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       # taz.de -- DFB-Auswahl vor dem ersten WM-Spiel: Nicht übers Wetter reden
       
       > Nach einem Monat Vorbereitung startet das deutsche Team gegen Marokko
       > Turnier. Der Bundestrainerin schwant ein schweres Spiel.
       
   IMG Bild: Mit Köpfchen: Alexandra Popp beim Abschlusstraining
       
       Melbourne taz | Als die deutschen Fußballerinnen mit dem Bus auf der
       nördlichen Seite des Yarra-Ufers zwischen wolkenverhangenen Hochhäuser in
       den Melbourne Park abbogen, bot sich trotz des trüben Wetters an diesem Tag
       ein durchaus imposanter Anblick: Das Flutlicht in der riesigen Schüssel des
       Melbourne Cricket Ground strahlte, die Tennis-Spielstätten der Australian
       Open mit der Rod-Laver-Arena lagen durchaus erhaben da, während in der
       John-Cain-Arena eine A-League-Partie der Männerfußballer des Melbourne
       City FC lief.
       
       Der Bus hat das deutsche Frauen-Nationalteam dann zum Abschlusstraining in
       den Albert Park gebracht, wo auch die Formel 1 einmal im Jahr beim Grand
       Prix jede Menge Treibstoff verbrennt. Die DFB-Frauen bestreiten ihr erstes
       WM-Gruppenspiel gegen Marokko (Montag 10.30 Uhr MESZ/ZDF) im Rectangular
       Stadium, das sich fast bescheiden in dieses eindrucksvolle Areal für
       Spitzensport schmiegt.
       
       [1][Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg] gab für die offensiv
       formulierte Titelmission eine simple Sehnsucht aus, um eine erste Duftmarke
       bei diesem Turnier zu hinterlassen. Möge man bei der WM „hoffentlich
       wiederholen, was uns bei der EM ausgezeichnet hat“. Für alle, die es
       vielleicht vergessen haben, zählte die Bundestrainerin die wichtigsten
       Attribute noch einmal auf: ein Ensemble, das „aggressiv, intensiv und
       attraktiv“ agiert, einen „mutigen, selbstbewussten, aktiven Fußball
       spielt“. Die gute Kaderqualität, so ihr Argument, gebe das her.
       
       Trotz aller Lebenserfahrung war der 55-Jährigen einige Anspannung
       anzumerken: [2][Dafür verlief das Länderspieljahr zu durchwachsen], dafür
       fehlen vermutlich zu wichtige Spielerinnen. Die im schwarzen Blazer und
       beigen Bluse zur Pressekonferenz erschienene Fußballtrainerin war nicht
       ansatzweise bereit, die möglichen Ausfälle von Marina Hegering
       (Fersenprellung), Lena Oberdorf (Oberschenkel) und Sjoeke Nüsken
       (Bänderdehnung) zu bestätigen.
       
       „Ich kann nur sagen, es werden alle Spielerinnen im Kader sein“, lautete
       ihre dürftige Auskunft. Es soll jedenfalls keine Akteurin auflaufen, bei
       der ein Restrisiko besteht. „Alles andere wäre nicht schlau – wir wollen
       mehr als nur ein Spiel machen.“ Die als 24. Kaderkraft nominierte Janina
       Minge vom SC Freiburg soll nach der Marokko-Partie zurückreisen, weil der
       DFB-Kader mit 23 Spielerinnen nun endgültig ist.
       
       ## Großer Auftrag
       
       Die Trainerin kennt ihren Großauftrag bei dieser Weltmeisterschaft. „Wir
       wollen wie im letzten Jahr, eigentlich wie immer, die Menschen mitnehmen,
       emotionalisieren.“ Gerne auch: Lächeln schenken, Werte darstellen.
       Erwartungshaltung und Aufmerksamkeit sind ungleich größer als vor der WM
       2019. Als jenes Turnier begann, war sie erst ein halbes Jahr im Amt. Jene
       Frankreich-Erfahrung begann mit einem schwer erkämpften (und wegen des
       Zehenbruchs von Spielmacherin Dzsenifer Marozsan sehr teuer erkauften) 1:0
       gegen China.
       
       Ein solch zähes Ringen mit körperlichen Grenzerfahrungen kann es nun auch
       gegen die Nordafrikanerinnen wieder geben. Martina Voss-Tecklenburg hat da
       so eine Ahnung: „Wir erwarten einen sehr hartnäckigen Gegner, einen Gegner,
       der alles auf dem Platz lassen wird.“
       
       Am stärksten wirkte die Bundestrainerin mal wieder, wenn sie Botschaften
       verkündete, die über den WM-Auftakt der Deutschen hinausgingen. Der
       Weltmeister USA (3:0 gegen Vietnam), Europameister England (1:0 gegen
       Haiti) oder Weltranglistendritte Schweden (2:1 gegen Südafrika) hätten sich
       am Wochenende nicht zufällig vergleichsweise schwer getan.
       
       „Wenn man den Auftakt dieser WM gesehen hat, trifft genau das ein, was wir
       gesagt haben: Die ganze Welt im Frauenfußball ist enger zusammengerückt.“
       Warum das so ist, auch dafür hat sie eine Erklärung: weil mehr Spielerinnen
       die Möglichkeit hätten, „den Beruf der Fußballerin zu ergreifen, ihren
       Sport zu leben und lieben“.
       
       ## WM heute eine größere Herausforderung als früher
       
       Nun sei eine solche Weltmeisterschaft eine viel größere Herausforderung
       „als vor 20, 30 Jahren, als ich noch spielen durfte“. Und noch 2015 in
       Kanada war die Generation um Nadine Angerer, Annike Krahn oder Simone
       Laudehr im ersten WM-Spiel auf die Elfenbeinküste getroffen, doch das von
       Silvia Neid trainierte Ensemble spielte in Ottawa auf Kunstrasen Katz und
       Maus mit heillos überforderten Afrikanerinnen. Am Ende hieß es 10:0.
       
       Heutzutage gebe es keine derartigen Selbstläufer mehr, betonte Martina
       Voss-Tecklenburg. Gleichwohl: Ein Sieg gegen das Team aus Marokko, das in
       der Fifa-Weltrangliste auf Platz 72 geführt wird, muss Pflicht sein, zumal
       das DFB-Team danach gegen Kolumbien in Sydney (30. Juli) und gegen Südkorea
       in Brisbane (3. August) mehr gefordert werden dürfte.
       
       Erst einmal sind die Protagonisten froh, dass nach einem Monat
       Vorbereitung endlich, endlich der Startschuss ertönen wird. „Es fängt an,
       in den Beinen zu kribbeln“, berichtete Torhüterin Merle Frohms. Bereits am
       Sonntagmorgen war der Tross aus der „Einöde“ (Ersatzspielerin Lena
       Lattwein) in Wyong an der Central Coast mit dem Bus aufgebrochen, um
       anschließend über Newcastle nach Melbourne zu fliegen, wo der australische
       Winter unangenehm sein kann.
       
       Klagen über die weiten Wege und unterschiedlichen Witterungsverhältnisse an
       den Spielorten haben sich indes für Kapitänin Alexandra Popp verboten:
       „Unsere Gruppe hat Vor- und Nachteile. Wir haben aber ein gutes Los
       gezogen, was die Reisen angeht, da können wir uns nicht beschweren.“ Und
       über die Gegner und Spielorte eigentlich auch nicht.
       
       23 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Hellmann
       
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