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       # taz.de -- Deportierte Migranten in Tunesien: Wo sind die aus Sfax Vertriebenen?
       
       > Von vielen aus der tunesischen Stadt deportierten Migranten aus
       > Subsahara-Afrika fehlt jede Spur. Einige wurden offenbar in der Wüste
       > ausgesetzt.
       
   IMG Bild: Gestrandete afrikanische Migranten aus Tunesien an einem Strand in der Nähe der libyschen Grenze
       
       Tunis taz | Das Schicksal von über tausend aus der Hafenstadt Sfax
       deportierten Migranten ist eine Woche nach den [1][gewaltvollen
       Vertreibungen] noch immer unklar. Am Montag letzter Woche kam ein
       41-jähriger Tunesier bei Auseinandersetzungen zwischen Migranten aus
       Subsahara-Afrika und Jugendlichen aus Sfax ums Leben. In der
       darauffolgenden Nacht begannen die Ausschreitungen gegen die Migranten: Sie
       wurden aus ihren Wohnungen getrieben, geschlagen, bedroht. Täglich
       transportieren die Behörden Migranten in Bussen aus der 330.000 Einwohner
       zählenden Stadt.
       
       An einem Strandabschnitt direkt neben dem libysch-tunesischen Grenzübergang
       Ras Jadir stieß am letzten Donnerstag Malik Traina, ein Reporter des
       katarischen TV-Senders Aljazeera, auf 700 aus Sfax deportierte Migranten,
       die ohne Wasser und Nahrungsmittel dort ausgesetzt worden waren.
       
       Libysche Grenzbeamte belieferten die Gruppe mit dem Nötigsten, ließen sie
       aber nicht – wie von den Behörden in Sfax wohl erhofft – über die Grenze.
       Man habe selber über 700.000 Migranten im Land aufgenommen, erklärt ein
       Grenzbeamter gegenüber der taz. „[2][Tunesien] will seine sozialen Probleme
       auf dem Rücken der Migranten und Nachbarländer lösen. Das ist ein
       gefährlicher Präzedenzfall“, so der Beamte aus der nordwestlibyschen
       Hafenstadt Zuwara weiter.
       
       Die Videos der bei über 40 Grad in der sengenden Sonne Gestrandeten sorgten
       weltweit für Empörung. Die Unnachgiebigkeit der von der Aktion völlig
       überraschten libyschen Beamten führte zunächst zu einem Nachgeben der
       tunesischen Behörden. Nachdem am Wochenende Helfer des Roten Halbmondes die
       lebensbedrohliche Entkräftung der Vertriebenen bestätigten, wurde die
       Mehrheit mit Bussen in verschiedene Orte Südtunesiens gefahren.
       
       ## Unter den im Freien Ausgesetzten sind auch Kinder
       
       In Ben Guerdane, nahe der Grenze, stehen seitdem 70 Migranten unter
       Polizeischutz. In Tataouine und Medenine, weiter im Landesinneren gelegen,
       wurden weitere Gruppen untergebracht.
       
       Viele der Betroffenen würden in ihre Heimat zurückreisen wollen, so
       Vertreter des Roten Halbmonds. Deren Rückflug würde man zusammen mit der
       internationalen Organisation für Migration (IOM) organisieren.
       
       Doch die humanitäre Krise ist damit nicht zu Ende. Die in der Seenotrettung
       aktive [3][Zivilorganisation Alarm Phone] berichtet von weiteren Bussen aus
       Sfax, die am Dienstag Migranten bei Ras Jadir [4][im Freien absetzten].
       Unter den dort Verblieben sind mindestens 30 Kinder.
       
       Völlig unklar ist zur Zeit der Verbleib von bis zu 250 Migranten, die in
       zwei Gruppen aus Sfax an die algerisch-tunesische Grenze im westtunesischen
       Tozeur gefahren wurden. Offenbar wurden auch sie nach der Zerstörung ihrer
       Telefone ohne Wasser und Nahrungsmittel ausgesetzt. In Tozeur herrschten am
       letzten Wochenende auch nachts noch Temperaturen von 38 Grad, am Tag
       klettern sie auf knapp 50 – das macht das Grenzgebiet zu einer der derzeit
       heißesten Regionen der Erde.
       
       ## Kontakt zu einer Gruppe Migranten ist abgebrochen
       
       Tunesische Aktivisten sowie Alarm Phone haben offenbar zu den auf die
       algerische Seite geflohenen Migranten jeglichen Kontakt verloren.
       Wahrscheinlich sind die Batterien der bei den Migranten verbliebenen
       Telefone mittlerweile leer. Menschenrechtsaktivisten aus Djerba wurden bei
       dem Versuch, die beiden Gruppen zu orten, von der tunesischen Polizei
       festgesetzt.
       
       In Sfax übernachten viele der aus ihren Wohnungen Vertriebenen weiter auf
       den Straßen. Und in den Verstecken an einem Strandabschnitt nördlich der
       Stadt warten weiterhin mehrere tausend Menschen auf die Überfahrt nach
       Europa.
       
       13 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
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