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       # taz.de -- Justizminister will feste Regeln: V-Leute an die kurze Leine
       
       > Bisher gibt es fast keine Regeln für V-Leute bei der Polizei,
       > Justizminister Buschmann will das per Gesetz ändern. Die SPD reagiert
       > zurückhaltend.
       
   IMG Bild: Justizminister Buschmann
       
       Berlin taz | Es herrscht bisher weitgehend Laisser-faire: Anders als beim
       Verfassungsschutz gibt es für Vertrauens-Personen (V-Personen) bei der
       Polizei fast keine Einsatzvorgaben. Nun legt Bundesjustizminister [1][Marco
       Buschmann (FDP)] einen Gesetzentwurf vor, um feste Regeln vorzugeben. Doch
       es gibt auch Gegenwind aus der Ampel.
       
       Laut des Gesetzentwurfs, welcher der taz vorliegt, soll es für jeden
       Einsatz der V-Personen künftig einen Richtervorbehalt geben. Auch dürfen
       keine Minderjährigen oder Polizist:innen angeworben werden oder
       Personen, die Straftaten begangen haben, die mit einer Freiheitsstrafe von
       mindestens einem Jahr geahndet wurden. Auch Personen, die ihren
       Lebensunterhalt maßgeblich durch die Honorare für die Spitzeltätigkeit
       finanzieren würden, scheiden aus. Grundsätzlich soll nach fünf Jahren ein
       Einsatz von V-Personen beendet werden.
       
       Im Einsatz selbst soll ein Eindringen der V-Leuten in den „Kernbereich
       privater Lebensgestaltung“ der Zielpersonen ausgeschlossen werden. Dies
       betrifft auch das Eingehen von intimen Beziehungen, wie es etwa [2][der
       britische Polizeispitzel Mark Kennedy] in Deutschland tat. Auch wenn eine
       V-Person Straftaten begeht, soll deren Einsatz beendet werden – es sei
       denn, es handelt sich um eine „Notsituation“.
       
       Offener sind die vorgesehenen Regeln, wenn V-Leute andere Personen bei
       Taten bestärken. Dies sei als „absolute Ausnahme“ zulässig, so der
       Gesetzentwurf. Dabei dürfe aber der Tatplan nicht originär ausgelöst werden
       und die Tatbereitschaft des Komplizen nicht „erheblich“ bestärkt werden –
       etwa indem Druck auf die Person ausgeübt oder diese gehindert wird, aus
       einer Straftat auszusteigen. Geschieht dies doch, darf die andere Person
       dafür nicht mehr bestraft werden.
       
       Auch für Verdeckte Ermittler – also Polizist*innen, die unter Tarnlegende
       in kriminelle Milieus eingeschleust werden – werden die Regeln angepasst.
       Für ihren Einsatz gilt künftig ebenso ein Richtervorbehalt.
       
       ## Jährliche Berichte an den Bundestag
       
       Auf der anderen Seite wird die Polizei nun auch gesetzlich nochmal
       verpflichtet, die Identität der V-Personen zu schützen – auch über das Ende
       des Einsatzes hinaus. Und vor Gericht sollen die V-Leute die Aussage
       verweigern können, wenn Fragen ihre Identität aufdecken könnten. Neu ist
       auch, dass der Bundestag jährlich und anonymisiert über die Einsätze der
       V-Personen informiert werden soll. Zudem sollen Zielpersonen nach Ende der
       Einsätze erfahren, dass sie ausgespäht wurden.
       
       Das Justizministerium begründet die Regeln mit den „sehr schwerwiegenden
       Grundrechtseingriffen“, die durch die V-Leute entstünden. Eine gerichtliche
       Kontrolle sei „bisher nur in Ansätzen gewährleistet“. Bereits nach dem
       [3][NSU-Desaster waren strengere Regeln für V-Leute] eingefordert worden.
       Später sorgte der [4][V-Mann „Murat Cem“] für Schlagzeilen, der 20 Jahre
       lang für die Polizei in Nordrhein-Westfalen arbeitete und [5][Kontakt zum
       islamistischen Attentäter Anis Amri] hatte.
       
       Buschmann legte den Gesetzentwurf nun dem Innenministerium von Nancy Faeser
       (SPD) vor. Dort gibt man sich zugeknöpft. Die Prüfung sei noch nicht
       abgeschlossen, erklärt eine Sprecherin nur. In Ermittlerkreisen fürchtet
       man, dass V-Leute-Einsätze durch die neuen Regelungen erschwert werden
       könnten.
       
       ## Die SPD reagiert reserviert
       
       Diese Sorge artikuliert auch SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler. Er werde
       den Gesetzentwurf daran messen, ob er der Polizei gute Ermittlungsmaßnahmen
       ermögliche, sagte Fiedler der taz. „Insbesondere die riesigen Bedrohungen
       durch die Organisierte Kriminalität erlauben es nicht, dass die Polizei
       hier ins Hintertreffen gerät.“ Die Polizei sei auf V-Personen, verdeckte
       Ermittler, Onlinedurchsuchungen oder das Abhören von Kommunikation,
       verschlüsselt und unverschlüsselt, angewiesen. „Davon hängt unser aller
       Sicherheit mit ab. Plänen, rechtliche Hürden höher zu setzen als es die
       Verfassung gebietet, würde ich mich vehement entgegenstellen“, so Fiedler.
       
       Der FDP-Innenpolitiker Manuel Höferlin sagte dagegen der taz: „Der
       Gesetzentwurf greift ein wichtiges Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag auf
       und schließt eine gravierende Gesetzeslücke.“ In der Vergangenheit
       herrschten bei Einsätzen von V-Personen „zu oft Wild-West-Manieren“, welche
       die Justiz immer wieder vor Probleme stelle.
       
       Auch der Grünen-Innenpolitiker Marcel Emmerich sagte der taz, „der Einsatz
       von V-Personen ist zu einem absoluten Wildwuchs verkommen“. „Das ist
       unseres Rechtsstaates nicht würdig.“ Es brauche für die Einsätze „endlich
       ein solides rechtsstaatliches Fundament und genau das setzt der
       Gesetzesvorschlag nun um“. Auch das Bundesverfassungsgericht habe das
       angemahnt. Mit dem Gesetz gehe man „einen wichtigen Schritt in Richtung
       mehr Legitimität und Rechtstaatlichkeit“.
       
       20 Jul 2023
       
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   DIR Konrad Litschko
       
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