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       # taz.de -- Katastrophe in Frankreichs Weingebieten: Der Falsche Mehltau wütet
       
       > Das Bordelais stöhnt unter tropischen Wetterverhältnissen und einem nie
       > da gewesenen Pilzbefall in den Weinbergen. Viele Winzer:innen geben
       > auf.
       
   IMG Bild: Falscher Mehltau lässt die Trauben schrumpfen und vertrocknen
       
       Berlin taz | Die Weinberge in der Region von Bordeaux, [1][dem bekanntesten
       und größten Weinanbaugebiet der Welt], werden von einer Epidemie des
       Falschen Mehltaus in nie da gewesener Heftigkeit heimgesucht. Nach Zahlen
       der Landwirtschaftskammer der Gironde sind gegenwärtig 90 Prozent aller
       Weinstöcke des Bordelais befallen. Die Region hat Notruftelefone eingesetzt
       und den betroffenen Winzern psychologische Hilfen angeboten. Teilweise
       überfliegen Drohnen die Weinberge, um das Ausmaß der Katastrophe zu
       dokumentieren. Viele Betriebe haben alles verloren, sie werden in diesem
       Jahr keine Trauben ernten können, andere müssen mit massiven
       Ertragseinbußen rechnen. Neben dem Bordelais sollen in Teilen auch andere
       Anbaugebiete wie Bergerac, das Jura sowie die Weinregionen Irouleguy,
       Provence und Languedoc betroffen sein.
       
       Die tropisch-feuchten Wetterverhältnisse in Südfrankreich sind neben den
       riesigen Wein-Monokulturen die Ursache für den Pilzbefall. Der Falsche
       Mehltau, wissenschaftlich als Peronospora bezeichnet, ist eine gefürchtete
       Pflanzenkrankheit, die in den vergangenen Jahren [2][wegen des veränderten
       Klimas] stark zugenommen hat. In Deutschland hatten die Weinberge in den
       Jahren 2016 und 2021 massiven Befall, einige Betriebe meldeten Verluste von
       bis zu 50 Prozent. In diesem Jahr sind die deutschen Anbaugebiete in Sachen
       Mehltau bisher mit einem blauen Auge davongekommen, sagt Ernst Büscher vom
       deutschen Weinbau-Institut. Der Trockenstress durch fehlende Niederschläge
       sei aktuell das weitaus gravierendere Problem.
       
       Pilze lieben es feuchtwarm, und diese Witterungsverhältnisse herrschen
       schon seit Monaten im 110.000 Hektar großen Anbaugebiet des Bordelais.
       Morgens, so berichten betroffene Winzer, liege Tau auf den Blättern, dazu
       sei es häufig gewittrig mit starken Niederschlägen bei gleichzeitig hohen
       Temperaturen. Die Regenfälle Ende Juni hätten den ohnehin vorhandenen
       Mehltau noch einmal schlagartig geboostet, sagt Laurent Bernos, Direktor
       der Landwirtschaftskammer Gironde, jetzt habe er „stratosphärische Ausmaße“
       angenommen.
       
       Offenbar waren zunächst die Merlot-Rebstöcke befallen, inzwischen hat sich
       die Krankheit aber auch unter der etwas robusteren Rebsorte des
       Cabernet-Sauvignon ausgebreitet. Die Pilzkrankheit greift das Laub an. Es
       wird fleckig, an der Blattunterseite breitet sich ein Pilzrasen aus. Auch
       die Trauben werden attackiert, ein großer Teil der Beeren vertrocknet und
       schrumpft rosinenartig zu braun-harten Gebilden zusammen. Befallene Trauben
       können nicht geerntet werden, wenn Anfang September die Lese beginnt.
       
       ## Mit Kupfer und synthetischen Fungiziden gegen Pilze
       
       Zur Bekämpfung des Pilzbefalls werden in den Berichten der
       Landwirtschaftskammer und der französischen Onlinemedien kaum Angaben
       gemacht. Aber klar ist, dass die Winzer nicht kampflos kapitulieren werden.
       Schon Ende April hatte sich die Zahl der Anwendungen von
       Pflanzenschutzmitteln gegenüber dem gleichen Zeitpunkt des Vorjahrs
       verdoppelt. Der Falsche Mehltau wird mit Antipilzmitteln bekämpft, das sind
       neben traditionellen Kupferverbindungen, die auch im Bio-Anbau erlaubt
       sind, vor allem synthetisch hergestellte Pestizide mit fungizider Wirkung.
       
       Wegen des intensiven Pestizideinsatzes in der Region ist das Bordelais in
       der Vergangenheit schon mehrfach in die Kritik geraten. Im November 2020
       waren die beiden Weingüter Castel la Rose und Château de Barbe wegen
       unsachgemäßen Pestizideinsatzes zu Geldstrafen verurteilt worden. Auf einem
       Schulhof in der Nähe ihrer Weinberge hatten sich Schüler beim
       Gesangsunterricht im Freien übergeben müssen, sie bekamen Hautausschläge
       und beklagten Übelkeit.
       
       Die französische Bürgerinitiative „Giftalarm“, angeführt von der
       Winzertochter Valerie Murat, hat wiederholt Rückstandsmessungen bei
       Bordeaux-Weinen veranlasst und dabei 28 verschiedene Substanzen gefunden
       mit teils krebserregenden, teils hormonellen oder erbgutverändernden
       Wirkungen. Die Winzer des Bordelais seien „süchtig nach Pestiziden“ hatte
       sie in einer aggressiven Presseerklärung geschrieben und war daraufhin im
       Februar 2021 wegen Verleumdung und übler Nachrede zu einer Geldstrafe von
       125.000 Euro verurteilt worden. Die Berufungsverhandlung steht noch aus.
       
       Die aktuelle Mehltau-Epidemie verschärft die ohnehin bestehende
       wirtschaftliche Krise der Bordeaux-Winzer. Neben den gehypten
       Top-Weingütern, die nach wie vor astronomische Preise für ihre Gewächse von
       1.000 Euro und mehr je Flasche erzielen, gibt es Heerscharen von kleinen
       Winzern in den Randgebieten, denen es zunehmend schlecht geht. Eine Umfrage
       der Landwirtschaftskammer Gironde offenbarte, dass 1.320 Weinbaubetriebe
       nach Selbstauskunft in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken. Jeder
       dritte von ihnen will aufgeben.
       
       24 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Manfred Kriener
       
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