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       # taz.de -- US-Außenminister besucht China: Immerhin reden sie miteinander
       
       > Inmitten von Spannungen zwischen den USA und China reist US-Außenminister
       > Blinken nach Peking. Die Chancen auf einen Durchbruch sind gering.
       
   IMG Bild: Wenig Begeisterung, aber Dialog: Antony Blinken und Chinas Außenminister Qin Gang in Peking
       
       Peking taz | Anthony Blinkens Empfang fiel zunächst noch etwas frostig aus:
       Statt rotem Teppich und demonstrativem Lächeln wartete nur ein ernst
       dreinblickender Generaldirektor des chinesischen Außenministeriums auf den
       angereisten Gast aus Washington. Doch das erste Arbeitsgespräch des
       US-Außenministers mit seinem Amtskollegen Qin Gang ist nach ersten
       Einschätzungen durchaus konstruktiv verlaufen. Angesichts der derzeit
       massiven Spannungen ist dies bereits ein beachtlicher Erfolg.
       
       Erstmals seit fünf Jahren hat wieder ein US-Spitzendiplomat chinesischen
       Boden betreten. Blinkens Peking-Reise ist auch der höchstrangige Besuch,
       seit Joe Biden das Präsidentenamt angetreten hat. Doch die
       Erwartungshaltung ist auf beiden Seiten niedrig angesetzt: Es geht
       keineswegs um diplomatische Durchbrüche, sondern um ein Stoppen der
       rasanten Eskalationsspirale.
       
       Nachdem zuletzt die Volksrepublik selbst ein Treffen der zwei
       Verteidigungsminister verweigerte, ist es nun umso wichtiger, dass die zwei
       Weltmächte wieder miteinander sprechen. „Das bestmögliche Ergebnis dieses
       Besuchs besteht darin, dass beide Seiten sich darauf einigen, in den
       kommenden Monaten mehr Austausch und Dialog zu führen“, kommentiert
       China-Expertin Bonnie Glaser vom „German Marshall Fund“. Das Misstrauen
       zwischen Peking und Washington sei auf einem historischen Rekordhoch.
       
       Die gute Nachricht ist: Sowohl Peking als auch Washington haben glaubhafte
       Signale abgegeben, dass sie eine weitere Eskalation verhindern wollen. Doch
       bei den großen Streitthemen werden sie mit Sicherheit keine Fortschritte
       erzielen können – sei es im Handelsstreit, bei Menschenrechtsfragen oder Xi
       Jinpings offen zur Schau gestellter [1][Freundschaft mit dem russischen
       Präsidenten Wladimir Putin]. Möglich ist jedoch, dass man sich bei den
       weniger politischen Feldern auf kleinere Resultate einigt: beim Kampf gegen
       den Klimawandel, Maßnahmen zu künftigen Pandemie-Präventionen oder Fragen
       der globalen Ernährungssicherheit.
       
       ## Offener Konflikt erscheint immer denkbarer
       
       Eine der Gretchen-Fragen wird zudem sein, ob Blinken am Montag auch auf
       Staatschef Xi Jinping treffen wird. Bislang gibt es dafür zumindest keine
       offizielle Bestätigung. Alles andere als ein gemeinsames Gespräch in der
       Großen Halle des Volkes käme allerdings einem diplomatischen Affront
       gleich: Schließlich hatte Xi erst am Freitag den Microsoft-Gründer und
       Philanthropen Bill Gates empfangen.
       
       Der jüngst 70 Jahre alt gewordene Staatschef hat vor wenigen Wochen erst
       seine führenden Parteikader auf eine existenzielle Krise eingeschworen.
       „Wir müssen auf den schlimmsten Fall vorbereitet sein“, sagte Xi Jinping
       Ende Mai bei einem Spitzentreffen zur nationalen Sicherheit. Man müsse sich
       auf „Extremszenarien“ vorbereiten, auf „starke Winde und sogar gefährliche
       Stürme“. Es braucht wenig Fantasie, um darin eine Warnung vor einem
       potenziellen Konflikt mit den Vereinigten Staaten zu erkennen.
       
       In den letzten Monaten wird dieses eigentlich undenkbare Szenario immer
       öfter als realistische Option eingestuft. Die Akademiker und Denkfabrikler,
       die seit einigen Monaten wieder zwischen Washington und Peking verkehren,
       ziehen erstaunlich oft ein ernüchterndes Fazit: Auf beiden Seiten scheint
       sich die Vorstellung zunehmend durchzusetzen, dass ein offener Konflikt
       zwischen den zwei Weltmächten zwar nicht unmittelbar bevorstünde, aber
       langfristig kaum vermeidbar sei.
       
       ## Konfliktpunkt Taiwan
       
       Entzünden könnte er sich möglicherweise an der [2][Taiwan]-Frage: Während
       China offen mit militärischen Mitteln droht und seine Volksbefreiungsarmee
       jährlich weiter hochrüstet, intensivieren die USA ihre semi-offiziellen
       Beziehungen und liebäugeln subtil mit einer möglichen Unabhängigkeit des
       demokratisch regierten Inselstaats.
       
       Die Taiwan-Frage hält vor allem deshalb eine derartige Fallhöhe bereit,
       weil von ihr die US-amerikanische Sicherheitsarchitektur im Indo-Pazifik
       abhängt: Sollte China die Kontrolle über Taipeh erlangen, würde es nicht
       nur eine der wichtigsten Seerouten weltweit kontrollieren, sondern auch
       Zugang zum ersten Tiefwasserhafen erlangen, von dem es atomwaffenfähige
       U-Boote unbemerkt von US-Radarsystemen in See stechen lassen kann.
       
       Dass bei den Kernfragen kaum Spielraum für Kompromisse besteht, hat nicht
       zuletzt mit der chinesischen Rhetorik zu tun: Bereits im Vorfeld hat
       Pekings Außenminister Qin Gang unmissverständlich gesagt, dass es einzig in
       der Verantwortung Washingtons liege, dass die Beziehungen zwischen den zwei
       Staaten weiter eskaliert seien. Und sämtliche Anschuldigungen – vom
       chinesischen [3][Spionage-Ballon] bis hin zur kürzlich entdeckten
       Geheimdienststation auf Kuba – sind im Kosmos Pekings einzig und allein
       „Verleumdungen und Schmierereien“.
       
       Doch auch die Biden-Regierung steht immens unter Druck, nicht das leiseste
       Anzeichen von Schwäche gegenüber der Volksrepublik zu zeigen. Allein
       Blinkens Reise nach Peking werten einige Republikaner als inakzeptabel:
       Mike Gallagher, republikanischer Leiter des Repräsentantenhaus-Ausschusses
       für China, sprach von einem „fehlgeleiteten Wunsch“, sich mit China
       anzunähern. Zudem könne Blinkens Peking-Besuch „die Aggression der
       Kommunistischen Partei ermutigen“.
       
       18 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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