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       # taz.de -- Buenos Aires: Obdachlose verlieren Stopover
       
       > In Argentinien haben Behörden und Betreiber des städtischen Flughafens
       > von Buenos Aires das dortige Nachtlager überraschend aufgelöst.
       
   IMG Bild: Obdachlose nächtigen im April im Flughafenterminal von Buenos Aires auf dem Boden
       
       Buenos Aires taz | Rund 160 Obdachlose sind aus dem Gebäude des
       Stadtflughafens von Buenos Aires vertrieben worden. Völlig unerwartet waren
       sie am späten Donnerstagabend mit all ihren Habseligkeiten vor die Türen
       des Terminals gesetzt worden, die seither von Sicherheitskräften
       kontrolliert werden.
       
       Die „Sin Techos“ (ohne Dach), die zum Teil seit Monaten in dem Gebäude
       schliefen, [1][waren bisher geduldet] worden. Das Flughafenterminal sei ein
       öffentlicher Raum, auch für Obdachlose, hatten die Betreibergesellschaft
       Aeropuertos Argentina 2000 (AA2000) sowie das Wohnungsbauministerium der
       Stadt Buenos Aires bisher versichert.
       
       Das Gebäude ist rund um die Uhr geöffnet, auch wenn nachts kein Flugverkehr
       stattfindet. Die Obdachlosen hatten es stets am Morgen verlassen und
       kehrten gegen Abend zurück. Seit dem Beginn der kalten Wintersaison hatte
       ihre Zahl zugenommen.
       
       „Es war eine gemeinsame Entscheidung der staatlichen Behörden und des
       Wohnungsministeriums der Stadt Buenos Aires“, erklärte die
       Betreibergesellschaft AA2000 die Räumung. Das gemeinsame Vorgehen ist auch
       ein Grund, warum die Aktion relativ geräuschlos durchgeführt werden konnte.
       
       ## Kein Aufreger im Wahlkampf
       
       Dabei ist in Argentinien Wahlkampf. In der Stadt regiert das
       konservativ-liberale Lager, im Staat das progressive. Ohne die Vereinbarung
       hätte die eine Seite die andere vehement angeprangert.
       
       Nur soziale Organisationen wie die Menschenrechtsorganisation Centro de
       Estudios Legales y Sociales (CELS) schlugen Alarm: „Sie vertreiben die
       Menschen, die seit Monaten im Aeroparque schlafen. In all dieser Zeit hat
       das städtische Wohnungsamt keine Alternative als eine
       Obdachloseneinrichtung zum Schlafen vorgeschlagen“.
       
       Unter den Obdachlosen gelten die städtischen Centros de Inclusión Social
       als Gefängnisse mit Freigang. Nur 30 der Personen, die jetzt aus dem
       Terminal vertrieben wurden, akzeptierten die Verlegung in eines der 44
       städtischen Zentren.
       
       Bei der letzten offiziellen Erhebung im April wurden in der Hauptstadt 3511
       Obdachlose gezählt. Für eine Drei-Millionen-Metropole mit derart enormen
       sozialen Problemen eigentlich eine moderate Zahl.
       
       ## Starke Mietsteigerungen
       
       Alarmierend ist jedoch der Trend: 34 Prozent mehr als vor einem Jahr, als
       2611 obdachlose Personen gezählt wurden. Für die sozialen Organisationen
       sind die Angaben denn auch viel zu niedrig. Sie gehen von einer
       Dunkelziffer von 9000 Obdachlosen aus und warnen, dass es „immer mehr
       Menschen gibt, die nirgendwo leben können und die Zuflucht suchen, wo immer
       sie können“.
       
       Ein Grund: Die Durchschnittsmiete war im Juni 2023 im Vergleich zum Juni
       2022 um satte 124 Prozent gestiegen. Das Vorgehen der Behörden ist auch
       deshalb pikant, weil die Räumungsaktion unmittelbar nach dem „3.
       lateinamerikanischen und karibischen Treffen von Menschen in
       Straßensituationen“ in Buenos Aires stattfand. Dabei wurde über
       Integrationszentren, Zwangsräumungen, Gesundheitsversorgung und
       institutionelle Gewalt diskutiert.
       
       Auch die Menschenrechtsorganisation CELS hatte an dem Treffen teilgenommen.
       „Es sind Hunderte von Menschen versammelt, um über grundlegende Lösungen
       des Problems zu diskutieren, und unmittelbar danach geschieht das genaue
       Gegenteil“, erklärte die Menschenrechtsorganisation.
       
       2 Jul 2023
       
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