URI: 
       # taz.de -- Lesbisch-schwules Stadtfest: Hitze und hitzige Diskussionen
       
       > Beim lesbisch-schwulen Stadtfest in Schöneberg fehlte es nicht an
       > Glitzer. Der Regierende warb auf dem Wilden Sofa bei gendergerechter
       > Sprache um Toleranz.
       
   IMG Bild: Ein klares Bekenntnis zum Regenbogen am Nollendorfplatz
       
       Berlin taz | Laute Musik, Regenbogenflaggen und Tanzeinlagen: Rund um den
       Nollendorfplatz in Schöneberg ging es am Samstag und Sonntag bei
       Temperaturen von bis zu 35 Grad hoch her. „Es ist laut, es ist bunt und es
       glitzert, und das ist toll!“, sagt Fina Grunwald und schaut sich um. Die
       Straßen rund um den Nollendorfplatz sind voll an diesem Wochenende, das 29.
       lesbisch-schwule Stadtfest hat wieder Tausende von Besucher*innen
       angelockt.
       
       „Es ist toll hier, und das braucht diese Stadt“, bestätigt Susanna
       Grunwald, die das Straßenfest in diesem Jahr mit ihrer Tochter besucht. Das
       Straßenfest, welches in diesem Jahr unter dem Motto „Gleiche Rechte für
       Ungleiche – weltweit!“ stattfindet, ist das größte seiner Art: Laut
       Veranstalter*innen zieht es an den zwei Tagen jedes Jahr „weit über
       350.000“ Menschen an.
       
       Fabi und Sandra, Besucher*innen auf dem Straßenfest und ebenfalls in
       einer Mutter-Kind Konstellation unterwegs, haben eine gute Zeit hier: „Egal
       welche sexuelle Orientierung, hier kann zusammen gefeiert und Sexualität
       ohne Zwang auch ausgelebt werden“, sagt Sandra.
       
       Vor allem sei sie stolz auf ihren Sohn, den sie dieses Jahr begleitet. Auch
       er fühlt sich sehr wohl auf dem Straßenfest, vor allem auch als Alternative
       zur großen CSD-Parade, die in Berlin am 22. Juli stattfinden wird: „Im
       vergangenen Jahr war ich auf dem großen CSD, fand es aber viel zu
       kommerzialisiert“, sagt er. „Dort sind dann nur große Konzerne, die einen
       Monat so tun, als würden sie uns supporten.“
       
       ## Talkshow auf dem Wilden Sofa
       
       Auf dem Straßenfest finden sich viele Communitystände, zum Beispiel queere
       Untergruppierungen der großen Parteien. Politisch wird es auch beim „Wilden
       Sofa“, einer Talkshow auf einer der Bühnen des Stadtfestes. Moderiert von
       Gerhard Hoffmann, Mitbegründer des Stadtfestes, diskutieren Kai Wegner,
       Kevin Kühnert und Lisa Paus vor allem über gendergerechte Sprache und
       trans* Themen, wie beispielsweise das anstehende Selbstbestimmungsgesetz.
       
       Der Regierende Bürgermeister Wegner (CDU) äußert sich zu gendergerechter
       Sprache und betont, das „*innen“ zu betonen sollte allen freigestellt sein:
       Er würde da eine offene und liberale Strategie verfolgen. Wer weiterhin
       Berlinerinnen und Berliner sagen wolle, solle das auch tun. Hierfür erntet
       er zwar leisen Applaus aus einer Gruppe von männlich gelesenen Personen,
       jedoch auch einige Buhrufe aus dem Publikum. Auch Bundesfamilienministerin
       Paus (Grüne) äußert Kritik an Wegners Aussage: „Es gibt eben nicht nur zwei
       Geschlechter, und deshalb ist es wichtig, miteinander auf Sprache zu
       achten“, sagt sie. Deshalb: „Freund*innen“. Der Applaus für Paus ist
       deutlich lauter. Auch Kevin Kühnert, Generalsekretär der SPD, geht hier
       mit: Sprache schaffe eben Realität. „Sichtbar wird das schon am Beispiel,
       dass wir eher ‚Erzieherin‘ und eher ‚Feuerwehrmann‘, sagen würden“, sagt
       er.
       
       Auch das Thema Selbstbestimmungsgesetz kommt zur Sprache. Das Gesetz, das
       nach der Sommerpause verabschiedet werden soll, soll es trans* Menschen
       vereinfachen, ihren Geschlechtseintrag und Namen im Personenstandsregister
       angleichen zu lassen. Als Wegner auf den Widerstand angesprochen wird, den
       seine eigene Partei gegen das neue Gesetz geleistet hat, kann er nicht
       widersprechen. „Die CDU ist eine vielfältige Gruppe“, sagt er. Sie habe
       sich im Koalitionsvertrag jetzt nun auf das neue Gesetz geeinigt.
       
       Prompt jedoch vertut er sich in der Sache, als er betont, wie gut es sei,
       dass sich trans* Menschen keinen Gutachten mehr unterziehen müssten. Die
       Menge reagiert irritiert und Paus korrigiert. Trans* Menschen müssten
       sich noch immer Gutachten unterziehen. Recht hat Paus: Die Gutachten sind
       aktuell noch notwendig, um den Geschlechtseintrag angleichen zu lassen.
       
       16 Jul 2023
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Max Leyendecker
       
       ## TAGS
       
   DIR Lesbisch-schwules Stadtfest
   DIR Berlin-Schöneberg
   DIR Kai Wegner
   DIR Kevin Kühnert
   DIR Lisa Paus
   DIR Berlin-Schöneberg
   DIR Kai Wegner
   DIR Kolumne Änder Studies
   DIR Schwerpunkt LGBTQIA
   DIR Diversität
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Lesbisch-schwules Stadtfest: Es bleibt politisch
       
       Das Motzstraßenfest in Schöneberg findet am Wochenende zum 30. Mal statt.
       Sein Mitbegründer bezeichnet es als „größtes Anti-Gewalt-Projekt Europas“.
       
   DIR CSD-Parade in Berlin: „Das hier ist keine Parade!“
       
       Politische Demonstration oder einfach eine Riesenparty? In diesem
       Spannungsfeld bewegte sich auch der 45. Christopher Street Day wieder.
       
   DIR Protest gegen AfD-Landrat: CSD in Sonneberg
       
       Nach dem rechten Lokalwahlerfolg in Thüringen dreht unser*e Autor*in
       auf dem Stadtplatz ein queeres Video. Es folgten keine Äxte, aber
       Beschimpfungen.
       
   DIR Hass gegen Queere: Es sind die Verhältnisse, Chérie
       
       Zerrüttete Gesellschaften erzeugen Gewalt, queere Menschen werden besonders
       oft zur Zielscheibe. Law-and-Order-Politik bietet dagegen keinen Schutz.
       
   DIR Queerpolitik von Schwarz-Rot: Ein queerer Schub für Berlin​
       
       Die Hauptstadt soll „Regenbogenstadt“ werden: So steht es im
       Koalitionsvertrag von CDU und SPD – und dieser Programmteil ist ein großer
       Wurf geworden.