielt, zeigte sich angesichts des Unglücks „zutiefst bestürzt“. Er bete
       „für die vielen Migranten, die gestorben sind, ihre Angehörigen und alle,
       die durch die Tragödie traumatisiert worden sind“, hieß es in einem vom
       Vatikan veröffentlichten Telegramm.
       
       16 Jun 2023
       
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