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       # taz.de -- Neuer Investor für Ford-Fabrik: Hoffnung in Saarlouis
       
       > Ford will das Werk im Saarland 2025 aufgeben und hat eine Erklärung mit
       > einem geheimen Investor unterschrieben. 2.500 Jobs könnten so erhalten
       > bleiben.
       
   IMG Bild: 1000 Arbeitsplätze garantiert?
       
       Frankfurt/Main taz | Es ist zwar noch kein endgültiger Durchbruch, aber es
       gibt Hoffnung für die 4.400 Beschäftigten bei Ford-Saarlouis. Auf einer
       nichtöffentlichen Betriebsversammlung hat das Ford-Management am Freitag
       die Unterzeichnung einer Absichtserklärung (Letter of Intent) mit einem
       großen, nicht genannten Investor bekannt gegeben. Er könnte die
       Produktionsstätten und das Werksgelände von Ford in Saarlouis übernehmen.
       
       In unbestätigten Medienberichten war vom größten chinesischen Hersteller
       von Elektroautos, Build Your Dream (BYD), die Rede, der dort erstmals in
       Europa Elektrofahrzeuge produzieren wolle. Inzwischen heißt es, ein
       „industrieller Großinvestor“ aus der Automobilbranche sei der
       Verhandlungspartner.
       
       Ford will die Montage der Verbrenner-Modellreihe Ford Focus wie angekündigt
       spätestens 2025 einstellen. Es gebe nun eine „hervorragende Grundlage für
       weitere Verhandlungen mit dem Potenzial, rund 2.500 Arbeitsplätze in
       Saarlouis zu schaffen“, erklärte Ford am Freitag. „Wir haben einen
       Meilenstein auf dem Weg zur Zukunftssicherung des Ford-Standorts erreicht“,
       sagte der taz dazu der saarländische Wirtschaftsminister Jürgen Barke, SPD,
       der die Vereinbarung mit ausgehandelt hat.
       
       „Es ist nach wie vor unser Ziel, das Werk in Saarlouis umzugestalten und
       künftige Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen“, versicherte der deutsche
       Ford-Chef Martin Sander in einem Statement. In der Woche zuvor war Sanders
       Rede auf der Betriebsversammlung noch im Lärm von Pfiffen und Heulsirenen
       wütender Mitarbeitender untergegangen, weil er lediglich vage Erklärungen
       mitgebracht hatte. Die Versammlung musste nach Tumulten unterbrochen
       worden.
       
       ## „Wir sorgen dafür, dass die Hütte brennt“
       
       Seitdem standen die Zeichen auf Streik – und damit die weitere Produktion
       des Ford-Focus auf dem Spiel. „Ford hat unsere Zukunft verpennt, nun sorgen
       wir dafür, dass die Hütte brennt“, war auf einem der Banner zu lesen, die
       aufgebrachte Gewerkschafter hinter den Werkstoren aufgestellt hatten, so
       explosiv war die Stimmung. Die Vereinbarung zwischen Ford und dem möglichen
       Investor haben diesen Alptraum für Management, Belegschaft und
       Landesregierung erst einmal vertrieben.
       
       Dass es hinter den Kulissen endlich erste Erfolge gab, hatte sich Mitte der
       Woche angedeutet. Die Gewerkschaft IG-Metall hatte die geplante
       Urabstimmung über einen unbefristeten Streik abgesagt. In einer
       Videobotschaft an die Belegschaft hatte Betriebsratschef Markus Thal von
       „entschieden neuen Erkenntnissen“ gesprochen. ArbeitnehmervertreterInnen
       hatten zuvor offenbar Einsicht in die Vertragsunterlagen.
       
       Am Freitag um halb eins konnte dann endlich die Betriebsversammlung
       fortgesetzt werden. Es gab große Erwartungen, nachdem sich auch die
       saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, SPD, angesagt hatte.
       Schon in ihrer Zeit als Wirtschaftsministerin hatte sie zusammen mit ihrem
       damaligen Staatssekretär, dem heutigen Wirtschaftsminister Barke, an der
       Suche nach einer Auffanglösung für die Arbeitsplätze bei Ford gebastelt.
       
       Mit einer eigenen Agentur, der „Gesellschaft für Transformationsmanagement
       Saar“ und einem 3,5 Milliarden Euro schweren Fonds spielt die
       Landeregierung eine aktive Rolle bei der Neuaufstellung der Industrie an
       der Saar. Erste Erfolge: die Ansiedlung des chinesischen
       Batterieherstellers S-Volt und die von der Regierung unterstütze
       Kooperation des Autozulieferers ZF mit dem Chiphersteller Wolfspeed am
       Strandort Ensdorf. Es gibt zudem Pläne für den subventionierten Umbau der
       saarländischen Stahlindustrie auf die Produktion mit grünem Wasserstoff.
       
       ## Ford hatte 1.000 Stellen garantiert
       
       Die weiteren Verhandlungen bleiben kompliziert. Ford hat in einem Vertrag
       mit der Belegschaft den Erhalt von 1.000 Stellen im Konzern am Standort
       Saarlouis garantiert. Das Lohn- und Gehaltsniveau bei Ford liegt erheblich
       über dem der meisten Industriebetriebe im Saarland. Viele Mitarbeitende
       erwarten statt neue Jobs eher Abfindungen und Regelungen für einen
       vorzeitigen Ruhestand. Mitarbeitende, die den Weg in die Produktion von
       Elektroautos mitgehen wollen, werden qualifiziert werden müssen.
       
       Es gibt zudem Verhandlungen mit weiteren möglichen Investoren, die Teile
       des Werkgeländes übernehmen könnten. Management, Gewerkschaft und
       Landesregierung müssen bei diesen komplizierten Prozessen die Belegschaft
       mitnehmen und gleichzeitig Diskretion wahren, wollen sie den Erfolg nicht
       gefährden.
       
       30 Jun 2023
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christoph Schmidt-Lunau
       
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