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       # taz.de -- Koranverbrennung in Stockholm: Provokation mit Koran zündet nicht
       
       > In Schweden darf ein Aktivist den Koran verbrennen, direkt vor einer
       > Moschee – zum islamischen Opferfest. Gerichte hatten zuvor Verbote
       > aufgehoben.
       
   IMG Bild: Polizisten vor der Moschee in Stockholm am Mittwochmorgen
       
       Stockholm taz | „Legal, aber nicht angemessen. Eine absichtliche
       Provokation.“ So kommentierte Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson
       eine am Mittwochnachmittag veranstaltete demonstrative Koranverbrennung vor
       der Stockholmer Zentralmoschee am Medborgarplatsen anlässlich des ersten
       Tags des islamischen Opferfestes Eid al-Adha.
       
       Vor 200 Neugierigen und einem großen Polizei- und Medienaufgebot riss ein
       einzelner Demonstrant gegen 14 Uhr mehrere Seiten aus einem Koran,
       verbrannte einige und wischte sich mit anderen die Schuhe ab. Abgesehen von
       der Festnahme eines Mannes, der einen Stein auf den Koranverbrenner werfen
       wollte, verlief die Aktion ohne Zwischenfälle. Stockholms Polizei hatte
       Verstärkung aus dem ganzen Land erhalten, um etwaigen Unruhen begegnen zu
       können.
       
       Anders als im Frühjahr vergangenen Jahres, [1][als der dänische
       Rechtsextremist Rasmus Paludan eine regelrechte Koran-Verbrennungstour
       durch Südschweden unternahm], die Proteste und teilweise heftige Krawalle
       auslöste, steht hinter der jetzigen ersten Aktion dieser Art im Jahr 2023
       der in einem Stockholmer Vorort wohnhafte 37-jährige Salwan M.
       
       Medien gegenüber beteuerte er, die Koranverbrennung habe nichts mit [2][dem
       geplanten schwedischen Nato-Beitrittsantrag] zu tun. Sie sei als Kritik
       gegen den Koran und die Scharia-Gesetzgebung gemeint, die seiner Meinung
       nach eine Bedrohung für Schwedens Demokratie sei. Der Koran müsse verboten
       werden. Er wolle die Verbrennung auch nicht als Ausdruck von Hass gegen
       Muslime verstanden wissen.
       
       ## Gerichte hatten Verbrennungsverbote aufgehoben
       
       Der wegen Androhung von Gewalt vorbestrafte M. hatte schon vor einiger Zeit
       eine Demonstrationsgenehmigung für einen Protest mit Koranverbrennung
       beantragt, die damals von der Polizei aber wegen Gefährdung der
       öffentlichen Sicherheit und Ordnung abgelehnt worden war. Das war eine von
       der Polizei aufgrund der Ausschreitungen anlässlich der letztjährigen
       Koranverbrennungen monatelang gebrauchte routinemäßige Begründung.
       
       Solch polizeiliche Verbote waren aber nachträglich von Gerichten ebenso
       routinemäßig als Verstoß gegen das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit
       für ungültig erklärt worden. Woraufhin die Polizei wiederum regelmäßig
       Berufung gegen diese Urteile eingelegt hatte.
       
       Dem Vernehmen nach stand politischer Druck hinter diesem Verhalten der
       Polizei. Die Regierung habe versucht, Aktionen zu verhindern, von denen
       sich die Türkei provoziert fühle. Der türkische Präsident [3][Erdogan könne
       sie als weiteren Vorwand verwenden], um die Zustimmung zum schwedischen
       Nato-Beitritt zu verweigern.
       
       ## Bibelverbrennung war schon erlaubt
       
       Laut mittlerweile öffentlich gewordenen internen Polizeirichtlinien waren
       alle Dienststellen angewiesen worden, keinerlei Koranverbrennungen mehr
       zuzulassen. Ausdrücklich wurde hervorgehoben, dass ein solches Verbot nicht
       für Flaggen oder für andere religiöse Bücher gelte: Das Verbrennen der
       Bibel sollte also nicht verboten werden. Begründet wurde das damit, dass
       gerade das Verbrennen von Koranen die Sicherheit Schwedens gefährden und
       die Gefahr von Terrorattentaten steigern könne.
       
       Mitte Juni hatte dann ein oberes Verwaltungsgericht diese Argumentation
       grundsätzlich für rechtswidrig erklärt. Ein Verweis auf ein abstraktes
       allgemeines Risiko für eine Terrorhandlung sei nicht ausreichend, um eine
       Demonstration zu verbieten. Wenn, dann müsse konkret dargelegt werden,
       warum eine spezielle Aktion unmittelbar zu einer erhöhten Terrorgefahr für
       das Land führen könnte. Ansonsten gelte auch für derartige Aktionen die
       verfassungsrechtlich geschützte Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit.
       Aufgrund dieser Grundsatzentscheidung hatte die Stockholmer Polizei den
       erneuten Antrag von Salwan M. auch genehmigt.
       
       ## Imam spricht von Provokation
       
       Imam Mahmoud Khalfi bedauerte das am Mittwoch gegenüber Medien: „Wir hatten
       am Montag ein Gespräch mit der Polizei, nachdem wir von den Plänen erfahren
       hatten. Unser Wunsch war es, dass die Genehmigung überhaupt nicht erteilt
       wird. Sollte sie jedoch erteilt werden, wollten wir zwei Punkte
       sicherstellen: dass die Genehmigung nicht mit den Gebetszeiten kollidiert
       und dass der Standort ein paar hundert Meter entfernt gewählt wird.“
       
       Dass die Genehmigung nun am Platz unmittelbar vor dem Haupteingang der
       Moschee und für die Zeit nach der Beendigung des Mittagsgebets erteilt
       wurde, bezeichnete Mahmoud Khalfi als „reine Provokation“. Er habe bei der
       Polizei nachgefragt, warum das so gehandhabt worden sei, aber keine
       konkrete Antwort erhalten.
       
       28 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
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