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       # taz.de -- Bedrohte Spätis in Pankow: Cornern auf der Kippe
       
       > Der Bezirk Pankow will wegen Beschwerden von Nachbar*innen gegen
       > Sitzmöglichkeiten vor Spätis vorgehen. Die drohen mit einer Klage.
       
   IMG Bild: Spätis als Kieztreffs soll es nach dem Willen von Pankows Ordnungsstadträtin bald nicht mehr geben
       
       Berlin taz | Spätibetreiber Ibo aus der Danziger Straße ist aufgebracht.
       „Was haben die gegen uns?“, fragt er. Er verstehe nicht, weshalb der Bezirk
       Pankow jetzt Sonderregelungen für die Außenbestuhlung von Spätkäufen
       einführen will. „In anderen Bezirken machen alle, was sie wollen. Was soll
       das jetzt hier?“
       
       Dass es eine gemeinsame Lösung für Gewerbetreibende und Anwohnende geben
       soll, kann er sich nicht vorstellen: „Die wollen keine Lösung. Sonst hätten
       sie uns eingeladen und mit uns gesprochen.“ Das sei aber nicht passiert.
       „Und dann wundern sie sich über Kritik“, sagt er.
       
       Kritik hagelt es tatsächlich reichlich, aus nahezu allen politischen
       Lagern. Die Jusos sehen die Späti-Kultur als „wesentlichen Bestandteil des
       Berliner Lebens“ in Gefahr. Die FDP verweist auf die Eigenverantwortung der
       Betreiber*innen, zu später Stunde die Tische abzubauen, sollte es zu laut
       werden. Linke und Grüne argumentierten, Spätverkäufe seien günstige
       Freizeitorte.
       
       Ausgelöst hatte die Debatte Ordnungsstadträtin Manuela Anders-Granitzki
       (CDU), als sie Anfang Juli im BVV-Ausschuss für Mobilität und öffentliche
       Ordnung den Plan verkündete, gegen die Sitzmöglichkeiten vor den Pankower
       Spätis vorgehen zu wollen. Aus zwei Gründen: Einerseits seien vermehrt
       Beschwerden wegen Lärms und Wildpinkelns eingegangen. Andererseits schreibt
       das Mobilitätsgesetz „ausreichend Platz“ auf Gehwegen vor.
       
       ## Vorstoß der Ordnungsstadträtin „überraschend und bitter“
       
       Das von Anders-Granitzki geführte Straßen- und Grünflächenamt sei deshalb
       aktuell dabei, ein Sondernutzungskonzept für Ausnahmegenehmigungen zur
       Nutzung von Gehwegen auszuarbeiten. Eine taz-Anfrage zur Fertigstellung des
       Konzepts und zu Umsetzungsdetails ließ der Bezirk am Montag unbeantwortet.
       Auch genaue Zahlen zu eingegangenen Beschwerden teilte der Bezirk nicht
       mit.
       
       Für [1][Tuncer Karabulut vom Berliner Späti e.V.] kam der Vorstoß der
       Ordnungsstadträtin „sehr überraschend“. In den vergangenen Jahren habe der
       ehemalige Ordnungsstadtrat Daniel Krüger (damals parteilos, jetzt AfD) den
       Spätibesitzer*innen das Leben schwer gemacht. „Jetzt haben wir
       gedacht, dass es besser wird, aber ist genauso schlimm“, sagt Karabulut der
       taz.
       
       Bereits seit zwei Wochen sei das Ordnungsamt schon im Bezirk unterwegs und
       erteile den Spätverkäufen Verbote für die Außenbestuhlung. „Wirtschaftlich
       ist das sehr bitter“, sagt er. „Durch die Pandemie sind eh schon viele
       Spätis kaputtgegangen, und jetzt gibt es dieses neue Risiko.“
       
       ## Spätiverband droht mit Klage
       
       Besonders problematisch ist für ihn das „Allgemeinverbot“, das im Raum
       stehe, sagt er. Natürlich gebe es Betreiber*innen, die sich nicht an die
       Regeln halten. Aber es gebe eben auch viele, „die wollen ihre Nachbarn
       nicht stören, sorgen für Ruhe und dafür, dass Kunden auch die Toiletten
       benutzen können“.
       
       So auch er selbst: „Ich bin jetzt seit sechs Jahren hier in der Danziger
       Straße. Es gab nie Beschwerden von meinen Nachbarn. Im Gegenteil, viele
       kommen regelmäßig zu mir.“ Auch sein Verein setze sich für ein Miteinander
       zwischen Spätverkäufen und der Nachbarschaft ein. Für Karabulut ist deshalb
       klar, dass es eine gemeinsame Lösungssuche braucht statt des allgemeinen
       Verbots.
       
       Als Beispiel für individuelle Regelungen könnte Reinickendorf dienen. Wie
       aus einer RBB-Recherche hervorgeht, werden dort Sondergenehmigungen für
       Spätverkäufe individuell geprüft, sollten sich Beschwerden häufen.
       
       Sollte sich in Pankow keine einvernehmliche Lösung finden lassen, und das
       Verbot weiter wie geplant umgesetzt werden, wollen Karabulut und der
       [2][Späti e.V.] juristisch dagegen vorgehen. „Wir sind bereits mit unseren
       Anwälten im Gespräch“, sagt er.
       
       ## Viel Unterstützung auch aus der Nachbarschaft
       
       Die Spätis können dabei neben der Unterstützung aus der Politik auch auf
       die der Nachbarschaft hoffen. [3][Eine Petition gegen das Vorhaben der
       Ordnungsstadträtin] unterschrieben bis Montagnachmittag bereits über 3.000
       Menschen. „Spätis sind Subkultur“, sagt ein Künstler, der sich Starfeitel
       nennt und vor einem Späti an der Pappelallee sitzt, zur taz. Für ihn
       gehören sie zu Berlin und sind wichtig für das soziale Gefüge: „Die Spätis
       sind Nachbarschaftstreffs. Lkw-Fahrer, Tischler, Tontechniker,
       Versicherungsangestellte. Alle kommen hierher, setzen sich hin und tauschen
       sich aus.“
       
       Die Argumente gegen die Bestuhlung der Spätis kann der junge Mann nicht
       nachvollziehen. Er setzt auf die Eigenverantwortung der Besucher*innen:
       „Wenn hier Jugendliche mit Musikboxen laut sind, dann sagen wir ihnen, dass
       sie runterdrehen sollen.“
       
       25 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Berliner-Spaetkauflaeden/!5781543
   DIR [2] https://www.spaeti-ev.de/
   DIR [3] https://www.change.org/p/verbot-von-b%C3%A4nken-vor-sp%C3%A4tis-in-pankow-verhindern
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Bachmann
       
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