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       # taz.de -- Berliner Bauordnung: Bauen ohne Plan
       
       > Lange wurde über die Novelle der Bauordnung gestritten. Nun soll sie bald
       > kommen. Über das, was drinsteht, hüllt sich die Bauverwaltung in
       > Schweigen.
       
   IMG Bild: Die Klimaziele werden im Gebäudesektor regelmäßig verfehlt
       
       Immerhin das ist der Antwort der Verwaltung von [1][Bausenator Christian
       Gaebler (SPD)] zu entnehmen: Im Jahr 2019 hat der Gebäudesektor 7,6
       Millionen Tonnen CO2 emittiert. „Er ist damit für 42 Prozent der Berliner
       Gesamtemissionen verantwortlich.“
       
       Eigentlich hatte sich Katalin Gennburg mehr solcher Antworten gewünscht.
       Gleich drei schriftliche Anfragen hat die stadtentwicklungspolitische
       Sprecherin der Linksfraktion im Juni an den Senat gestellt. Thema ist die
       neue Bauordnung, die Schwarz-Rot noch in den ersten 100 Tagen der Koalition
       verabschieden will.
       
       Doch die meisten Antworten blieb die Verwaltung schuldig. Insgesamt 13 Mal
       lautete die Antwort des neuen Baustaatssekretärs Stephan Machulik: „Die
       Inhalte der neuen Novelle der Bauordnung befinden sich derzeit noch in
       Abstimmung. Ein abschließender Entwurf liegt dazu noch nicht vor.“
       
       ## Immerhin kein Rückzieher
       
       Klingt nicht gerade nach Tempo, schließlich laufen die 100 Tage, die sich
       SPD und CDU dafür Zeit genommen haben, Anfang August ab. Immerhin sieht es
       nicht nach einem Rückzieher aus. „Ein neuer Entwurf zur Novellierung der
       Bauordnung gehört zum Sofortprogramm des Berliner Senats“, bestätigt
       Machulik ausdrücklich.
       
       Alles andere wäre auch überraschend gewesen. Dass die SPD das Bauen
       erleichtern will und dafür auch ökologische und soziale Standards aus dem
       Weg zu räumen bereit ist, hat sie bereits vor den vorletzten Wahlen unter
       Beweis gestellt. Ein in drei Jahren mühsam ausgearbeiteter Entwurf von SPD,
       Grünen und Linken wurde von der SPD in letzter Minute gestoppt. Angeblich,
       so sagte es die damalige baupolitische Sprecherin der SPD, Iris Spranger,
       zur Begründung, seien die Bezirke zu wenig in die Diskussionen eingebunden
       gewesen.
       
       Tatsächlich aber ging es der SPD um ganz andere Dinge. Schon immer war ihr
       die [2][Pflicht zur Dachbegrünung], die die Grünen in den Entwurf
       verhandelt hatten, ein Dorn im Auge. Auch die Erhöhung des Anteils
       barrierefreier Wohnungen im Neubau von 50 auf 66 Prozent wollten die
       Sozialdemokraten vom Tisch haben. Gleiches galt für die Pflicht zum
       Nachrüsten eines Kaltwasserzählers. Den Stopp im Dezember 2021 hatte Manja
       Schreiner, damals noch Geschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau, begrüßt:
       „Damit in Berlin mehr der dringend benötigten bezahlbaren Wohnungen gebaut
       werden können“, sagte die heutige Verkehrssenatorin, „darf das Baurecht
       nicht stetig verkompliziert werden“.
       
       Wie dann die Klimaziele des Senats erreicht werden können, auch darauf
       bleibt die Bauverwaltung eine Antwort schuldig. Bis 2045 soll der
       Gebäudesektor klimaneutral sein. Die lapidare Bemerkung des
       Staatssekretärs: „Das Bauordnungsrecht versucht seinen Teil zur
       Verbesserung des Stadtklimas und zur Erreichung der Berliner
       Klimaschutzziele beizutragen.“ Der folgende Satz lautet: Siehe oben.
       
       ## Armutszeugnis
       
       Für [3][Katalin Gennburg] ist das ein Armutszeugnis. Sie befürchtet, dass
       nicht nur die Bauordnung den Investoren einen roten Teppich ausrollen
       könnte. Denn auch das sogenannte Schneller-Bauen-Gesetz will der Senat
       innerhalb der ersten 100 Tage verabschieden. „Das wäre dann eine doppelte
       Bazooka mit der Gefahr, dass damit das ökologische und soziale Bauen
       gestoppt wird“, sagt Gennburg zur taz.
       
       Es ist vor allem der hier und da geforderte Verzicht auf
       Bebauungsplanungen, die der Linken Bauchschmerzen bereitet. Nur, wenn ein
       B-Plan vorliegt, kann der Senat durchsetzen, dass ein Investor ein Drittel
       der Wohnungen zu bezahlbaren Mieten errichtet. Wird dagegen nach Paragraf
       34 des Baugesetzbuches genehmigt, entfällt diese Klausel. Dieser Paragraf
       erlaubt das Bauen, wenn sich der Neubau in die nähere Umgebung einpasst.
       Schon jetzt werden die meisten Bauvorhaben in den Ostbezirken nach diesem
       Paragrafen genehmigt.
       
       „Wenn dann noch die Genehmigungsfiktionen und Einschränkungen beim
       Milieuschutz kommen, ist alles Soziale in den Vorschriften weg“, so
       Gennburg. Genehmigungsfiktion bedeutet, dass ein Antrag automatisch als
       genehmigt gilt, wenn die Genehmigungsbehörde ihn nicht fristgerecht
       ablehnt.
       
       Von „viel Ignoranz“ spricht Gennburg. Tatsächlich geht aus der Antwort auf
       die Anfrage hervor, dass der Senat nicht plant, sich von externen Akteuren
       wie der Architektenkammer beraten zu lassen. „Obwohl die Klimaschutzziele
       im Gebäudesektor regelmäßig verfehlt wurden, beharrt Gaebler auf Bauen,
       Bauen, Bauen, als sei nichts gewesen“, sagt die Linken-Politikerin.
       
       2 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
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