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       # taz.de -- Organisierte Kriminalität in Deutschland: Der Mafia den Geldhahn abdrehen
       
       > Deutschland gilt als Geldwäscheparadies, die Ampel will stärker gegen
       > Organisierte Kriminalität vorgehen. Über Konzepte ist man sich nicht
       > einig.
       
   IMG Bild: Bei einer Razzia im Mai gegen die italienische Mafia in Rheinland-Pfalz sichergestelltes Material
       
       Berlin taz | Christian Lindner will Ernst machen. Schon im Dezember
       startete sein Finanzministerium ein Projekt, um [1][ein neues Bundesamt zur
       Bekämpfung von Finanzkriminalität] einzurichten. Noch dieses Jahr soll dazu
       ein Gesetzentwurf verabschiedet werden, kommendes Jahr soll das Amt an den
       Start gehen, mit Standorten in Köln und Dresden.
       
       Auch von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und den Grünen kommen
       Vorschläge für den Kampf gegen Organisierte Kriminalität. Nur: Auf einer
       Linie liegt die Ampel hier bisher nicht.
       
       Mit dem Bundesamt zur Finanzkriminalität will [2][Lindner vor allem
       Geldwäsche] besser eindämmen. Deutschland gilt hier als Paradies – der
       finanzielle Schaden durch Organisierte Kriminalität überstieg 2021 laut
       Bundeskriminalamt die Milliardengrenze. Kontrolle und Bekämpfung sind
       bisher indes in rund 300 Behörden zersplittert.
       
       Lindner will dies nun zentralisieren und auch die bisher zuständige
       Financial Intelligence Unit und die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung
       in das Bundesamt integrieren. 1.700 Mitarbeitende sollen dort künftig
       arbeiten, sich auf große internationale Fälle fokussieren und verdächtige
       Finanzströme nach dem „Follow-the-Money“-Ansatz analysieren.
       
       ## Razzien gegen die italienische Mafia
       
       Ein weiterer Vorstoß kommt nun von den Grünen – und zielt [3][auf die
       italienische Mafia]. Diese sei „eine massive Bedrohung für unsere
       öffentliche Sicherheit sowie unsere politische und wirtschaftliche
       Integrität“, heißt es in einem Papier des Innenpolitikers Marcel Emmerich,
       das der taz vorliegt. Deutschland sei zu „einem sicheren Hafen für
       Mafia-Milliarden, Geldwäsche und Steuerhinterziehung geworden“. Die
       Brutalität der Mafia sei ein „immer noch unterschätztes Sicherheitsrisiko“.
       
       Erst im Mai hatte es europaweite Razzien gegen die italienische Mafia
       gegeben, auch in Deutschland – die Operation Eureka war einer der größten
       Schläge gegen die Gruppe seit Jahren. Wenig später erfolgte die Festnahme
       des mutmaßlichen 'Ndrangheta-Kaders Francesco A. in Münster.
       
       Die Grünen fordern nun den Aufbau einer Plattform zur Organisierten
       Kriminalität, angesiedelt beim BKA. Die Ermittlungen aller Behörden sollen
       dort koordiniert werden, auch international. Dazu brauche es eine bessere
       personelle und materielle Ausstattung der Ermittler*innen, inklusive
       einfacherer Quereinstiegsmöglichkeiten, Schwerpunktstaatsanwaltschaften in
       den Ländern und eine unabhängige Beobachtungsstelle zu Organisierter
       Kriminalität als Pilotprojekt, an der sich auch Wissenschaft, Medien und
       Zivilgesellschaft beteiligten. Darüber hinaus fordern die Grünen ein
       Barzahlungsverbot ab 10.000 Euro.
       
       „Deutschland darf nicht länger Spielplatz der Organisierten Kriminalität
       sein“, sagte Emmerich der taz. Der Einfluss der 'Ndrangheta sei „enorm“,
       sie komme auf einen Umsatz von 50 Milliarden Euro – das Niveau eines
       deutschen Autokonzerns. Hier Ermittlungskompetenzen zentral zu bündeln, wie
       es Lindner mit seinem Bundesamt plane, sei gut, findet Emmerich. „Es kommt
       dabei aber auf die genaue Ausgestaltung an, eine gute Personalausstattung
       und darauf, Doppelstrukturen zu vermeiden.“ Wenn das Bundesamt mit dem BKA
       gemeinsame Ermittlungsgruppen bilde, könne das Synergieeffekte schaffen.
       
       Faesers Ministerium gibt sich zurückhaltend. Lindners Bestrebungen, die
       Finanzkriminalität schlagkräftiger zu bekämpfen, begrüße man, erklärt ein
       Sprecher. Man stehe hier in fachlichem Austausch. Für das geplante
       Bundesamt stellten sich aber „noch einige, insbesondere strukturelle
       Fragen“.
       
       Zum Grünen-Vorstoß verweist der Innenministeriumssprecher darauf, dass
       Faeser bereits [4][im November ein Konzept gegen Organisierte Kriminalität
       vorlegte] – inklusive der Idee einer Ermittlungsplattform und der Forderung
       nach Schwerpunktstaatsanwaltschaften. Für Letzteres wirbt auch
       Justizminister Marco Buschmann (FDP). Diese könnten „einen wichtigen
       Beitrag zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität leisten“, erklärt ein
       Sprecher. Entscheiden müssen darüber aber die Länder, in Berlin oder NRW
       etwa gibt es diese bereits.
       
       Bei Faesers Konzept soll aber vor allem das BKA als Zentralstelle gestärkt
       werden. Zudem sollen undurchsichtige Vermögenswerte schneller eingezogen
       und das Strafmaß für Geldwäsche verschärft werden. Faeser tritt zudem, wie
       die Grünen, für eine Bargeldobergrenze von 10.000 Euro ein. „Sie verringert
       die Gefahr, die Herkunft großer Vermögenswerte zu verschleiern“, so ihr
       Sprecher.
       
       Hier aber stellt sich Lindner quer. „Das Finanzministerium lehnt die
       Einführung einer Barzahlungsobergrenze ab“, erklärt sein Sprecher. Statt
       eines „Gießkannenprinzips“ gegen Geldwäsche müsse „zielgerichtet und
       punktuell“ dort reguliert werden, wo es nötig sei. So müssten etwa
       Edelmetallhändler inzwischen schon bei Barzahlungen ab 2.000 Euro, statt
       wie früher 10.000 Euro, mehr Nachweise einfordern und Kunden
       identifizieren. Und Bankkunden müssten bei sehr hohen Bareinzahlungen die
       Herkunft des Geldes „plausibilisieren“.
       
       ## Faeser gründete „Allianz gegen Clankriminalität“
       
       Faeser machte zuletzt noch einen anderen Vorstoß: Sie gründete eine
       „Allianz gegen Clankriminalität“ von Bund und Ländern, die Ermittlungen und
       Ausbildungen in dem Bereich stärker bündeln soll. „Wir dulden keine
       kriminellen Parallelgesellschaften“, erklärte Faeser.
       
       Die unionsgeführten Länder warfen ihr PR ohne wirkliches Konzept vor, der
       Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler, wiederum
       [5][warnte vor Stigmatisierungen]. Auch der Grüne Emmerich sagte der taz,
       gegen kriminelle Clans müsse vorgegangen werden. Priorität aber habe die
       Mafia. Anders als die Clans, die „schrill“ seien und große Aufmerksamkeit
       bekämen, habe aber diese sich weitgehend unter dem Radar große Aktionsräume
       verschafft. „Wir müssen dort unsere Kräfte bündeln, wo der größte Schaden
       angerichtet wird.“
       
       13 Jul 2023
       
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