# taz.de -- Urteil im Prozess um Badewannen-Tod: Viel zu hohe Hürden
> Ob der Fall Genditzki eine Ausnahme ist, sei dahingestellt. Fest steht,
> dass die Möglichkeiten, gegen einen Justizirrtum vorzugehen, beschränkt
> sind.
IMG Bild: Wer unschuldig im Gefängnis landet, hat kaum Möglichkeiten sich zu wehren
Natürlich fragt man sich da gleich, wie viele es wohl noch gibt, Frauen und
Männer, die zu Unrecht verurteilt worden sind, die wegen einer Tat im
Gefängnis sitzen, die sie nicht begangen haben. So wie Manfred Genditzki,
der 13 Jahre lang unschuldig im Gefängnis gesessen hat für einen
mutmaßlichen Mord. Am Freitag nun ist er im Wiederaufnahmeverfahren
[1][freigesprochen] worden – ohne Wenn und Aber. Es gab keinen Mord. Der
heute 62-Jährige ist kein Mörder.
Kaum jemand mag sich wirklich vorstellen können, was dieser Mann
durchgemacht hat und wie es einem Menschen in solch einer Situation geht.
13 Jahre ohne Familie, ohne Freunde, ohne Freiheit. Vielleicht auch
manchmal ohne Hoffnung. Wie muss dieses Gefühl der absoluten Ohnmacht
geschmerzt haben. Einer Ohnmacht gegenüber einem System, das nun mal
beschlossen hat, dass man ein Mörder ist, dass man eine alte Frau, um die
man sich jahrelang gekümmert hatte, kaltblütig ermordet hat.
Man kann es sich kaum ausmalen. Dass in den Ermittlungen und den ersten
beiden Prozessen zum vermeintlichen [2][„Badewannenmord“] so einiges
schiefgelaufen ist, war offensichtlich. Es waren Indizienprozesse, die sich
zum großen Teil auf hanebüchene Annahmen stützten. Juristischer
Sachverstand war gar nicht notwendig, um die Zweifelhaftigkeit dieser
Urteile zu erkennen.
Dass Genditzkis Verteidiger die Verdächtigungen und Argumente der Ermittler
teilweise sogar als bösartig werteten, ist absolut nachvollziehbar. Im
Zweifel für den Angeklagten? Davon kann hier wohl kaum die Rede sein.
Sicher: Irren ist menschlich. Diese Erkenntnis ist nicht nur platt, sondern
leider auch wahr. Solange Menschen richten, wird es daher auch in der
Justiz immer wieder Fehlentscheidungen geben.
## Nur 31 erfolgreiche Verfahrenswiederaufnahmen
Was der Fall Genditzki allerdings deutlich vor Augen führt: Die Hürden,
solche Justizirrtümer zu revidieren, sind verdammt hoch – vielfach zu hoch.
Einem Forschungsprojekt zufolge gab es zwischen 1990 und 2016 in
Deutschland gerade einmal 31 Fälle, in denen Inhaftierte erfolgreich die
[3][Wiederaufnahme ihres Verfahrens] beantragt haben, während Jahr für Jahr
Zehntausende „normale“ Urteile gesprochen werden. Im vergangenen Jahr waren
es 38.821.
Und was, wenn ein Justizopfer, anders als Genditzki, keine Anwältin hat,
die für ihren Mandanten jahrelang hartnäckig weiterkämpft? Wenn es keine
Unterstützer gibt, die an die Unschuld des oder der Verurteilten glauben
und durch private Spenden ein Gutachten ermöglichen, das schließlich zu
einem guten Ende führt? Dann gnade ihm oder ihr – ja, wer eigentlich?
7 Jul 2023
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## AUTOREN
DIR Dominik Baur
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