URI: 
       # taz.de -- Frauenfeindlicher Influencer Andrew Tate: Der Boss im Frauenhass
       
       > Ex-Kickboxer Andrew Tate profiliert sich mit Misogynie und spricht
       > Millionen Männer an. Dass er vor Gericht steht, schadet seiner
       > Popularität nicht.
       
   IMG Bild: Andrew Tate (2.v.r.) vor dem Gericht in Bukarest
       
       Mainz taz | Oberkörperfrei, Sonnenbrille und eingehüllt in Zigarrenrauch –
       Andrew Tate präsentiert sich auf Social Media immer gleich. Der ehemalige
       Kickboxer und Online-Unternehmer sieht sich dabei als den Idealtypus eines
       Mannes, dem alle nacheifern sollten: muskolös, tonangebend, unapologetisch.
       Doch der US-amerikanisch-britische Influencer ist vor allem eines: ein
       misogyner Hochstapler und mutmaßlicher Straftäter.
       
       Doch seiner primär männlichen Anhängerschaft macht das nichts aus – in den
       letzten Jahren ist sie in Millionenhöhe gestiegen. Auf TikTok, Instagram,
       Twitter und YouTube kursieren unzählige Interviewausschnitte mit Tate.
       [1][„Andrew Tate destroys feminists“] ist einer der populärsten Titel. Dort
       bezeichnet er Frauen als einen Besitz von Männern und vergleicht sie mit
       Hunden. Frauenfeindliche Inhalte sind bei Andrew Tate die Regel, nicht die
       Ausnahme.
       
       Aktuell steht er in Rumänien unter Hausarrest. Er ist angeklagt wegen
       mehrfacher Vergewaltigung, Menschenhandel, sexueller Ausbeutung und der
       Bildung einer kriminellen Vereinigung. Doch seiner Popularität scheint das
       keinen Abbruch zu tun – die Fans halten zum „Top G“, wie sie ihn nennen.
       Doch wie konnte Andrew Tate mit seinem offenen Frauenhass so berühmt
       werden?
       
       Bekannt wurde der heute 36-Jährige 2016 durch seine Teilnahme bei „Big
       Brother“ in Großbritannien. Als zur selben Zeit ein Video publik wurde, in
       dem er seine damalige Freundin mit einem Gürtel schlug, musste er die
       Sendung verlassen. Er behauptete, dass es sich dabei nur um ein Rollenspiel
       handelte. Doch bis heute propagiert er in sozialen Medien das Bild eines
       aggressiven Mannes, der stark sein muss, die Familie führt und dem durchaus
       mal die Hand ausrutscht. Ein Geschlechterbild wie aus vergangenen
       Jahrzehnten. Seinen Fans will er zudem zeigen, wie sie schnell zu Reichtum
       kommen können – um so wiederum Frauen anzuziehen.
       
       In Großbritannien wurde mehrmals gegen Tate wegen Vergewaltigungsvorwürfen
       ermittelt, doch bislang hat die Beweislage keine Verurteilung zugelassen.
       Bis heute streitet Andrew Tate alle Vorwürfe gegen ihn ab. Im vergangenen
       Jahr wurde ein Großteil seiner Social-Media-Auftritte wegen seiner
       frauenfeindlichen Aussagen gesperrt.
       
       ## Wie man Algorithmen manipuliert
       
       Doch nicht einmal das hält Tates Propaganda auf: Seine Follower_innen
       posten Clips mit ihm und verbreiten so seine Botschaften weiter. „Er hat
       bestens verstanden, wie man Algorithmen manipuliert“, sagt die [2][Autorin
       Susanne Kaiser], die sich seit Jahren mit patriarchalen Strukturen,
       Antifeminismus und Männlichkeitsbildern beschäftigt. „Er erklärt jungen
       Männern, die in ihrer Männlichkeit verunsichert sind, wie sie zu Geld und
       Erfolg kommen. Er funktioniert als Ratgeber und das ist die Masche, die ihn
       so erfolgreich macht“, sagt sie.
       
       Mit seiner „Hustlers University“ will Tate seinen Fans helfen, in kurzer
       Zeit mit Aktien und Kryptowährungen schnelles Geld zu machen. Wie genau das
       Ganze funktionieren soll, bleibt in den Werbevideos nebulös. Wer mehr
       erfahren möchte, muss 50 Dollar im Monat für ein Abo zahlen und wird so
       letztlich Teil eines Schneeballsystems, das darauf setzt, neue Mitglieder
       anzuwerben. Das einzige Produkt, das auf dieser Plattform tatsächlich
       verkauft wird, ist Tate selbst.
       
       Doch wie kann man damit erfolgreich werden? „Jemand wie Tate profitiert
       sehr von Internetforen wie 4chan oder Reddit“, sagt die
       Kommunikationswissenschaftlerin Gracila Vilaça. Die Doktorandin forscht an
       der Bundesuniversität von Minas Gerais in Brasilien und der Universität
       Bielefeld zu rechtsextremen und maskulinistischen Internetsubkulturen.
       „Für diese Communitys steht die Verteidigung von Männerrechten im
       Vordergrund“, sagt Vilaça.
       
       Für diese Verteidigung werden Frauen und minorisierte Gruppen zum
       Sündenbock. Seit ein paar Monaten argumentiert Tate dieses Verhalten
       religiös, im vergangenen Dezember ist er zum Islam konvertiert. Laut Kaiser
       versteckt sich hinter dem Verhalten eine rassistische Komponente.
       „Dschihad, jeder Mann bekommt seine Jungfrau im Paradies, eine harte
       Männlichkeit: Natürlich ist der Islam mehr als das, aber so stellt Tate
       sich den Islam vor.“
       
       Doch sind es nicht nur seine Standpunkte, die strittig sind, sondern auch
       die Personen, mit denen er sich öffentlich umgibt, unter anderem Alex
       Jones. Der US-amerikanische Moderator ist vor allem für seine
       rechtsextremen, misogynen und antisemitischen Verschwörungstheorien
       bekannt, eine Weltsicht, die er mit Tate teilt. Gerade die Nähe zu solchen
       Personen gepaart mit seiner aggressiven Rhetorik und seinem misogynen
       Frauenbild machen ihn erfolgreich. Laut Google war er 2022 die
       meistgesuchte Person in Verbindung mit der Frage „Wer ist …?“, dicht
       gefolgt von Alex Jones.
       
       ## Keine Einzelfälle
       
       Und die beiden sind keine Einzelfälle. Immer mehr Influencer werden mit
       ihrer frauenfeindlichen Propaganda populär. Ein weiteres Beispiel ist der
       kanadische Psychologe Jordan Peterson oder Steven Crowder, ein
       selbsternannter „Antifeminist“. In Deutschland sind es Männer wie der
       ehemalige Fitnesstrainer Karl Ess. Auf seinem YouTube-Kanal spricht Ess
       offen seine Sympathie für Tate aus. Auch Maximilian Pütz, Teil der
       Pick-up-Artist-Szene, findet sich in diesem Umfeld wieder. Sie alle
       sprechen von sich selbst als Macher, Verführungskünstler oder
       Marketinggenies und eifern dem toxischen Vorbild Tate nach.
       
       Doch nun scheint Tates Verhalten Konsequenzen zu haben. In Rumänen kommt
       auf ihn, seinen Bruder und zwei Komplizinnen ein Prozess zu. Dabei geht es
       nicht um misogyne Aussagen, sondern um deutlich schwerwiegendere Vorwürfe.
       Den vier wird vorgeworfen, mit Manipulationstechniken Mädchen von sich
       abhängig gemacht zu haben. Sie sollen diese vor laufender Kamera zu
       sexuellen Handlungen genötigt und ihnen „owned by Tate“ auf die Haut
       tätowiert haben. Die Beschuldigten bestreiten alle Vorwürfe. Ihnen drohen
       bei einer Verurteilung bis zu 13 Jahre Haft. Ein Verhandlungstermin ist
       noch nicht bekannt.
       
       Seiner Popularität tun die Vorwürfe und das juristische Vorgehen wohl aber
       keinen Abbruch, im Gegenteil.
       
       Laut Kaiser kann die Anklage leicht zu einem zusätzlichen Katalysator für
       seine Präsenz werden. Sie prognostiziert, dass der mediale Höhepunkt erst
       noch erreicht wird. Und sie unterstreicht, dass Influencer wie Tate nicht
       trotz, sondern gerade wegen ihrer Misogynie so erfolgreich sind: „Man darf
       nicht unterschätzen, wie stark das Bedürfnis von manchen Männern nach
       Hierarchien ist. Eine klar geordnete Welt, in der Frauen untergeordnet und
       Männer übergeordnet sind. Das sind Eigenschaften, die den jungen Männern
       von Tate mitgegeben werden.“
       
       6 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=JodJNqdtQb4
   DIR [2] https://www.derstandard.at/consent/tcf/story/2000144768521/susanne-kaiser-burschen-werden-mit-sehr-ambivalenten-erwartungen-gross
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Seng
       
       ## TAGS
       
   DIR Antifeminismus
   DIR Influencer
   DIR Maskulinisten
   DIR Geschlechtersterotype
   DIR Misogynie
   DIR GNS
   DIR Donald Trump
   DIR Misogynie
   DIR Jeffrey Epstein
   DIR Sexismus
   DIR TikTok
   DIR Feminismus
   DIR Antifeminismus
   DIR Prominente
   DIR Männergewalt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Die Ausreise der Tate-Brüder: Erster Griff nach Europa
       
       Den Tate-Brüdern wird in Rumänien Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung
       vorgeworfen. Trotzdem konnten die beiden Trump-Fans in die USA ausreisen.
       
   DIR Razzia bei Andrew Tate: Hausarrest statt hinterm Steuer
       
       Andrew und Tristan Tate wurden als frauenfeindliche Influencer bekannt. In
       ihrer Wahlheimat Rumänien gab es nun Razzien wegen diverser Straftaten.
       
   DIR „Bottom Girls“: Manipulierte Täterinnen
       
       „Bottom Girl“ werden Frauen wie Ghislaine Maxwell genannt, die Täter von
       Missbrauch unterstützen. Für Prominente rekrutieren und manipulieren sie.
       
   DIR Polizeaktion zum Frauentag: Razzien bei Frauenhassern
       
       Ermittler:innen gehen bundesweit gegen Verfasser von frauenfeindlichen
       Postings im Netz vor. Der „Aktionstag“ hat eine längere Vorgeschichte.
       
   DIR „Hoss und Hopf“ auf Tiktok gesperrt: Zu viel rumgesponnen
       
       Fan-Kanäle des Podcasts wurden von Tiktok wegen Verschwörungserzählungen
       entfernt. Doch bei Spotify & Co steht er weiter zum Streaming bereit.
       
   DIR YouTube-Kanal „Philosophy Tube“: Die Philosophie durchsteigen
       
       „Philosophy Tube“ setzt sich unterhaltsam mit den großen Lebensfragen
       auseinander – mit Kostümen, Sketches und guter Recherche.
       
   DIR Rechte „Red Pill“-Cyberkultur: Codewort für Hass gegen Frauen
       
       Im Internet verabreichen Männer anderen Männern symbolische Pillen, um
       ihnen so einzutrichtern, sie würden von Frauen unterdrückt. Die Bewegung
       wächst auch in Deutschland.
       
   DIR Wenn Prominente enttäuschen: Queerfeindlich und rechts
       
       Normalerweise ist unsere Autorin nie enttäuscht von Prominenten. Doch jetzt
       haben sie queerfeindliche und rechte Promi-Fehltritte doppelt erwischt.
       
   DIR Plan International zu Männlichkeit: Ein gewaltiges Problem
       
       Eine Befragung legt nahe, dass viele Männer Gewalt gegen Frauen gutheißen.
       Dass das so ist, liegt auch an den Männern, die sich für die Guten halten.