URI: 
       # taz.de -- Alexis Tsipras tritt bei Syriza zurück: Griechenlands linker Konsolidierer
       
       > Nach der Schlappe bei den griechischen Parlamentswahlen tritt Alexis
       > Tsipras als Vorsitzender der linken Syriza zurück. Seine Verdienste
       > bleiben.
       
   IMG Bild: Alexis Tsipras nach seinem Rücktrittsstatement in Athen
       
       Athen taz | Einst war er ein Schreckgespenst für Europas Eliten, avancierte
       Anfang 2015 im Alter von erst 40 Jahren als erster Linker zum griechischen
       Premierminister, bevor er sich ab dem Juli 2019 mit der Rolle des Athener
       Oppositionschefs zu begnügen hatte. Nun zieht sich Alexis Tsipras, 48, nach
       gut fünfzehn Jahren vom Amt des Parteichefs vom Bündnis der Radikalen
       Linken (Syriza) zurück. Für die radikallinke Partei bricht eine neue Ära an
       – mit ungewissem Ausgang.
       
       Tsipras' [1][Entscheidung] erfolgte vier Tage nach der herben Schlappe von
       Syriza bei den jüngsten [2][Parlamentswahlen] in Griechenland, kam mit
       Blick auf das Wann und das Wie aber doch eher überraschend.
       
       Seinen Schritt gab Tsipras konkret am Donnerstag auf einer
       außerordentlichen Sitzung des Syriza-Exekutivbüros bekannt. Wie er in einer
       anschließenden Fernsehansprache aus dem ehrwürdigen Athener
       Zappeion-Gebäude erklärte, habe er nach der Wahlniederlage „drei Tage lang
       mit sich gerungen“, bis sein Entschluss festgestanden habe.
       
       „In der Wahlnacht habe ich gesagt, Syriza habe nun einen großen
       historischen Zyklus vollendet, worauf wir stolz sein sollten. Unsere
       Aufgabe ist es, einen neuen Zyklus zu eröffnen. Schwierig, beispiellos,
       aber noch vielversprechender und kreativer“, sagte er. Syriza müsse sich
       „neu erfinden“, so Tsipras weiter, um „die neuen Widersprüche, Strömungen
       der Gesellschaft und Herausforderungen der Zeit zu lesen und die
       Erwartungen derer zu erfüllen, die es vertreten will.“
       
       ## „Ein neuer Zyklus von Syriza“
       
       Er habe im Alter von nur 34 Jahren eine kleine linke Partei übernommen.“Der
       Weg war gefährlich, voller Fallstricke, aber auch aufregend. Von einer
       kleinen Partei wurde Syriza die erste linke Partei in Europa, die regiert –
       unter unglaublich schwierigen Umständen, mit einer zerrütteten Gesellschaft
       und einer bankrotten Wirtschaft. Ich hatte das Glück und die Ehre, der
       erste linke Premier zu sein.“
       
       Dieser „schwierige Weg“ habe „auch Kompromisse erfordert“, die „Traumata
       und Abnutzungen verursacht“ hätten, räumte Tsipras ein. Aber:“Die
       Erfahrungen, Erfolge, Fehler, die Schlachten, die wir für unser Land
       gewonnen und verloren haben, sind ein unersetzliches Erbe für den neuen
       Zyklus von Syriza“.
       
       Daher habe er den Beschluss gefasst, die Wahl einer neuen Führung durch die
       Parteimitglieder vorzuschlagen, so wie es in der Satzung der Partei
       vorgesehen sei.“Dafür werde ich natürlich nicht kandidieren. Aber ich werde
       vor, während und nach den Wahlen präsent bleiben“.
       
       Davon gehen auch Analysten in Athen aus: Tsipras, am 10. Februar 2008 zum
       Parteichef gewählt und seit Oktober 2009 Abgeordneter im Athener Parlament,
       dürfte als Ex-Premier innerparteilich weiter eine einflussreiche Rolle
       spielen.
       
       ## Fünf Namen werden für die Nachfolge gehandelt
       
       Unstrittig in den Reihen von Syriza sind Tsipras' große Verdienste als
       Regierungschef von Januar 2015 bis Juli 2019: Dazu zählen maßgeblich die
       [3][Konsolidierung der Wirtschaft und Finanze]n nach Griechenlands
       faktischem Staatsbankrott, der nicht von Syriza verursacht worden war,
       sondern von den etablierten Parteien Nea Dimokratia und Pasok. In der
       Außenpolitik auf Tsipras' Haben-Liste: das [4][“Prespa“-Abkommen] zwischen
       Athen und Skopje. Das bilaterale Abkommen ist nach dem See benannt, an dem
       Griechenland und das heutige Nordmazedonien liegen und gilt als historisch,
       weil es einen jahrzehntelangen Namensstreit beilegte.
       
       Unterdessen gehen Beobachter in Athen davon aus, dass frühestens im
       September mit der Wahl des Tsipras-Nachfolgers zu rechnen sei. Derzeit
       seien die Namen von fünf Kandidaten für die Tsipras-Nachfolge im Gespräch,
       wie in Athen diesbezüglich kolportiert wird.
       
       Dabei handelt es sich aus der Syriza-Führungsriege um die Juristin und
       frühere Arbeitsministerin Efi Achtsioglou (38), ferner den
       Ökonomie-Professor und Ex-Finanzminister Euklid Tsakalotos (63) sowie den
       Wirtschaftsexperten und Ex-Innenminister Alexis Charitsis (45).
       
       Ferner wollen sich Informationen zufolge der Arbeitsrechtler Dionysis
       Teboneras sowie Gavril Sakellaridis, ein ehemaliger enger Mitarbeiter von
       Tsipras und Regierungssprecher, dafür in Position gebracht haben. Beide
       haben jedoch den Nachteil, dass sie im neuen Athener Parlament keine
       gewählten Abgeordneten sind. Daher gelten sie als Außenseiter.
       
       Wer auch immer die Nachfolge antritt, hat eine sehr schwierige Aufgabe vor
       sich: nach ihrer triumphalen Wiederwahl am Sonntag dominiert die
       konservative Nea Dimokratia (ND) unter Premier [5][Kyriakos Mitsotakis],
       55, ein erklärter Syriza-Gegner, unangefochten die politische Bühne in
       Athen.
       
       Das Ziel von Syriza, das bei dem jüngsten Urnengang auf 17,83 Prozent der
       Stimmen abgesackt und nur noch mit 48 Abgeordneten in der 300-köpfigen
       Boule der Hellenen vertreten ist, ist gleichwohl: wieder zu einer
       Regierungspartei werden.
       
       30 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Tsipras-gibt-Syriza-Vorsitz-ab/!5944271
   DIR [2] /Wahl-in-Griechenland/!5942886
   DIR [3] /Streikwelle-in-Griechenland/!5364411
   DIR [4] /Griechenland-und-Mazedonien/!5513583
   DIR [5] /Europas-einzige-Erbdemokratie/!5942931
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ferry Batzoglou
       
       ## TAGS
       
   DIR Griechenland
   DIR Alexis Tsipras
   DIR Syriza
   DIR Kyriakos Mitsotakis
   DIR IG
   DIR Griechenland
   DIR Schwerpunkt Korruption
   DIR Reiseland Griechenland
   DIR Griechenland
   DIR Syriza
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Griechenlands Linke sucht Nachfolge: Der Sunnyboy aus den USA
       
       Griechenlands linke Syriza sucht einen neuen Vorsitzenden. Aus der ersten
       Runde geht der politische Newcomer Stefanos Kasselakis als Favorit hervor.
       
   DIR Nea Dimokratia auf der Peloponnes: Die Firma Griechenland
       
       Seit den Parlamentswahlen ist das Land fest in der Hand der konservativen
       Nea Dimokratia. Die Verflechtungen der Partei mit Unternehmen sind enorm.
       
   DIR Tsipras gibt Syriza-Vorsitz ab: Ende der Ära Tsipras
       
       Der griechische Ex-Premier Alexis Tsipras zieht Konsequenzen aus der
       Wahlniederlage und kündigt seinen Rückzug vom Vorsitz an.
       
   DIR Wahl in Griechenland: Mitsotakis vor zweiter Amtszeit
       
       Die Nea Dimokratia gewinnt die Wahl in Griechenland. Linke Syriza schneidet
       noch schlechter ab als bei der letzten Wahl vor erst fünf Wochen.
       
   DIR Wahlniederlage der griechischen Syriza: Eine einsame Partei in Athen
       
       Die linke Syriza hat versäumt, für die Zeit nach der Wahl eine Koalition
       vorzubereiten. Hinzu kommt, dass die Gesellschaft zutiefst konservativ ist.