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       # taz.de -- Verbot von Aroma-Tabak in Tabakerhitzern: Macht krank, schmeckt wie Obstsalat
       
       > Aromatisierter Tabak ist künftig in Tabakerhitzern verboten. Der
       > Drogenbeauftragte sieht aber weiteren Handlungsbedarf, um Jugendliche zu
       > schützen.
       
   IMG Bild: London, 30.05. 2023: junge Frauen rauchen. Auch Tabakerhitzer enthalten Schadstoffe und können abhängig machen
       
       Berlin taz | Schokolade, rote Beere oder Rum-Minze: Das ist nicht die
       Geschmacksauswahl einer Eisdiele, sondern die eines Herstellers von
       Aroma-Tabak. In herkömmlichen Tabak-Produkten sind solche Aromen und
       Aromastoffe schon seit Längerem verboten. Nach einer am Donnerstag im
       Bundestag ohne Gegenstimme verabschiedeten Gesetzesänderung soll das nun
       auch für Tabakerhitzer gelten. Wenn die Änderung des Tabakproduktgesetzes
       im Oktober in Kraft tritt, ist der Verkauf von erhitzten aromatisierten
       Tabakerzeugnissen nicht mehr erlaubt. Die Änderung sieht außerdem vor, dass
       die Verpackungen von Tabakerhitzern Warnhinweise tragen müssen.
       
       Damit setzt der Bundestag eine EU-Richtlinie für mehr Jugendschutz um, denn
       vor allem [1][junge Menschen konsumieren aromatisierte Tabakprodukte].
       „Aromen und Aromastoffe erhöhen die Attraktivität der Produkte und
       kaschieren die Gefahren des Tabakkonsums. Das wollen wir nicht mehr. Was
       krank macht, soll nicht nach Obstsalat oder Fruchtbonbon schmecken“,
       erklärte Burkhard Blienert, Drogenbeauftragter der Bundesregierung.
       
       Die von der Gesetzesänderung betroffenen Tabakerhitzer sind seit 2016 auf
       dem deutschen Markt zu finden. Im Gegensatz zur herkömmlichen Zigarette
       erhitzen die Geräte den Tabak, anstatt ihn zu verbrennen. Die
       Tabakindustrie verspricht, die Produkte seien auf diese Weise weniger
       gefährlich.
       
       [2][Allerdings ist dies nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
       längst nicht wissenschaftlich gesichert, vor allem langfristig
       betrachtet.]. Auch die Tabakerhitzer enthalten Schadstoffe und können
       abhängig machen. Trotzdem war die Einführung der Produkte für die Industrie
       erfolgreich: Laut Statista konnte der weltweit größte Tabakkonzern Philip
       Morris International die Umsätze mit den neuen Produkten seit 2016
       verzehnfachen. Im Jahr 2022 erwirtschaftete der Tabakkonzern damit weltweit
       fast zehn Milliarden US-Dollar.
       
       Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung sieht dringenden Handlungsbedarf:
       [3][Die Zahl der rauchenden Jugendlichen stieg zuletzt deutlich]. Nach
       Jahren des Rückgangs griffen seit der Corona-Pandemie wieder mehr
       Jugendliche zu Zigaretten, E-Zigaretten oder Shishas. Aus der Deutschen
       Befragung zum Rauchverhalten geht hervor, dass sich unter den 14- bis
       17-Jährigen der Anteil der Tabakraucherinnen und -raucher fast verdoppelt
       habe – von 8,7 auf 15,9 Prozent. Mehr als 127.000 Menschen sterben allein
       in Deutschland jedes Jahr an den Folgen ihres Tabakkonsums.
       
       Zu der jetzt beschlossenen Änderung des Tabakproduktgesetzes sagt Blienert:
       „Wer verhindern will, dass auch in 20 oder 30 Jahren noch Zehntausende
       Menschen in Deutschland an den Folgen des Rauchens sterben, der muss heute
       die richtigen Weichen stellen.“ Die neuen Regelungen seien aber nur ein
       erster Schritt für mehr Gesundheitsschutz.
       
       ## Keine neuen Regeln für E-Zigaretten
       
       Von der Gesetzesänderung nicht betroffen sind E-Zigaretten. Anders als bei
       den Tabakerhitzern wird hier kein Tabak verdampft, sondern eine
       nikotinhaltige Flüssigkeit. [4][Durch das Erhitzen der Flüssigkeit
       entstehen teils ähnliche gesundheitsschädliche Substanzen wie beim Rauchen
       einer herkömmlichen Zigarette.] Das Marketing richtet sich häufig explizit
       an Jugendliche. Dass selbst Zwölfjährige heute zu stark nikotinhaltigen
       Einweg-E-Zigaretten greifen, habe auch etwas damit zu tun, dass diese mit
       ihren Geschmacksrichtungen locken, so Blienert. E-Zigaretten mit
       Geschmacksrichtungen wie Erdbeereis, Zuckerwatte oder Mango-Milchshake
       bleiben im Gegensatz zu den Tabakerhitzern allerdings weiterhin erlaubt.
       
       Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung fordert deswegen eine umfassende
       Diskussion über Aromen auch bei E-Zigaretten. Die Vapes seien oft günstig,
       knallbunt und so klein, dass sie gut in die Federmappe passen: „Auch da
       müssen wir strengere Grenzen setzen“. Für die Diskussion oder mögliche
       Gesetzesänderungen gibt es allerdings laut Pressestelle des
       Drogenbeauftragten noch keinen Zeitplan. Gespräche würden zwar laufend
       geführt, aber es gehe nur Schritt für Schritt voran, auch weil eine starke
       Lobby mehr Regulierungen verhindern wolle.
       
       Das Augenmerk gelte künftig vor allem Werbebeschränkungen, denn Marketing
       sei bei Jugendlichen besonders erfolgreich. Blienert fordert ein
       weitreichendes und lückenloses Verbot von Sponsoring sowie des
       Influencermarketings, mit dem beispielsweise der [5][chinesische
       E-Zigarettenhersteller Elfbar auf TikTok wirbt]. Der Drogenbeauftragte
       hofft, das Vorhaben in dieser Legislaturperiode noch voranzubringen.
       
       23 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Strategie-der-Tabakindustrie/!5579720
   DIR [2] https://www.who.int/publications/i/item/WHO-HEP-HPR-2020.2
   DIR [3] https://www.tagesschau.de/inland/rauchende-jugendliche-101.html
   DIR [4] https://www.gesundheitsinformation.de/e-zigaretten-oder-tabakerhitzer-weniger-schaedlich-als-zigaretten.html
   DIR [5] https://www.theguardian.com/society/2022/jul/17/chinese-vaping-giant-flouting-uk-advertising-rules-on-selling-to-children
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Luisa Faust
       
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