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       # taz.de -- Kritik am Bundeshaushalt: Die Rotstift-Koalition
       
       > Die Bundesregierung will sparen, der Haushalt schrumpft. Welche Projekte
       > gefährdet sind und was Gerhard Schröder damit zu tun hat.
       
   IMG Bild: Für das kommende Jahr wurden Gelder in vielen Ressorts gestrichen
       
       FDP-Finanzminister Christian Lindner glaubt an genau zwei Ideen. Erstens:
       Die Steuern dürfen keinesfalls erhöht werden. Zweitens: Der Bundeshaushalt
       muss ausgeglichen sein. Das Ergebnis belastet die Armen und
       Mittelschichten, und zugleich werden diverse Halbwahrheiten aufgetischt.
       
       Um mit dem Bundeshaushalt anzufangen: Er ist nicht ausgeglichen. Die
       offizielle Neuverschuldung soll zwar nur 16,6 Milliarden Euro betragen,
       sodass die berühmt-berüchtigte „Schuldenbremse“ formal eingehalten ist.
       Aber daneben gibt es noch einen riesigen Schattenhaushalt, der sich „Klima-
       und Transformationsfonds“ nennt – wo die Schulden weiter steigen werden.
       
       Dieser Fonds soll eine Reihe wichtiger Projekte finanzieren: Die Bahn soll
       15 Milliarden Euro erhalten, um ihre maroden Strecken zu sanieren. 10
       Milliarden gehen an den Elektronikkonzern Intel, damit in Magdeburg eine
       neue Chipfabrik entsteht. Wärmepumpen werden umfangreich gefördert, und ein
       deutschlandweites Wasserstoffnetz muss auch noch gestemmt werden. In den
       Klima- und Transformationsfonds fließen zwar die CO2-Abgaben. Aber sie
       werden nicht reichen, neue Schulden nötig sein. Es ist also eine
       Mogelpackung, von einem „ausgeglichenen Haushalt“ zu sprechen.
       
       „Ausgeglichen“ ist nur der offizielle Etat, aber dieser Sparkurs belastet
       vor allem die Armen und Mittelschichten. So sollen die staatlichen
       Zuschüsse bei den Sozialversicherungen gekürzt oder eingefroren werden. Für
       die Pflege gibt es künftig 1 Milliarde Euro weniger, und auch die
       Rentenkassen erhalten kaum zusätzliches Geld – trotz der Inflation. Bei den
       Krankenkassen bleibt der Zuschuss gleich, obwohl im Gesundheitswesen 2024
       mindestens 7 Milliarden Euro fehlen. Die Prognose ist klar: Die
       Sozialbeiträge werden steigen.
       
       Sozialbeiträge belasten vor allem die Normalverdiener, denn die
       Wohlhabenden werden geschont – durch die Beitragsbemessungsgrenze. Wer mehr
       als 4.987,50 Euro im Monat verdient, muss vom zusätzlichen Einkommen nichts
       mehr in die Kranken- oder Pflegekasse abführen.
       
       ## Mehr Schulden? Nicht so einfach
       
       Ein weiterer Einschnitt ist, dass die Bafög-Mittel gesenkt werden – um
       satte 400 Millionen pro Jahr. Das wird die Lebenschancen vieler
       Arbeiterkinder beeinträchtigen, die kein Bafög beantragen und nicht mehr
       studieren können. Doch diese ungerechte Kürzung hat fast niemanden
       aufgeregt. Stattdessen konzentrierte sich die mediale Empörung auf den
       Vorschlag von Familienministerin Lisa Paus (Grüne), das Elterngeld bei
       Paaren zu streichen, die mehr als 150.000 Euro im Jahr an zu versteuerndem
       Einkommen verbuchen. 60.000 Familien würden die Förderung verlieren – von
       etwa 1,9 Millionen Elterngeldbeziehern.
       
       Es ist schräg, die Bafög-Kürzungen zu ignorieren, aber leidenschaftlich
       über das Wohl einer gutsituierten Minderheit zu debattieren. Zudem blieb
       Paus nichts anderes übrig: Sie soll 500 Millionen in ihrem Etat einsparen.
       
       Was zur prinzipiellen Frage führt, ob der Staat mehr Schulden hätte machen
       sollen, statt zu kürzen. Leider ist es nicht so einfach. Deutschland tritt
       in eine neue Phase ein: Es herrscht ein extremer Mangel an Arbeitskräften,
       weil die Babyboomer in Rente gehen und kaum Jugendliche nachwachsen. Die
       Wirtschaftsweise Monika Schnitzer hat kürzlich vorgerechnet, dass
       Deutschland pro Jahr 1,5 Millionen Zuwanderer benötigen würde, um diese
       Lücken zu füllen.
       
       Ein derartiger Zustrom ist vorerst nicht realistisch. Was für den
       Bundeshaushalt heißt: Wenn der Staat Schulden macht, entsteht mehr
       Nachfrage, die aber nicht bedient werden kann, weil Arbeitskräfte fehlen.
       Also steigen die Preise – und damit die Inflation.
       
       ## Wie wär's denn mit höheren Steuern?
       
       Richtig wäre ein anderer Weg, um die nötigen Staatsausgaben zu finanzieren:
       Die Steuern müssten steigen – und zwar vor allem für die Wohlhabenden, die
       bisher enorm begünstigt werden. Zum Beispiel ließe sich das
       Dienstwagenprivileg abschaffen. Eine andere Möglichkeit wäre, auch
       Wohlhabenden „nur“ das Kindergeld zu zahlen. Bisher profitieren sie von
       einem Steuerfreibetrag, der deutlich höher ausfällt. Auch ist es
       verfassungswidrig, dass Firmenerben keinen einzigen Cent an Erbschaftsteuer
       zahlen, selbst wenn sie Milliardenwerte übernehmen.
       
       Leider ist es in Deutschland nicht einfach, Steuern zu erhöhen. Fast immer
       muss der Bundesrat zustimmen, und dort hat die Union eine Vetomacht.
       Lindner ist nicht der Einzige, der die Reichen schonen will.
       
       Oder andersherum: SPD und Grüne werden von einem alten Fehler eingeholt –
       ihren gigantischen Steuersenkungen unter Kanzler Schröder. Bis heute kosten
       diese Steuergeschenke für die Wohlhabenden etwa 60 Milliarden Euro im Jahr.
       Geld, das man jetzt gut gebrauchen könnte. Ulrike Herrmann
       
       ## Bildung: Weniger Bafög, weniger Startchancen
       
       Der Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF)
       schrumpft von 22,5 auf rund 20,3 Milliarden Euro. Ressortleiterin Bettina
       Stark-Watzinger (FDP) muss damit mit 5,4 Prozent weniger auskommen als in
       diesem Jahr. Ein guter Teil der Einsparungen (700 Millionen Euro) hat
       allerdings mit der 200-Euro-Einmalzahlung für Studierende und
       Fachschüler:innen zu tun, die die Ampel für dieses Jahr aufgesetzt hat.
       Die weiteren Kürzungen für 2024 betreffen vor allem das Bafög.
       
       Für Studierende sind dabei knapp 1,4 Milliarden Euro (2023: 1,8 Milliarden)
       eingeplant. Beim so genannten Schüler-Bafög sind es 551 Millionen Euro
       (2023: 763 Millionen). Laut Finanzminister Lindner soll es aber zu keinen
       Leistungskürzungen kommen. Die Zahlen basierten auf einer Prognose für den
       künftigen Bedarf. Die Bildungsgewerkschaft GEW kritisiert, dass die
       Ampelkoalition das Bafög systematisch aushungere. Die Bedarfssätze müssten
       an die „galoppierende Inflation und die Preisexplosion auf dem
       Wohnungsmarkt“ angepasst werden.
       
       Auch bei ihrem Prestigeprojekt gegen Chancenungleichheit muss
       Stark-Watzinger mit weniger Geld auskommen. Für das „Startchancenprogramm“
       sind in dem Haushalt nur mehr 500 Millionen Euro vorgesehen – bislang war
       von einer „Bildungsmilliarde“ die Rede. Begründet wird die Halbierung
       damit, dass das Programm erst zum Schuljahr 2024/25 startet, also in der
       zweiten Jahreshälfte.
       
       Mit dem Startchancenprogramm wollen Bund und Länder über den Zeitraum von
       zehn Jahren bundesweit 4.000 Brennpunktschulen speziell fördern – unter
       anderem mit zusätzlichen Sozialarbeiter:innen. Unklar ist allerdings, in
       welcher Höhe sich die Länder finanziell beteiligen.
       Bildungsforscher:innen empfehlen, das Programm mit mindestens 2
       Milliarden pro Jahr auszustatten, um die Chancenungleichheit wirksam zu
       bekämpfen. Ralf Pauli
       
       ## Verkehr: Mehr Schienen, weniger Radwege
       
       Auch wenn der Haushalt für Verkehr und Digitales insgesamt steigt, sind
       drastische Kürzungen bei den Mitteln für den Ausbau der Radinfrastruktur
       vorgesehen. Das Budget für diesen Bereich liegt bei 440 Millionen Euro und
       damit 30 Prozent unter dem Ansatz des diesjähigen Etats. Im Vergleich zum
       Jahr 2022 werden die Ausgaben für die Radinfrastruktur sogar fast halbiert.
       
       Die geplanten Streichungen betreffen vor allem die Finanzhilfen für den
       Radverkehr in Ländern und Kommunen. Sie sollen auf 260 Millionen Euro
       gesenkt werden, nachdem 2023 dafür 413 Millionen Euro zur Verfügung
       standen, 2022 waren es noch 640 Millionen Euro. „Von einer Ausbauoffensive
       für den Radverkehr, wie sie die Ampelkoalition im März mit ihrem
       Modernisierungspaket beschlossen hat, kann keine Rede sein“, sagt die
       ADFC-Vorsitzende Rebecca Peters. „Die Ampelkoalition ist bei der
       Finanzierung des Radverkehrs schlechter als die Große Koalition.“
       
       Nach Auffassung des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland (VCD)
       dokumentiert der Haushaltsentwurf, dass die „Koalition Abschied vom
       Fortschritt in der Verkehrspolitik nimmt“. Die Bundesregierung habe ihre
       eigene Radverkehrsstrategie de facto aufgekündigt, sagt Anika Meenken,
       VCD-Sprecherin für Radverkehr.
       
       Für Empörung beim VCD und anderen sorgen auch die eingestellten Mittel für
       den Schienenausbau. Zwar ist hier ein Plus von 3 Milliarden Euro vorgesehen
       – aber diese Summe bleibt weit hinter den Ankündigungen der Bundesregierung
       zurück. Im März hatten SPD, Grüne und FDP im Koalitionsausschuss
       beschlossen, dass der Deutschen Bahn bis 2027 zusätzlich 45 Milliarden Euro
       zur Verfügung stehen sollen. Verteilt auf vier Jahre wären das zusätzliche
       11,25 Milliarden Euro jährlich, rechnet der Verband Deutscher
       Verkehrsunternehmen (VDV) vor.
       
       VDV-Chef Ingo Wortmann kritisiert, dass davon nur ein kleiner Teil in den
       Haushalt eingestellt werden soll. „Damit verschiebt man die
       Finanzierungsnotwendigkeiten des Eisenbahnsystems in Deutschland weiter in
       die Zukunft, und die Planungen der Unternehmen bleiben kurzfristig und
       risikobehaftet“, sagt er. Die Aussicht, dass die Bahn Geld aus dem Klima-
       und Transformationsfonds bekommen soll, ist ihm zu vage.
       
       Schließlich sollen mit den Mitteln des Fonds, in den unter anderem
       Einnahmen aus dem CO2-Preis fließen, alle möglichen anderen Projekte
       finanziert werden, etwa die Förderung des Heizungstauschs. „Da braucht es
       jetzt ein klares Bekenntnis des Bundesfinanz- und des
       Bundesverkehrsministers, dass die fehlenden Mittel für die Schiene
       definitiv aus diesem Fonds bereitgestellt werden“, fordert Wortmann. Anja
       Krüger
       
       ## Pflege und Rente: Generationenvertrag mal anders
       
       2024 wird der Steuerzuschuss des Bundes für die Pflege um eine Milliarde
       Euro gekürzt. In der Folge werde das Bundesgesundheitsministerium 2024 eine
       Milliarde Euro weniger in den Pflegevorsorgefonds einzahlen, so ein
       Ministeriumssprecher zur taz.
       
       Dies bedeutet zwar keine unmittelbaren Leistungskürzungen, aber 1 Milliarde
       Euro weniger für einen Kapitalfonds, der als Vorsorge gedacht war für
       künftige Zeiten, wenn immer mehr Babyboomer:innen zu Pflegefällen
       werden. „Es ist verantwortungslos, das einzige Instrument für
       Generationengerechtigkeit, das wir in der gesetzlichen Pflegeversicherung
       haben, zu beschneiden, ohne eine Alternative anzubieten“, sagt Luise
       Roither, Sprecherin für Pflege und Gesundheit bei der Stiftung für die
       Rechte zukünftiger Generationen, der taz.
       
       Der Haushaltsentwurf signalisiert: Es gibt nicht mehr Steuergelder für die
       Pflege. Ohne diese Mittel aber müssen alle Kostensteigerungen in der Pflege
       künftig durch die Beiträge zur Pflegeversicherung, durch die Eigenanteile
       der Pflegebedürftigen und gegebenenfalls durch die Sozialämter finanziert
       werden. Damit steigt der ohnehin schon große Rationalisierungsdruck in der
       Branche.
       
       Die Leistungen an die Rentenversicherung stellen „den größten
       Ausgabenbereich“ im Bundeshaushalt dar, so der Entwurf. Im Jahre 2024 zahlt
       der Bund 117,2 Milliarden Euro aus Steuermitteln an die Rentenversicherung.
       „Im Hinblick auf die derzeit gute Finanzlage der gesetzlichen
       Rentenversicherung“ soll der Bundeszuschuss an die Rentenkasse im Zeitraum
       von 2024 bis 2027 jährlich um 600 Millionen Euro abgesenkt werden, heißt es
       im Entwurf. Die Beiträge können dank der guten Wirtschaftslage stabil
       bleiben.
       
       Niemand weiß, wie lange die gute Konjunktur anhält. Die Zahl der
       Rentner:innen wird indes steigen. Die frühere SPD-Sozialministerin
       Andrea Nahles hatte mal einen steuerlichen „Demografiezuschuss“ für die
       Rentenkasse gefordert, für einen „neuen Generationenvertrag“. Davon redet
       keiner mehr. Barbara Dribbusch
       
       ## Entwicklungspolitik: Weniger Geld für Krisen
       
       Kriege, Umweltkatastrophen und eine anhaltende Hungerkrise – angesichts des
       Klimawandels ist abzusehen, dass die Welt im Krisenmodus bleibt. Gerade
       hier will die Bundesregierung nun sparen. 2024 wird das Auswärtige Amt (AA)
       rund 1,3 Milliarden und das Bundesministerium für Entwicklung und
       Zusammenarbeit (BMZ) etwa eine halbe Milliarde Euro weniger zur Verfügung
       haben.
       
       Das Geld soll vor allem aus frei verfügbaren Mitteln gestrichen werden –
       das sind Gelder für Krisen und humanitäre Hilfe. Statt 1,24 Milliarden Euro
       hat das BMZ nächstes Jahr nur noch 960 Millionen Euro im sogenannten
       Krisentitel. Zum einen gibt es nicht viele Kürzungsmöglichkeiten, das
       meiste Geld des BMZ ist über bilaterale Verträge und Zusagen an
       internationale Organisationen weitestgehend festgezurrt.
       
       Zum anderen erhoffen sich die Ministerien wohl weitere Krisenmittel im
       Laufe der Legislaturperiode. 2023 wurden etwa 1 Milliarde Euro zusätzlich
       bereitgestellt, um auf die globalen Folgen des russischen Angriffskriegs
       auf die Ukraine zu reagieren. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, man sei
       weiterhin in der Lage, auf Krisen im Bereich der humanitären Hilfe und auf
       Bedarfe bei der Unterstützung der Ukraine zu reagieren.
       
       In der Zivilgesellschaft sind die Bedenken groß. Viele verweisen auf die
       dramatische globale Lage. „Die Planung der Bundesregierung geht an der
       Realität vorbei und konterkariert den Ansatz, auf vorausschauende
       humanitäre Hilfe zu setzen“, sagt Mathias Mogge, Generalsekretär der
       Welthungerhilfe. Er kritisiert, dass kurzfristig bereitgestellte
       Sondermittel gerade zivilgesellschaftliche Akteure in Krisensituationen
       vor Herausforderungen stellen. „Die Bundesregierung sollte für mehr und
       verlässliche Finanzierung sorgen, statt Mittel zu kürzen“, sagt Mogge.
       Leila van Rinsum
       
       ## Wirtschaft und Klimaschutz: Viel Fossiles
       
       Wegen der Auswirkungen des Ukrainekriegs gibt der Wirtschafts- und
       Klimaminister im kommenden Jahr weiter viel Geld für fossile Energien aus.
       Um die Energieversorgung zu sichern, will Robert Habeck allein für neue
       Flüssiggas-Terminals 900 Millionen Euro mehr ausgeben als gedacht. Um große
       Teile Ostdeutschlands mit Benzin zu versorgen, gehen außerdem 140 Millionen
       Euro an die Raffinerie in Schwedt, die bis zum vergangenen Jahr noch mit
       russischem Öl versorgt wurde.
       
       Für Deutschlands Beitrag zum internationalen Klimaschutz will Habeck 685
       Millionen Euro ausgeben – etwa so viel wie im Jahr zuvor. Entlastet wird
       sein Etat dadurch, dass die Ansiedlung neuer Chipfabriken wie die von Intel
       bei Magdeburg künftig aus dem dem Klima- und Transformationsfonds (KTF)
       bezahlt werden soll. Der KTF finanziert sich aus Erlösen aus dem
       Europäischen Emissionshandel und durch die CO2-Bepreisung von Sprit oder
       Heizöl. Derzeit soll der CO2-Preis von momentan 30 Euro pro Tonne im Jahr
       2024 auf 35 Euro klettern. Viel zu wenig, sagen KlimaexpertInnen. Ob er
       noch mehr zulegt, ist in der Ampel offenbar noch nicht abschließend
       geklärt. Kai Schöneberg
       
       ## Familie: Streit über Kindergrundsicherung bleibt
       
       Familienministerin Lisa Paus (Grüne) muss in ihrem Etat eine halbe Million
       Euro einsparen, für das Jahr 2024 sind im Haushaltsentwurf noch 13,35
       Milliarden Euro vorgesehen. Weil das allermeiste Geld fest gebunden ist und
       sie bei anderen flexiblen Posten wie der Demokratieförderung nicht
       streichen will, hat sich Paus für eine Kürzung beim Elterngeld entschieden
       – allerdings nicht ganz so, wie sich Finanzminister Christian Lindner (FDP)
       das wohl vorgestellt hat.
       
       Statt die Leistungen allgemein zu verringern, will Paus die
       Einkommensgrenze senken, bis zu der Eltern das Geld erhalten. Paare, die
       gemeinsam ein zu versteuerndes Einkommen von mehr als 150.000 Euro haben,
       also etwa 180.000 Euro brutto verdienen, sollen nicht mehr
       anspruchsberechtigt sein.
       
       Besonders umstritten ist in der Ampel die Ausgestaltung der
       Kindergrundsicherung, mit der die Koalition Kinder aus der Armut holen
       will. 100 Millionen Euro sind im Haushalt 2024 zur Vorbereitung vorgesehen.
       Die Grundsicherung soll 2025 starten, sie soll verschiedene Leistungen
       zusammenführen und digitalisieren, damit sie unkomplizierter beantragt
       werden können.
       
       Auch soll künftig die zuständige Behörde die Familien, die einen Anspruch
       auf den einkommensabhängigen Kinderzuschlag haben, darauf aufmerksam
       machen. Derzeit wird dieser von sehr vielen Familien, die ihn bekommen
       würden, nicht beantragt.
       
       Ob darüber hinaus auch Leistungen erhöht werden, etwa durch Neuberechnung
       des „soziokulturellen Existenzminimums“, also den Teil des Bürgergelds, der
       Kindern und Jugendlichen zusteht, ist in der Koalition umstritten. Über die
       finanzielle Ausgestaltung ab 2025 wird noch gerungen – es geht um eine
       Summe zwischen 2 und 7 Milliarden Euro. Paus hatte ursprünglich 12
       Milliarden gefordert. Ende August will sich das Kabinett auf einen
       Gesetzentwurf einigen, dann muss auch die Finanzierung geklärt werden.
       Sabine am Orde
       
       ## Kanzleramt: Größer als das Weiße Haus
       
       Auch das Kanzleramt muss sparen, 186 Millionen Euro, vor allem bei der
       Verwaltung. Ein großer Kostenpunkt dagegen bleibt: Ein sechsgeschossiges
       Hufeisen auf 60.000 Quadratmetern samt Kanzlerwohnung und
       Hubschrauberlandeplatz – das Kanzleramt am Spreebogen soll erweitert
       werden. Die Kosten für den Bau wurden im vergangenen Jahr noch auf 637
       Millionen Euro veranschlagt, inzwischen geht das Bundespresseamt von 777
       Millionen Euro aus.
       
       Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat Ende September grünes Licht
       gegeben. Viele fragen sich jedoch, ob so ein Gigabau wirklich sein muss.
       Das Bundeskanzleramt führt Sicherheitsgründe und die Platznot im Kanzleramt
       an, die dazu führe, dass derzeit zusätzliche Räume angemietet werden
       müssten, um 270 Mitarbeiter:innen einen Arbeitsplatz zu stellen.
       
       Verständlich, aber gibt’s da nicht günstigere Alternativen? Bürocontainer
       oder Ähnliches? Aus dem Kanzleramt heißt es, die Planungen, die übrigens
       aus Zeiten Angela Merkels stammen, seien schon zu weit vorangeschritten,
       sie zu stoppen sei teurer, als das Projekt jetzt durchzuziehen. Doch
       eigentlich sollte schon zu Jahresbeginn mit dem Bau begonnen werden, bis
       2028 will man fertig sein. Aber wir sind ja in Berlin, da gilt
       grundsätzlich: Alles wird teurer und dauert außerdem viel länger. Und wer
       weiß, wer 2025 im Kanzleramt sitzt. Anna Lehmann
       
       ## Verteidigung: Was kann man hier sparen?
       
       Alle müssen sparen? Nein, ein Minister darf klotzen statt kleckern: Der
       Verteidigungsetat von Boris Pistorius steigt, und zwar von 50,1 auf 51,8
       Milliarden Euro. Wobei es irreführend wäre, nur diese Erhöhung von rund 1,7
       Milliarden Euro im Blick zu haben. Die dient vor allem zur Finanzierung der
       Gehaltserhöhungen bei der Bundeswehr aufgrund des Tarifabschlusses im
       öffentlichen Dienst. Aber da gibt es ja noch das schuldenfinanzierte
       Sondervermögen der Bundeswehr, aus dem zusätzlich etwa 19 Milliarden
       zugeschossen werden, um das Zweiprozentziel der Nato zu erfüllen. Macht
       insgesamt 71 Milliarden Euro.
       
       Mit dem Geld ließe sich viel Sinnvolles anfangen und gesellschaftlich
       Nützliches finanzieren. Stattdessen ermöglicht es dem
       Verteidigungsministerium neben der Anschaffung teuren neuen Kriegsgeräts
       auch, die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit von 3,8 auf 6 Millionen zu
       erhöhen. Aber es wird auch gespart bei der Truppe: Der Etatposten
       „Beschaffung und Haltung von Tieren“ sinkt von 1,56 auf 1,53 Millionen
       Euro. Pascal Beucker
       
       8 Jul 2023
       
       ## AUTOREN
       
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       Für viele ist die Hinterbliebenenrente eine Aufstockung für den
       Lebensunterhalt. Eine Kürzung würde nur eins bedeuten: verschärfte
       Altersarmut.
       
   DIR Streit zwischen Paus und Lindner: Black box Kindergrundsicherung
       
       Wie viel Geld ist für die Kindergrundsicherung nötig und wofür? Das
       Kabinett bleibt Antworten schuldig. So lässt sich Kinderarmut nicht
       bekämpfen.
       
   DIR Haushaltsstreit in der Ampel: Der Kanzler soll es richten
       
       Weil die Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2024 zwischen Finanzminister
       Lindner und den Ministerien feststecken, schaltet sich nun Scholz ein.
       
   DIR Haushaltsstreit in der Ampel: Ein bisschen Führung wäre jetzt gut
       
       Die Ampelkoalition kann sich nicht einigen, wofür sie ihr knapper werdendes
       Budget verwenden will. Es wäre an der Zeit, dass der Kanzler eine Ansage
       macht.