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       # taz.de -- Filmemacherin Sander über Frauenrechte: „Femizide betreffen alle Schichten“
       
       > Die Filmemacherin Helke Sander ist eine scharfe Beobachterin der
       > Gesellschaft. Hier spricht sie über ihre Jahre in Finnland, über Frauen
       > und Krieg.
       
   IMG Bild: Ihre Rede bei einem SDS-Kongress 1968 führte zum Tomatenwurf auf Hans-Jürgen Krahl: Helke Sander
       
       Helke Sander ist bekannt für klare Fragen und direkte Antworten, luzide und
       schnörkellos. Zum Plaudern verführen, das funktioniert bei ihr kaum. Schon
       lange wollte ich sie interviewen, aber ihre Präzision hat mich
       eingeschüchtert. Jetzt treffe ich sie doch, in der alten Akademie der
       Künste in Berlin. 
       
       wochentaz: Frau Sander, „Aufräumen“ heißt ein [1][Film von Claudia Richarz]
       über Sie, der im Januar 2024 in die Kinos kommt. Neigen Sie zu Unordnung? 
       
       Helke Sander: Eigentlich bin ich mit der Zeit ordentlicher geworden. Und
       jetzt will ich nicht alles unsortiert hinterlassen. Ich weiß doch, wie viel
       Arbeit es ist, den Nachlass zu ordnen.
       
       Der Film beginnt beim Bestatter. Soll ich also genau das denken: dass Sie
       sich aufräumend auf den Tod vorbereiten? 
       
       Ja, so ungefähr.
       
       Sehen Sie die Notwendigkeit, sich auf den Tod vorzubereiten? 
       
       Was heißt vorbereiten. Es geht mehr um praktische Dinge; eine Beerdigung
       ist teuer und es gibt furchtbare Särge. Muslime können in Laken begraben
       werden. Das macht man bei Atheisten oder anderen Kirchengläubigen nicht. Da
       muss ein Sarg her. Das ist ungerecht.
       
       Sie sind 86 Jahre alt. Ihre Mutter wurde 99. 
       
       Ach, ich werde nicht so alt.
       
       Spüren Sie das? 
       
       Vielleicht. Die Probe aufs Exempel habe ich noch nicht gemacht.
       
       Ist der Tod in der Gesellschaft ein Tabu? 
       
       Für die einen ja, für die anderen nein.
       
       Sie haben viele Tabus in Ihrem Leben gebrochen. Warum? 
       
       Ich habe es nicht so empfunden, als breche ich Tabus.
       
       Wie denn? 
       
       Als Notwendigkeit, um weiter arbeiten zu können. Um überhaupt arbeiten zu
       können und Geld zu verdienen.
       
       Manche verdienen durch Anpassung Geld, Sie durch Konfrontation? 
       
       Das lag mir wahrscheinlich mehr.
       
       Mal ein Beispiel: Im September 1968 hielten Sie bei einem Kongress des
       Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) eine Schlüsselrede. Da
       forderten Sie die Männer auf, sich dafür einzusetzen, die
       Lebenswirklichkeit von Frauen zu verbessern. Sind Sie stolz auf diese Rede? 
       
       Ich wollte in aller Bescheidenheit, dass der SDS seine Politik auf die
       Frauen stützt. Ohne auch nur zu ahnen, dass das als große Frechheit
       verstanden wird. Ich dachte, das muss man doch sehen, dass die Situation
       der Frauen geändert werden muss. Ich war relativ naiv, weil ich tatsächlich
       geglaubt habe, die Männer würden ihre Politik umstellen und auf uns Frauen
       hören.
       
       Stattdessen wurden Sie ausgelacht? 
       
       Nicht von allen, aber ja, von vielen. Andererseits haben Frauen aus anderen
       Universitätsstädten, die in Frankfurt dabei waren, noch am selben Abend
       Frauengruppen gebildet.
       
       Nach Ihrer Rede wollten die Männer zur Tagesordnung übergehen. Hat der
       anschließende Tomatenwurf von Sigrid Damm-Rüger auf die Männer auf dem
       Podium etwas bewirkt? 
       
       Sigrid hatte sich dafür eingesetzt, dass ich die Rede überhaupt halten
       konnte. Die SDSler wollten sie vorher lesen, ich lehnte das ab, sagte, es
       sei eine Überraschung. Sigrid hat gesagt, wenn ich nicht sprechen dürfe,
       komme sie mit Buttersäure. Das hat mir schwer imponiert.
       
       Die Geburtsstunde der neuen Frauenbewegung sei diese Rede und der
       Tomatenwurf gewesen, heißt es oft. 
       
       Das stimmt schon, das war der Anfang, obwohl wir zuvor, also im Januar
       1968, bereits den Aktionsrat zur Vorbereitung der Befreiung der Frauen
       gegründet hatten. Bei der ersten Sitzung waren so hundert Frauen und ein
       paar Männer dabei. Es ging darum, Kinderläden zu gründen als Selbsthilfe
       von Frauen und auch, um an den politischen Auseinandersetzungen teilhaben
       zu können.
       
       Sie waren, als dieser Aufbruch stattfand, alleinerziehende Studentin und
       arbeiteten nebenbei als Übersetzerin und Sekretärin. Zuvor waren Sie
       bereits als Regisseurin in Finnland tätig gewesen. Waren diese Erfahrungen
       wichtig – auch für Ihr späteres filmisches Schaffen? 
       
       Ja und nein. Ich hatte vorher viel in Finnland gemacht. Vor allem Theater.
       Experimentelles. Happenings. Aber ich habe auch Volksstücke inszeniert. Ich
       war reisende Regisseurin für die finnischen Arbeitertheater. Außerdem war
       ich zwei Jahre Redakteurin bei einem finnischen Fernsehsender. Als ich nach
       Deutschland zurückging, konnte ich nur staunen ob der Schwierigkeiten, die
       mir als Frau mit Berufserfahrung in den Weg gelegt wurden. In Finnland
       hatte ich das gar nicht erlebt.
       
       Wie erklären Sie sich das? 
       
       Ich hatte mit meinen Filmen immer Schwierigkeiten. Finnland war das erste
       Land der Welt, in dem Frauen das aktive und passive Wahlrecht hatten. Die
       Gleichstellung war dort viel weiter. Gemerkt hat man das daran, dass es
       etwa Busfahrerinnen gab, es gab auch eine Theaterintendantin. Also Frauen
       waren in Berufen, die in Deutschland für sie in der Nachkriegszeit nicht
       zugänglich Ich hatte mit meinen Filmen immer Schwierigkeiten. Das hat mich
       beeinflusst.
       
       Sie hatten sich 1959, mit 21 Jahren, in den finnischen Schriftsteller
       Markku Lahtela verliebt und sind nach Finnland gezogen. 
       
       Ja, weil ich schwanger war.
       
       Mussten Sie heiraten, weil Sie schwanger waren? 
       
       Ich wollte nicht heiraten, aber das war alles sehr schwer, und dann wurde
       ich auch sehr nett aufgenommen von der Familie in Finnland.
       
       Wenn Sie von Finnland erzählen, klingt es so, als hätten Sie in unglaublich
       kurzer Zeit sehr viel machen können. 
       
       Das stimmt. Aber ich hatte auch Unterstützung. Ich habe meine erste Regie
       am Studententheater in Helsinki gemacht. „Hinkemann“ von Ernst Toller. Und
       ich hatte wahnsinnig gute Kritiken. Man hat vom neuen deutschen Regietalent
       geschrieben. Ich hatte davor ja noch nie gesehen, wie man überhaupt Regie
       macht, konnte danach aber inszenieren, was ich wollte.
       
       Zuvor hatten Sie Schauspielunterricht bei Ida Ehre. Ehre war ja
       Schauspielerin, Holocaustüberlebende und eröffnete nach dem Krieg die
       Hamburger Kammerspiele. Haben Sie bei ihr vielleicht gesehen, wie
       Theaterregie geht? 
       
       Ich war nur ungefähr eineinhalb Jahre bei ihr. Meine Eltern hatten übrigens
       vehement etwas dagegen, dass ich Schauspielerin werde.
       
       Zeichnet Sie aus, dass Sie trotzdem machen, was Sie für richtig finden? 
       
       Weiß ich nicht, aber auf jeden Fall habe ich es so gemacht.
       
       Warum sind Sie nach sechs Jahren in Finnland zurück nach Deutschland
       gegangen, alleinerziehend und mittellos? 
       
       Über Geld habe ich mir keine Gedanken gemacht. Wenn ich vor der Situation
       stand, habe ich wie wahnsinnig gearbeitet. Ich habe dann alles gemacht. Ich
       bin in Wuppertal mal durch die Prüfung als Straßenbahnschaffnerin gefallen,
       weil ich nicht schnell genug Kopfrechnen konnte. Das hat mich schwer
       getroffen.
       
       War Ihre Rückkehr nach Deutschland Flucht oder Aufbruch? 
       
       Beides.
       
       Vor was sind Sie geflüchtet? 
       
       Einerseits war die Ehe aus. Andererseits hat mich Finnland bereichert durch
       die Menschen, die ich kennenlernte, vor allem die Frauen. Weil sie viel
       selbstständiger waren, als ich das von meiner Mutter und ihren Freundinnen
       kannte. Obwohl die Mütter und Frauen uns alle doch durch den Krieg gebracht
       hatten. Das war so ein Bruch, die Kriegszeit, die Nachkriegszeit und dann,
       als die Männer, die übrig geblieben waren, langsam wieder aus der
       Gefangenschaft kamen. Wo den Frauen dann die ganze Selbstständigkeit wieder
       weggenommen wurde.
       
       Also es war Flucht und Aufbruch. Aufbruch wohin? 
       
       Ich wollte selbst ein Theater gründen in Berlin. Ich bin rumgefahren in
       verschiedene Städte in Deutschland und habe mir die Theater angeguckt und
       fand das dermaßen langweilig, was da geboten wurde. Da war ich
       desillusioniert. Auch deshalb, weil ich merkte, ich kann es mir gar nicht
       leisten, ein Theater zu gründen. Dann habe ich zufällig gehört, dass
       [2][die Filmakademie in Berlin, die DFFB], aufmacht. Film hat mich sowieso
       mehr interessiert. Da wurde ich angenommen.
       
       In Ihren Filmen wird deutlich, dass Sie die Perspektive und die
       Lebenswirklichkeit von Frauen abbilden. 
       
       Ich habe als Frau Filme gemacht, wie Männer als Männer Filme machen. Männer
       fragt man nie, ob sie einen Film aus der Perspektive eines Mannes gemacht
       haben, aber da würde man echt fündig.
       
       Die DFFB war legendär, auch weil sie so politisch war und der
       Studentenbewegung verbunden. 
       
       Aber als ich anfing, 1966, gab es die Studentenbewegung noch nicht. Die kam
       erst mit dem [3][Tod von Benno Ohnesorg] in Fahrt.
       
       Waren Sie damals auf der Demo, wo Ohnesorg erschossen wurde? 
       
       Ja, ich war mit meinem Sohn vor dem Schöneberger Rathaus. Weil der sich
       aber fürchtete und ich auch, sind wir bald nach Hause gegangen.
       
       Wie hat das auf Sie gewirkt, als Sie hörten, da ist einer erschossen
       worden? 
       
       Mein Bruder war befreundet mit dem Schriftsteller Bernward Vesper, der mit
       Gudrun Ensslin, die später zur RAF gehörte, einen gemeinsamen Sohn hatte.
       Der hat uns besucht und davon berichtet. Am nächsten Tag habe ich auch eine
       Rose auf den Platz gelegt. Dieser Mord hat uns wahnsinnig erschüttert.
       
       In Ihren Filmen, die Sie bald machten, thematisieren Sie die Lage von
       Frauen. Etwa dieses Gefühl von Müttern, keine Zeit für sich zu haben. Oder
       Sie zeigen die direkte und subtile Übergriffigkeit von Männern. Und den
       männlichen Blick. Die Abwertung des Weiblichen. Auch, dass Mütter ihren
       Kindern nie genügen. Wie sind Sie vorgegangen? 
       
       Intuitiv.
       
       Die Filme sind sehr subtil, dokumentarisch kühl und gleichzeitig in ihrer
       Reduziertheit sinnlich. Sind die Filme damals wahrgenommen worden? 
       
       Schon, aber eben kontrovers. „Eine Prämie für Irene“, der das Leben einer
       Fabrikarbeiterin zeigt, hat viel Widerstand hervorgerufen. Ich habe den
       damals an der Filmakademie gezeigt, da gab es viele ML-Gruppen,
       Marxisten-Leninisten, und da wurde mir vorgeworfen, ich würde die
       Arbeiterklasse spalten.
       
       Indem Sie zeigen, dass auch eine Arbeiterin von Arbeitern sexistische
       Anmache und Ausgrenzung erfahren kann? 
       
       Ich hatte mit meinen Filmen immer Schwierigkeiten. Das stimmt, das hat mich
       begleitet. Viele Filme, die ich vorbereitet hatte, sind aus dem Grund auch
       nie etwas geworden, weil sie nicht finanziert wurden.
       
       Konnten Sie mit den Filmen Geld verdienen? 
       
       Nein.
       
       Sie haben dann die Zeitschrift Frauen und Film gegründet, die es heute noch
       gibt. Stimmt es, dass Sie hofften, damit Geld zu verdienen? 
       
       Ja. Heute ist so eine Vorstellung lustig. Es war dann mit mehr Arbeit und
       noch weniger Geld verbunden. Die Redaktionssitzungen waren bei mir zu
       Hause.
       
       Gelang es durch die Zeitschrift, die filmschaffenden Frauen zu vernetzen? 
       
       Das ist uns wirklich gelungen. Es war eine mühselige Arbeit, deren Adressen
       im In- und Ausland zu finden und ihre Arbeiten überhaupt zugänglich zu
       machen.
       
       Sie spielen oft die Hauptrolle in Ihren Filmen. 
       
       Nur zweimal. Das Schwierige war doch, Schauspielerinnen zu finden, die sich
       gegen das herrschende Frauenbild wehrten. Bei einer Agentur wurden
       Schauspielerinnen in folgende Kategorien eingeteilt: bis 20 Jahre, 20 bis
       25 Jahre, 25 bis 30 Jahre, 30 bis 35 Jahre, „35 bis scheintot“. So wurde
       das gesagt. Schon wie sich die Schauspielerinnen fotografieren lassen
       sollten: über die Schulter nach oben schauend. Das ist eine Demutshaltung.
       
       Es gibt den Film „BeFreier und Befreite“, mit dem Sie ein großes
       politisches und gesellschaftliches Tabu brachen: die [4][massenhaften
       Vergewaltigungen an deutschen Frauen] nach dem Krieg. Wie kam es dazu? 
       
       1972 fing man in der US-amerikanischen Frauenbewegung an, über
       Vergewaltigung zu sprechen. Das hat mir jemand erzählt und ich dachte etwas
       hochmütig, na ja, da könnte ich auch was dazu sagen. Weil ich das als Kind
       noch mitgekriegt habe, als die Frauen von russischen Soldaten vergewaltigt
       wurden. Ich habe viele Geschichtsbücher gelesen, auch über die
       Nachkriegszeit, und da gab es immer nur diesen kurzen Satz: „Und dann gab
       es die Vergewaltigungen.“ Aber es wurde nie erwähnt, wie viele und ob man
       von Massenvergewaltigung reden konnte. Das herauszufinden hatte ich mir für
       Berlin vorgenommen. Was waren die Tatsachen und was war
       Kalte-Kriegs-Propaganda?
       
       Eine gute Frage. 
       
       Sie war mein Ansporn. Aber wie findet man heraus, wie viele es waren? Das
       war schwierig, denn nach 30 Jahren werden Akten in Behörden meist
       vernichtet. Ich habe in Krankenhäusern, bei Bezirksämtern, bei Ärzten,
       Apotheken und an allen anderen Orten gesucht, wo es Berichte etwa über
       Geschlechtskranke, über Geburten, Totgeburten, Selbstmorde geben konnte. Es
       war sehr disparates Material.
       
       Wie haben Sie das dann geordnet? 
       
       Die letzten zwei Jahre hat mir die Historikerin Barbara Jahr geholfen. Das
       gesammelte Material legten wir Gerhard Reichling vor, der Spezialist für
       Vertreibungsverbrechen im Westen und Osten war. Er kannte die ganze
       einschlägige Literatur und sagte uns, dass es zu diesem Thema bisher nichts
       Vergleichbares gab. Er hat das Material gesichtet und daraus geschlossen,
       dass mindestens 100.000 Frauen in Berlin nach dem Krieg vergewaltigt wurden
       und circa zwei Millionen in ganz Deutschland. Viele betroffene Frauen, mit
       denen wir sprachen, haben zum ersten Mal davon erzählt. Wir haben Hunderte
       von Frauen interviewt.
       
       Tradiert ist in privaten Erzählungen oft die gleiche Geschichte: Es gab
       Vergewaltigungen, aber mir ist nichts passiert. 
       
       Aber im Film wird das aufgebrochen. Ich habe auch nie gefragt, wie fühlten
       Sie sich, sondern: Wo fand die Vergewaltigung statt? In welchem Stockwerk?
       In welcher Straße? Wer war noch dabei? Das war alles sachlicher, deshalb
       haben die Frauen erzählt. Und dabei erkennt man auch Muster. Im fünften
       Stock war es eher selten, dass vergewaltigt wurde, die Russen gingen nicht
       gern in die oberen Stockwerke.
       
       Der Film kam 1992 raus. Finden Sie, dass das Thema Vergewaltigung im Krieg,
       ausgelöst durch Ihren Film, danach anders betrachtet wurde? 
       
       Denke ich schon. Als der Film rauskam, gab [5][es die Jugoslawienkriege].
       Da war man schon sensibilisierter, als die Vergewaltigungen, die dort
       geschehen sind, öffentlich wurden.
       
       Wenn Sie jetzt Bilder vom Krieg in der Ukraine sehen, was macht das mit
       Ihnen? 
       
       Die gucke ich mir nicht an. Ich kann diese Sachen nicht mehr ertragen.
       
       Sie haben die Bombardierung Dresdens 1945 miterlebt und überlebt. Sind aus
       einem brennenden Haus gesprungen. Ist der Krieg in der Ukraine eine
       Retraumatisierung? 
       
       Ich würde nicht von Retraumatisierung sprechen. Mir reicht es einfach.
       
       Sind Sie für Friedensverhandlungen um jeden Preis? 
       
       Ich finde wichtig, dass das aufhört. Es interessiert mich auch, was auf
       allen Seiten gelogen wird.
       
       Denken Sie darüber nach, einen neuen Film zu machen? 
       
       Nein. Nach „BeFreier und Befreite“ war es eigentlich aus. Ich habe keine
       Förderung mehr bekommen. Ich habe dann angefangen, Bücher zu schreiben.
       
       Was bereitet Ihnen Unbehagen, wenn Sie an die Frauenbewegung heute denken? 
       
       Was mich interessiert, sind diese unglaublichen Verbrechen, die nach wie
       vor an Frauen begangen werden. In Deutschland etwa die Femizide. Das sind
       nicht wenige und es betrifft alle Schichten der Gesellschaft. Oder dass
       sich die Weltbevölkerung in den letzten fünfzig Jahren verdoppelt hat. Das
       heißt doch, dass viele Frauen immer noch mehr Kinder kriegen sollen, als
       sie wollen. Trotz Frauenbewegung. Vor dem Hintergrund müsste man die
       Geschlechterfrage noch mal neu aufrollen.
       
       Zurück zum Film „Aufräumen“ vom Anfang des Gesprächs: Sie brechen darin
       nicht nur das Sterbetabu. Sie sagen auch sinngemäß, dass Sie davon
       ausgehen, dass die meisten Frauen in ihrem Leben sexuelle Übergriffe erlebt
       haben. Dass man die früher, mehr noch als heute, einfach wegsteckte und mit
       sich ausmachte. Und dann sagen Sie, dass auch Sie vergewaltigt wurden. War
       es schwer, das zu sagen? 
       
       Nein, das ist mir eher rausgerutscht. Ich sage auch, dass es einer vom
       Living Theatre, der politisch-anarchischen Theatergruppe war – und die
       waren so etwas wie Heilige. Deshalb konnte ich mir das gar nicht
       vorstellen, sondern, na ja … wie auch immer.
       
       23 Jul 2023
       
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