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       # taz.de -- Neue Wohnungsbauförderung des Senats: Anreize für die Privaten
       
       > Der Senat will den Bau von Sozialwohnungen mit 1,5 Milliarden Euro
       > jährlich fördern. Das helfe vor allem der Wohnungswirtschaft, so die
       > Opposition.
       
   IMG Bild: Mehr Sozialwohnungen braucht Berlin
       
       Berlin taz | Nach einer Besprechung im Hauptausschuss im Abgeordnetenhaus
       am Mittwochnachmittag gilt die [1][neue Wohnungsbauförderung] des Senats
       als beschlossen und wird mit Veröffentlichung der Richtlinie in den
       nächsten Wochen in Kraft treten. Die schwarz-rote Koalition hat damit
       umfangreiche Änderungen für die Förderung des Baus von Sozialwohnungen
       festgelegt – ohne formellen Beschluss des Senats oder des
       Abgeordnetenhauses. Oppositionspolitiker:innen kritisierten die
       fehlende parlamentarische Kontrolle für die extrem teure Maßnahme, die
       zudem die Möglichkeit schafft, auch [2][hochpreisige Sozialwohnungen zu
       bauen].
       
       Mit 1,5 Milliarden Euro jährlich will der Senat zukünftig den Bau
       geförderter Wohnungen anschieben, um die gesteckte Zielzahl von 5.000 neuen
       Sozialwohnungen pro Jahr zu erreichen. Das ist eine Verdoppelung der Summe,
       die bislang maximal zur Verfügung gestanden hätte. In den vergangenen
       Jahren war die Neubauzahl stets verfehlt worden; auch weil private
       Bauherren fast keine Förderungen in Anspruch nahmen und die landeseigenen
       Wohnungsbaugesellschaften allein mehr als 90 Prozent aller neu entstandenen
       Sozialwohnungen errichteten. Seit 2014 wurde für lediglich etwa 18.000
       Wohnungen eine Förderung bewilligt.
       
       Nun aber wird den privaten Investoren, die aufgrund von Kosten und
       Zinssteigerungen nahezu alle Neubautätigkeiten eingestellt haben, der rote
       Teppich ausgerollt, in der Hoffnung, sie mögen doch noch bauen. Für jede
       neue Sozialwohnung sollen 300.000 Euro Fördersumme bereitgestellt werden,
       dazu günstige Darlehen durch die Investitionsbank. Private Investoren soll
       somit ermöglicht werden, bei einem obligatorischen Eigenkapital von 20
       Prozent auf die Aufnahme von – aufgrund der Zinsbelastung – teurem
       Fremdkapital für entsprechende Projekte zu verzichten.
       
       Neu ist auch die Förderung von Sozialwohnungen für die Mittelschicht mit
       Einstiegsmieten von 11,50 Euro pro Quadratmeter. Der Kreis der
       Anspruchsberechtigten wird damit auf Menschen mit einem
       Wohnberechtigungsschein 220 und einem Einkommen eines
       Ein-Personen-Haushalts von 2.200 Euro ausgeweitet; WBS-berechtigt sind
       damit etwa 60 Prozent aller Berliner:innen. Geregelt ist: Wer Wohnungen für
       dieses neue dritte Fördersegment bauen will, muss auch 30 Prozent der
       Wohnungen für das erste Segment mit Einstiegsmieten von 7 Euro bauen.
       
       ## Im Interesse der Privaten
       
       Die Linke kritisiert das Vorhaben grundsätzlich: Der Versuch, den
       Sozialwohnungsbau anzukurbeln, werde dazu führen, dass weniger günstige
       Sozialwohnungen entstehen. Auch bleibe das Problem bestehen, dass die
       Bindungsfrist nach 30 Jahren ablaufe und danach rapide Mietsteigerungen
       drohen, so der mietenpolitische Sprecher Niklas Schenker. Der Berliner
       Mieterverein kritisiert ebenfalls den Anreiz für private Investoren,
       „hochpreisige Sozialwohnungen zu bauen“.
       
       Der Linke-Finanzpolitiker Steffen Zillich fürchtet, dass die
       Wohnungsbauförderung für die Stadt teurer wird, als wenn sie selber bauen
       würde. Die Linke hatte im Januar ein Konzept vorgelegt, die landeseigenen
       Wohnungsbaugesellschaften finanziell so auszustatten, dass sie selbst 7.500
       bezahlbare Wohnungen pro Jahr bauen. Veranschlagt wurde eine Milliarde Euro
       pro Jahr. Nötig dafür wäre es, effektive Strukturen der
       Wohnungsbaugesellschaften zu schaffen, damit diese „gemeinsam planen,
       projektieren und umsetzen können“, so Zillich.
       
       Der Senat verzichte darauf, „notwendige Umstrukturierungen für die
       landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften“ anzugehen, um „nicht aus der
       Fördersystematik auszubrechen“, so Zillich. Dies geschehe einzig im
       Interesse der privaten Investoren. Unklar sei zudem, woher der Senat die
       1,5 Milliarden Euro nehmen wolle. Entweder es handele sich um eine
       „symbolische Summe“, bei der man davon ausgehe, dass sie eh nicht abgerufen
       werde, so Zillich, oder es müsste zu „extremen Umschichtungen im Haushalt
       kommen“.
       
       22 Jun 2023
       
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