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       # taz.de -- Streit über EU-Naturschutzverordnung: Konservative Desinformation
       
       > Anders als die CDU behauptet, stärkt die geplante EU-Verordnung für mehr
       > Naturschutz die Ernährungssicherheit – etwa durch mehr Bestäuberinsekten.
       
   IMG Bild: Schöner Flusslauf
       
       Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments hat vor Kurzem eine
       unverantwortliche Fehlentscheidung getroffen: Die Abgeordneten ließen den
       Entwurf der EU-Kommission für eine „Verordnung über die Wiederherstellung
       der Natur“ [1][durchfallen]. Das hat vor allem die Europäische Volkspartei,
       zu der auch CDU und CSU gehören, mit falschen Behauptungen geschafft.
       
       Nein – das Renaturierungsgesetz wird nicht zu einer Hungersnot führen. Es
       stimmt nicht, dass dem [2][Verordnungsentwurf] zufolge 10 Prozent der
       Landwirtschaftsflächen aus der Nahrungsmittelproduktion genommen werden
       sollen. Das Dokument setzt nur ziemlich unverbindlich das Ziel, ein Zehntel
       der gesamten EU-Agrarfläche „mit Landschaftselementen mit großer
       biologischer Vielfalt zu gestalten“. Das können laut EU-Kommission etwa
       [3][auch Obstbäume] sein.
       
       Wahr ist, dass auf 7,5 Prozent der landwirtschaftlich genutzten
       Torfmoorflächen bis 2030 eine Wiedervernässung stattfinden soll. Sie würde
       verhindern, dass diese Böden weiterhin so viel Treibhausgas ausstoßen. Auch
       dieses Land sollen die Bauern weiternutzen dürfen. Die Erträge könnten
       insgesamt leicht sinken. Aber langfristig würden sie sonst viel stärker
       schrumpfen, da Dürren wegen der Klimakrise zu- und Bestäuber durch das
       Artensterben abnehmen.
       
       Die Naturschutzverordnung trägt dazu bei, diese Probleme zu lösen. Sie
       verlangt von den EU-Staaten zum Beispiel Schritte, um den Rückgang der
       Bestäuberpopulationen bis 2030 zu stoppen. So stärkt sie die
       Ernährungssicherheit. Peter Liese (CDU), umweltpolitischer Sprecher der
       EVP-Fraktion, hat auch behauptet, die geplante Verordnung führe dazu, dass
       Querbauten aus [4][„den Flüssen“] entfernt werden müssten. Das behindere
       den Ausbau der Wasserkraft.
       
       Ein Blick in den Text zeigt, dass es nur um 25.000 Flusskilometer in der
       gesamten EU geht. Das ist nicht viel: Schon Deutschlands Bäche und Flüsse
       sind laut Bundesamt für Naturschutz insgesamt [5][etwa 400.000 Kilometer]
       lang. Die Mitgliedstaaten sollen auch in erster Linie nur „obsolete
       Hindernisse“ beseitigen, die nicht mehr der Energieerzeugung dienen.
       
       Die Verordnung schadet also nicht, sondern sie würde im Gegenteil großen
       Nutzen bringen. Der Text verlangt beispielsweise, dass der Anteil von
       Grünflächen am urbanen Gebiet jedes EU-Staats bis 2040 um mindestens 3
       Prozent wächst. In allen Städten sollen Baumkronen bis 2050 wenigstens 10
       Prozent der Fläche beschirmen. Das ist angesichts steigender Temperaturen
       infolge der Klimakrise überfällig.
       
       Deshalb sollte die Europäische Volkspartei ihre Desinformation beenden –
       und bei der Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments Mitte Juli der Vorlage
       zustimmen.
       
       30 Jun 2023
       
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   DIR [1] /Keine-Einigung-auf-Renaturierung/!5940284
   DIR [2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52022PC0304
   DIR [3] https://www.arc2020.eu/wp-content/uploads/2023/06/Non-paper-NRL-final-.pdf
   DIR [4] https://www.deutschlandfunk.de/cdu-csu-fraktion-blockiert-eu-renaturierungsgesetz-droht-zu-scheitern-dlf-b72b8471-100.html
   DIR [5] https://www.bfn.de/daten-und-fakten/gesamtlaenge-der-fliessgewaesser-mit-einem-einzugsgebiet-groesser-10
       
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