URI: 
       # taz.de -- Studie zu Gefahr durch Hitze: 60.000 Hitzetote in Europa
       
       > Ein Forschungsteam hat die Zahlen der Hitzetoten in Europa im Sommer 2022
       > ermittelt. Expert:innen fordern, gerade in Städten auf Prävention zu
       > setzen.
       
   IMG Bild: Nicht nur in Spanien steigen die Temperaturen und gefährden die Gesundheit
       
       Berlin taz/dpa | Mehr als 60.000 Menschen starben im Sommer 2022 in Europa
       aufgrund der Hitze. [1][Das berichtete ein Forschungsteam vom Barcelona
       Institute for Global Health (ISGlobal) im Fachmagazin Nature Medicine.]
       Deutschland hatte mit 8.173 Toten die drittmeisten Hitzeopfer zu beklagen,
       nach Italien (18.010 Tote) und Spanien (11.324 Tote).
       
       Auf die Einwohnerzahl gerechnet waren es hierzulande 98 Hitzetote pro eine
       Million Einwohner. Damit steht Deutschland unter 35 europäischen Staaten
       auf Rang 13. Spanien gehört mit 237 Hitzetoten pro eine Million Einwohner
       zu den am stärksten betroffenen Ländern, neben Italien (295), Griechenland
       (280) und Portugal (211).
       
       Der vergangene Sommer war der heißeste seit Beginn der
       Wetteraufzeichnungen. „Kleinkinder und alte Menschen sind besonders
       gefährdet, weil deren Herz-Kreislauf-System noch nicht beziehungsweise
       nicht mehr so stark ist, was aber nötig ist, um Schwitzen zu ermöglichen“,
       sagt Jürgen Kropp der taz. Er ist Leiter der Forschungsgruppe Urbane
       Transformationen am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und war
       nicht an der Studie beteiligt.
       
       Bei Senioren komme ein verringertes Durstgefühl hinzu, was dazu führe, dass
       sie oft zu wenig trinken. „Das Wichtigste ist, viel zu trinken, weil erst
       dadurch der Körper die Körpertemperatur durchs Schwitzen regulieren kann“,
       sagt Kropp.
       
       ## Hitze belastet vorerkrankte Körper zusätzlich
       
       Das Forschungsteam hat für die Studie die Zahlen der Hitzetoten über
       Datenanalysen und Computermodelle ermittelt. Als direkte Todesursache, etwa
       durch Hitzeschlag oder Sonnenstich, kommt Hitze nur selten vor – in
       Deutschland in durchschnittlich nur 19 Fällen pro Jahr, wie das
       Statistische Bundesamt kürzlich mitteilte.
       
       Um die Zahl der Hitzetoten zu ermitteln, sind die Forscher:innen deshalb
       auf die Auswertung von Todesfällen und den Vergleich zwischen heißen und
       weniger heißen Sommern angewiesen. Sterben in Wochen mit hohen Temperaturen
       mehr Menschen als in vergleichbaren Wochen in anderen Jahren, dann wird
       diese Übersterblichkeit als hitzebezogen angenommen. Zwar sind die meisten
       Hitzetoten an einer Vorerkrankung gestorben, doch die Hitze hat den Körper
       zusätzlich belastet.
       
       Der Forscher Joan Ballester und seine Kollegen werteten mehr als 45
       Millionen Todesfälle zwischen Januar 2015 und November 2022 aus, die über
       543 Millionen Europäer:innen in 35 Ländern repräsentieren. „Unsere
       Ergebnisse mahnen eine Neubewertung und Stärkung von
       Hitzeüberwachungsplattformen, Präventionsplänen und langfristigen
       Anpassungsstrategien an“, fordern die Studienautor:innen.
       
       ## Grünflächen, Wasser und Schatten kühlen
       
       Jürgen Kropp vom PIK sagt, es gebe [2][einige Maßnahmen] die die Politik
       vornehmen könne, um die Städte runterzukühlen. „Vor allem geschlossene
       Grünzüge können dazu beitragen. An heißen Tagen ist es im Grunewald in
       Berlin zum Beispiel 2 bis 3 Grad [3][kühler als in der Innenstadt].“
       Bereiche, in denen man sich von Hitzeerschöpfung erholen könne, seien
       wichtig. In Spanien etwa würden abends die Straßen mit Wasser besprengt, um
       die Städte durch Verdunstungskälte zu kühlen.
       
       Außerdem sei Verschattung in den Städten wichtig. Fußgängerzonen könnten
       beispielsweise mit Sonnensegeln bedeckt oder auch mit Bäumen bepflanzt
       werden. In Südeuropa sei das bereits üblich. Der Klimaforscher sagt, beim
       Bauen sollten Materialien verwendet werden, die isolierend wirken, wie
       Holz. „Fassaden zu begrünen hilft auch gegen Hitze, unter anderem durch die
       Wasserverdunstung der Pflanzen“.
       
       Hitze kommt immer häufiger vor. Der vergangene Sonntag war in diesem Jahr
       in Deutschland der bisher heißeste Tag. Die Höchsttemperatur wurde laut
       Deutschem Wetterdienst mit 38,0 Grad im baden-württembergischen
       Waghäusel-Kirrlach gemessen. In Europa drohen laut Experten auch wegen der
       [4][derzeit hohen Wassertemperaturen] im Nordatlantik verstärkt
       Extremwetterereignisse. Der Nordatlantik sei einer der wichtigsten Treiber
       extremer Wetterlagen sowohl in Europa als auch an der Ostküste
       Nordamerikas, erklärte die Weltwetterorganisation (WMO) am Montag.
       
       10 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.nature.com/articles/s41591-023-02419-z
   DIR [2] /Klimaanpassung-in-Hamburg-und-Bremen/!5942463
   DIR [3] /Studie-zu-Klimawandel-in-den-Staedten/!5738761
   DIR [4] /Globale-Durchschnittstemperatur-steigt/!5942016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hanna Koban
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR klimataz
   DIR Gesundheit
   DIR GNS
   DIR Hitze
   DIR Geburt
   DIR Rekordhitze
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR IG
   DIR Was heißt Klimakrise auf Arabisch?
   DIR Rekordhitze
   DIR Obdachlosigkeit in Hamburg
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Geburt und Klima: Bei Hitze mehr Frühchen
       
       Mit der Erderhitzung steigt das Risiko für Frühgeburten. Warum genau wird
       derzeit noch diskutiert: Für Mütter und Kinder kann das gefährlich werden.
       
   DIR Studie zu Hitze auf der Nordhalbkugel: Ja, das ist die Klimakrise
       
       In vielen Regionen war es zuletzt sehr heiß. Vielerorts wäre solches Wetter
       ohne von Menschen verursachte Treibhausgase praktisch nicht möglich
       gewesen.
       
   DIR Waldbrände in Griechenland: Feuerwehr hat Brände nicht im Griff
       
       Die Waldbrände in Griechenland fordern die Rettungskräfte aufs Äußerste.
       Hunderte Feuerwehrleute kämpfen in drei Gebieten gegen die Feuer.
       
   DIR Globale Hitzewelle: Nur die Spitze des Heißbergs
       
       Weltweit bricht wettertechnisch derzeit ein Rekord den nächsten. Ob in
       Kanada, China oder Ägypten. Wie gut kommen wir durch den Sommer?
       
   DIR Debatten über extreme Wärme: Die Hitzediktatur
       
       Die nächste deutsche Gesundheitskrise steht an. Sie dürfte der
       Coronapandemie ziemlich ähneln, zumindest was die politischen Diskussionen
       angeht.
       
   DIR Gesundheitsforscher über Hitzestress: Macht uns Hitze zu Zombies?
       
       Die Klimakrise könnte zu 250.000 Todesfällen pro Jahr führen. Und nicht nur
       Menschen leiden. Ein Gespräch mit Forscher Ali über Hitze, Arten und
       Permafrost.
       
   DIR Lauterbach startet „Hitzegipfel“: Erst die Hitze, dann der Plan
       
       Immer wieder Hitzerekorde, andere Länder Europas haben längst reagiert. Am
       Montag beginnen auch hierzulande Beratungen für einen Hitzeschutzplan.
       
   DIR Klimaanpassung in Hamburg und Bremen: Hitzeaktionsplan verschwitzt
       
       Hamburg und Bremen arbeiten an Konzepten, um mit den heißeren Sommern zu
       Rande zu kommen. Damit sind die Großstädte schon Jahre zu spät dran.