URI: 
       # taz.de -- Präsidentenwahl in Usbekistan: Wahl ohne Auswahl
       
       > Die Usbek*innen stimmen am Sonntag über ein neues Staatsoberhaupt ab.
       > Amtsinhaber Mirziyoyew steht bereits als Sieger fest, eine Alternative
       > fehlt.
       
   IMG Bild: Vorbereitungen in einem Wahllokal für die Präsdentschaftswahl in Taschkent, Usbekistan
       
       Berlin taz | Die Spannung in Usbekistan dürfte sich am kommenden Sonntag in
       Grenzen halten. Denn die Frage ist nicht, ob Staatschef Shavkat Mirziyoyew
       in seinem Amt bestätigt wird, sondern wie hoch sein Sieg diesmal ausfallen
       wird. 2021 fuhr er 80,1 Prozent ein.
       
       Die vorgezogene Präsidentenwahl folgt auf [1][ein Verfassungsreferendum im
       vergangenen April]. Dabei hatten die Usbek*innen mit großer Mehrheit für
       umfängliche Reformen des Grundgesetzes gestimmt – unter anderem auch für
       eine Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten von fünf auf sieben Jahre.
       Eine Wiederwahl ist möglich. Da die bisherigen Mandate von Mirziyoyew
       „nullifiziert“ werden, könnte er theoretisch bis 2037 auf seinem Posten
       bleiben.
       
       Die Entscheidung, seine Landsleute schon jetzt erneut an die Urnen zu
       rufen, hatte Mirziyoyew damit begründet, es brauche ein frisches Mandat für
       einen Staatsführer, „dem unser Volk vertraut“ – eine Äußerung, mit der der
       65-Jährige glasklar sich selbst meinte.
       
       Als Mirziyoyew nach dem Tod seines Vorgängers und autokratischen
       Langzeitherrschers Islam Karimow 2016 an die Macht kam, galt er vielen
       Menschen in dem mit knapp 34 Millionen Einwohner*innen
       bevölkerungsreichsten Staat in Zentralasien als Hoffnungsträger. Die
       Schaffung eines „neuen Usbekistans“ wurde zu einer Art Mantra Mirziyoyews.
       
       ## Wirtschaftliche Öffnung
       
       In der Tat hat sich unter seiner Führung einiges bewegt. So beendete er
       Zwangsarbeitseinsätze auf Baumwollfeldern, zu denen Schulkinder,
       Student*innen, aber auch Ärzt*innen und Staatsbedienstete verpflichtet
       wurden. Einige Regimekritiker*innen wurden aus der Haft entlassen.
       Auch für eine wirtschaftliche Öffnung des seit Dekaden isolierten Landes,
       unter anderem im Bereich des Tourismus, sorgte Mirziyoyew – genauso wie für
       eine bessere Zusammenarbeit mit den anderen Ländern Zentralasiens.
       
       Sobald es jedoch um politische Veränderungen geht, werden Mirziyoyews
       „Erfolge“ überschaubar. So treten, außer dem Amtsinhaber, zwar drei weitere
       Kandidat*innen – darunter eine Frau – an. Sie alle gelten jedoch als
       regimenah, eine oppositionelle Alternative fehlt. Wahrscheinlich ist auch
       das mit ein Grund dafür, dass Mirziyoyews Mitstreiter*innen nicht
       selbst an TV-Debatten während des sogenannten Wahlkampfes teilnahmen,
       sondern sich vertreten ließen.
       
       Einzig Khidirnazar Allakulow, früher Rektor einer Universität, versuchte,
       sich als Kandidat und Herausforderer Mirziyoyews registrieren zu lassen.
       Dazu ist die Unterstützung einer Partei notwendig. Diese kann jedoch nur
       erfolgen, wenn eine entsprechende Anzahl von
       Unterstützer*innenunterschriften vorliegt.
       
       Ein derartiges Vorhaben scheiterte bereits 2021, weil das zuständige
       Justizministerium einen Teil der Unterschriften nicht anerkannte. In diesem
       Juni wiederholte sich das Prozedere, die Begründung war dieselbe. Zudem
       berichtete Allakulow gegenüber Radio Free Europe (RFE) von tätlichen
       Übergriffen durch Unbekannte, als er und sein Unterstützerteam in der Stadt
       Fergana Unterschriften gesammelt hätten. „Sie haben die schmutzigsten
       Methoden, die zur Verfügung standen, gewählt, um die Arbeit unserer Partei
       zu behindern. Dieses Mal haben sie offen Gewalt eingesetzt“, zitiert ihn
       RFE.
       
       ## Medien unter Druck
       
       „Die politische Landschaft hat sich nicht verändert. Keine der politischen
       Parlamentsparteien steht in offener Opposition zu der Politik und Agenda
       des Präsidenten“, heißt es in einem Bericht der WahlbeobachterInnen-Mission
       der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vom
       vergangenen Juni.
       
       Auch die Situation der Medien ist alles andere als rosig. Vor einigen
       Monaten schickten 40 Journalist*innen einen offenen Brief an
       Mirziyoyew. Darin beklagten sie „versteckte, jedoch strikte Zensur“ und
       baten den Präsidenten einzuschreiten.
       
       Gegenüber dem Nachrichtenportal Eurasianet.org beklagt auch der Eigentümer
       einer lokalen Nachrichtenseite einen wachsenden Druck auf
       Journalist*innen – besonders seit der Corona-Pandemie. Dieser sei
       jedoch vor allem auf unteren Verwaltungsebenen spürbar, wie in den Regionen
       oder Distrikten. Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen
       führt Usbekistan auf ihrer Liste zur Pressefreiheit derzeit auf Platz 133
       von 180 untersuchten Ländern.
       
       Doch es gibt auch noch kritische Berichterstattung. In der vergangenen
       Woche veröffentlichte das private Medium Gazeta.uz einen Beitrag über
       Karakalpakstan – eine autonome Republik im Westen des Landes. Dort war es
       im Juli 2022 in der Hauptstadt Nukus bei Protesten zu gewalttätigen
       Zusammenstößen gekommen.
       
       ## Tödliche Unruhen
       
       Grund war das Vorhaben der Regierung, der Republik den Autonomiestatus
       abzuerkennen – eine Entscheidung, die wieder zurück genommen wurde. Bei den
       Unruhen kamen, offiziellen Angaben zufolge, 21 Menschen zu Tode.
       
       Laut der Gazeta.uz hätte das Blutvergießen verhindert werden können. Zudem
       habe eine staatliche Kommission noch nicht den geforderten Bericht zu den
       Vorfällen erstellt. Laut des Politanalysten Rafael Sattorow, den
       Eurasianet.org zitiert, sei die Kausa [2][Karakalpakstan] die tiefste
       politische Krise, seit Mirziyoyew im Amt sei. Und diese ist noch längst
       nicht ausgestanden.
       
       8 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Verfassungsreferendum-in-Usbekistan/!5931326
   DIR [2] /Demonstrationen-in-Usbekistan/!5862288
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Oertel
       
       ## TAGS
       
   DIR Usbekistan
   DIR Präsidentenwahl
   DIR Zentralasien
   DIR Präsidentenwahl
   DIR Usbekistan
   DIR Usbekistan
   DIR Usbekistan
   DIR Usbekistan
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Präsidentenwahl in Usbekistan: Durchmarsch für Mirziyoyew
       
       Bei der Präsidentenwahl in Usbekistan holt der Amtsinhaber über 87 Prozent
       der Stimmen. Oppositionelle Kandidat*innen durften nicht antreten.
       
   DIR Präsidentenwahl in Usbekistan: Durchmarsch nach Plan
       
       Der usbekische Staatschef Mirziyoyew hat einen erwartbaren Wahlsieg
       eingefahren. Hoffnungen auf einen demokratischen Wandel haben sich damit
       zerschlagen.
       
   DIR Verfassungsreferendum in Usbekistan: Noch ausbaufähig
       
       Die Verfassungsänderungen in Usbekistan sollen demokratische Reformen
       ermöglichen. Doch ob Präsident Mirziyoyew es ernst meint, wird sich erst
       zeigen.
       
   DIR Volksabstimmung in Usbekistan: Von wegen „neues Usbekistan“
       
       Eine Verfassungsreform, über die die Usbek*innen Sonntag abstimmen,
       würde die mögliche Amtszeit des Präsidenten verlängern. Er könnte bis 2040
       bleiben.
       
   DIR Demonstrationen in Usbekistan: Aufstand in Karakalpakstan
       
       In Usbekistan muss Präsident Mirzijojew nach Protesten mit mehreren Toten
       einlenken. Die Region Karakalpakstan darf ihren autonomen Status behalten.