# taz.de -- Schutz der Natur in Europa: Noch einmal davon gekommen
> Es wird oft Unsinn verzapft, wenn die Rede auf die Renaturierung kommt.
> Im Kampf um das Für und Wider sind die Kräfte recht gleichmäßig verteilt.
IMG Bild: Der Naturschutz ist in Europa ein zartes Pflänzchen und bedroht von der EVP und anderen Kräften
Die Abstimmung über das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur ist
unentschieden ausgegangen – auch wenn die EU-Abgeordneten nach heftigem
Streit am Ende mit knapper Mehrheit für das Gesetz stimmten. Zwar hat die
Auseinandersetzung interessante Allianzen für eine ambitionierte
Naturschutzpolitik gezeigt, bestehend aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft
und Wirtschaft. Sie hat aber auch das enorme Populismus-Potenzial von
Umweltthemen verdeutlicht.
Manfred Webers EVP hat dieses Potenzial ausgetestet und gemeinsam mit
Ultrarechten das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur [1][zwar nicht
gestoppt, aber massiv abgeschwächt]. Diskurse über komplexe Themen wie die
Wärme-, die Agrar- oder die Verkehrswende sind deshalb anfällig für
Populismus, weil sich wunderbar leicht erzählbare Konflikte
hineinprojizieren lassen: Zwischen Stadt und Land, Arm und Reich, „grünen
Ideologen“ und „vernünftigen Pragmatikern“.
Zwar sind diese Konfliktlinien schief gezogen: Von Artenvielfalt und
Feuchtgebieten profitieren vor allem Landwirte; von autofreien Zonen und
einem guten öffentlichen Nahverkehr Arme, die sich kein Auto leisten können
und an den städtischen Ausfallstraßen wohnen, auf denen die [2][SUV-Fahrer]
in die Vororte brettern. Trotzdem verfängt rechter Populismus, weil er in
der Bevölkerung auf einen Resonanzboden aus [3][ökonomischer
Verunsicherung] und Angst vor Veränderung trifft.
Im aktuellen Fall ist der EU-Naturschutz noch einmal davongekommen, weil
[4][Webers Getrickse] im Parlament zu platt und vielen Konservativen der
Gegenwind vor allem aus Wirtschaftsverbänden und Wissenschaft gegen ihr
Abstimmungsverhalten wohl unheimlich war. Den Befürwortern der öko-sozialen
Transformation allerdings wurde demonstriert, wie leicht sie in Brüssel in
die Defensive geraten können.
Als Gewinner können sie sich deshalb nicht fühlen. Sie sind Akteure eines
Machtkampfs, in dem die Kräfte in etwa gleich verteilt sind – noch.
Nächstes Jahr sind nämlich Wahlen in Europa.
12 Jul 2023
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