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       # taz.de -- EU-Renaturierungsgesetz: In Trump-Manier gegen von der Leyen
       
       > EVP-Chef Weber will das Naturschutzgesetz verhindern – dabei ist es Teil
       > des Green Deals der eigenen Kommissionspräsidentin. Und nun?
       
   IMG Bild: Protest in Straßburg: Umweltaktivisten um Greta Thunberg (rechts) am Dienstag vor dem Parlament
       
       Brüssel/Straßburg taz | Es war das Vorspiel für den großen Showdown. Einen
       Tag vor der entscheidenden Abstimmung über das europäische
       Renaturierungsgesetz am Mittwoch lieferten sich die Klimaaktivistin Greta
       Thunberg und deutsche Bauern ein Wortgefecht vor den Mauern des Straßburger
       Europarlaments. „Unsere Botschaft an die Politiker lautet, sich für die
       Natur und die Menschen statt für Profit und Gier zu entscheiden“, rief die
       Schwedin. „Wer hat denn bisher die Natur erhalten?“ fragten die Landwirte,
       die mit Traktoren den Zugang blockierten. „[1][Wir Bauern]“. Allein an
       diesem Julitag war deren Protest lauter als der Appell der Umweltschützer.
       
       Mehr Lärm macht auch die Europäische Volkspartei (EVP). Die größte Fraktion
       im Europaparlament, die vom deutschen CSU-Politiker Manfred Weber geführt
       wird, ist [2][auf Crashkurs gegangen]. Sie will das Renaturierungsgesetz,
       das auf einen Entwurf von Kommissionspräsidentin und Webers Parteifreundin
       Ursula von der Leyen zurückgeht, endgültig zu Fall bringen. In drei
       Ausschüssen ist der Text, der als zentrale Säule im europäischen Green Deal
       gilt, schon gescheitert. Bei der letzten Abstimmung im Umweltausschuss Ende
       Juni war es mit 44 zu 44 Stimmen denkbar knapp. Weber soll nachgeholfen
       haben, indem er Befürworter des Entwurfs einschüchterte und von der
       Abstimmung fernhielt.
       
       Alles Unsinn, erklärte der EVP-Chef am Dienstag in Straßburg. Der Druck
       gehe nicht von ihm, sondern von EU-Klimakommissar Frans Timmermans aus. Der
       Sozialdemokrat aus den Niederlanden weigere sich, einen neuen Gesetzentwurf
       vorzulegen, und übergehe damit die Rechte des Europaparlaments. Schließlich
       sei es völlig normal, eine schlechte Vorlage zurückzuweisen. Ähnlich klingt
       es bei der FDP. „Wir fordern einen neuen, funktionierenden Gesetzentwurf“,
       sagt der deutsche Liberale Andreas Glück. Das Gesetz sei „dilettantisch“,
       echter Naturschutz funktioniere nur mit den Landnutzern. Deshalb müsse die
       EU-Kommission ihren Text überarbeiten.
       
       ## Wie es ausgeht? Selbst erfahrene Abgeordnete wetten nicht
       
       Das klingt fast wie in Berlin, wo die Opposition und die FDP eine
       Neuvorlage des Heizungsgesetzes der Ampel erzwungen haben. Doch Brüssel ist
       nicht Berlin. Das Initiativrecht für EU-Gesetze liegt bei der Europäischen
       Kommission, nicht beim Parlament. Zudem wurde der Green Deal bisher von
       einer ganz großen Koalition von ganz links bis gemäßigt rechts getragen.
       
       Dass die EVP nun ausschert, halten viele EU-Abgeordnete für ein plumpes
       Wahlkampfmanöver. Dass Weber sogar bereit scheint, mit der AfD und anderen
       Rechtsextremen gemeinsame Sache zu machen, sorgt für Empörung. Weber agiere
       so populistisch wie der frühere US-Präsident Donald Trump, schimpft der
       Chef des Umweltausschusses, Pascal Canfin von den französischen Liberalen.
       
       Canfin und seine Renew-Fraktion, aber auch Grüne, Sozialdemokraten und
       Linke wollen Weber stoppen und den „Green Deal“ retten. Sie setzen auf eine
       „konstruktive Koalition“, die die EVP beim finalen Votum am Mittwoch im
       Plenum überstimmen soll. „Im Plenum, wo Abgeordnete nicht einfach
       ausgetauscht werden können, wird sich zeigen, wie vereint die EVP hinter
       dem Rechtskurs von CSU-Mann Manfred Weber steht“, sagt Delara Burkhardt von
       der SPD. Ähnlich argumentiert Jutta Paulus von den Grünen, die Webers
       „Kreuzzug gegen den Green Deal“ stoppen will.
       
       Allerdings gibt es ein Problem: Das Europaparlament konnte sich bisher
       nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Bei der Abstimmung am Mittwoch
       geht es daher zunächst um die Frage, ob der Gesetzentwurf abgelehnt und an
       die Kommission zurücküberwiesen werden soll. Erst wenn die Gegner
       scheitern, kommen die Befürworter zum Zuge – allerdings auf einer wackligen
       Grundlage.
       
       Dann soll es um die Ratsposition gehen – also um den von den 27 EU-Staaten
       ergänzten Gesetzentwurf der Kommission. Die Parlamentarier müssen aber auch
       noch über 136 Änderungsanträge entscheiden – und das alles in eineinhalb
       Stunden. Kann das gut gehen? Selbst erfahrene Parlamentarier wollen keine
       Wetten wagen, wie die Abstimmung am Mittwoch ausgeht.
       
       11 Jul 2023
       
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   DIR Ann-Kathrin Leclere
       
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