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       # taz.de -- Mehrkampf-Meister Pascal Brendel: Einfach nur schön turnen
       
       > Der erst 19-jährige beeindruckt bei den Deutschen Meisterschaften durch
       > Gelassenheit. Im Mehrkampf und im Sprung gewinnt er den Titel.
       
   IMG Bild: Druckresistent: Pascal Brendel bein den Finals 2023 in Düsseldorf am Barren
       
       „Ein bisschen weglachen“ – so die Strategie von Turner Pascal Brendel, wenn
       im Wettkampf mal etwas schiefgeht. In den vergangenen Tagen gab es
       allerdings kaum Anlass zum Weglachen: Brendel ist der neue deutsche Meister
       im turnerischen Mehrkampf. Er habe durchaus mitbekommen, dass er vor dem
       letzten Gerät punktgleich mit Nils Dunkel auf dem ersten Rang gelegen
       hatte, erklärte er nach dem Wettbewerb, aber da habe er „nicht sonderlich
       drüber nachgedacht“, und auch nicht darüber, ob er „deutscher Meister werde
       oder nicht.“ So ging er ans Gerät, zeigte seine neu zusammengebaute Übung
       und wurde deutscher Meister. Brendel ist 19 Jahre alt.
       
       Zum Turnen gekommen ist er wie zuvor schon sein drei Jahre älterer Bruder
       über Vater Matthias. In Bad Homburg geboren, übte er zunächst in Frankfurt
       und sammelte schon in Kinder- und Jugendklassen erste Plätze. Doch in der
       Pubertät kam Pascal die Freude an den Geräten abhanden und damit auch die
       Motivation. Es sei so gewesen, „dass das mit seinem ersten Trainer nicht
       mehr ganz so funktioniert hat,“ beschreibt Matthias Brendel die damalige
       Situation.
       
       Der Rettungssanitäter mit Trainerscheinen hatte über all die Jahre sein
       talentiertes Kind häufig im Training begleitet. In der Krisenphase fielen
       folgenreiche Entscheidungen: Pascal wechselte zur KTV Wetzlar, wo Wolfgang
       Hambüchen – [1][Trainervater des Reckolympiasiegers 2016] – aushalf, bis er
       in den Ruhestand ging. Er habe ihn „ab und zu zur Seite genommen und peu à
       peu rangeführt“, erzählt Matthias Brendel.
       
       Schritt für Schritt nahm das Training mehr Raum ein, schließlich gab
       Brendel seinen Job als Rettungssanitäter auf, um sich, nun als Angestellter
       des Hessischen Verbandes, ganz der turnerischen Ausbildung des Sprösslings
       zu widmen. Er habe mit seinem Sohn viel gearbeitet, damit dieser [2][„den
       Spaß am Sport“] wieder entdeckt. Matthias Brendel ist überzeugt: „[3][Das
       ist die Voraussetzung] – nur ein Mensch, der Spaß hat, auch außerhalb des
       Sports, der kann im Sport eine tolle Leistung bringen.“
       
       ## „Wir sind keine Maschinen“
       
       Die brachte Pascal Brendel bereits im Frühjahr bei der EM in Antalya: Da
       turnte er als einziger deutscher Starter einen Mehrkampf, kam ins Finale
       der besten 24 und belegte einen hervorragenden achten Rang. Dabei machte
       Pascal Brendel nach außen hin einen absolut ruhigen und souveränen
       Eindruck. Auch im Gespräch wirkt er reflektiert und geradezu besonnen, was
       im Kontrast zu seinem sehr jugendlichen Aussehen steht.
       
       Auf seine wenigen Fehler im Mehrkampf angesprochen, erklärte er in
       Düsseldorf: „Wir sind alle keine Maschinen, es passiert halt auch mal ein
       Fehler.“ Dass die Entscheidung um den Titel am letzten Gerät so knapp
       wurde, gefiel ihm. „Da kommt mehr Adrenalin auf. Es ist ein cooles Gefühl,
       wenn man ans Gerät geht und weiß: Jetzt muss eine gute Übung kommen.“ Er
       habe während des Wettkampfes bemerkt, dass „Papa sehr nervös“ gewesen ist.
       Das sei verständlich, schließlich könne der Trainer nichts machen, er
       hingegen habe die Entscheidung „in der Hand“.
       
       Nervenstärke nennt auch Matthias Brendel als Qualität seines Sohnes. Das
       ist etwas anderes als Druck, den versuche er seinem Sohn zu nehmen. „Ich
       habe gesagt, wir fahren da hin und ziehen unser Ding durch,“ beschreibt der
       Trainer seine Einstellung. „Schön turnen und gucken, was dann rauskommt,“
       umschreibt Pascal seine Herangehensweise. Bei den Gerätfinals am Wochenende
       gewann er damit Gold am Sprung und Silber am Pauschenpferd. In der Halle
       prangte gut sichtbar ein riesiges Plakat: „Ohne Druck! #antwerpen2023 – Auf
       geht’s Pascal!“ stand da in knallroter Schrift.
       
       Antwerpen ist das nächste Ziel; dort findet im Oktober die WM statt, bei
       der sich die deutschen Männer als Team für die Olympischen Spiele
       qualifizieren wollen. Pascal Brendel, der aktuell dem Training Vorrang vor
       der Schule einräumt, will dafür noch vier seiner sechs Übungen ein wenig
       schwieriger machen. 2024 ins Olympiateam zu kommen, ist das langfristige
       Ziel. Matthias Brendel erklärt: „Da haben wir den gleichen Ehrgeiz.“
       
       9 Jul 2023
       
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