# taz.de -- Kurzbesuch im WM-Quartier: Tolles Kaff
> Das deutsche Team ist nahe Sydney in Wyong kaserniert. Auf Dauer mag es
> ein öder Ort sein, die Atmosphäre aber ist von ganz besonderer Art.
IMG Bild: Wenig los und zufrieden damit: Das Örtchen Wyong und deren Bewohner versprühen ein besonderes Flair
Wenn deutsche Nationalteams zu Weltmeisterschaften reisen, kaserniert man
sie üblicherweise an irgendeinem Ende der Welt. Die Spieler:innen sollen
Enthaltsamkeit von weltlichen Verlockungen üben, den Fußball studieren wie
der Mönch die Bibel. Manche Enden der Welt verklärt man nachträglich zum
Paradies ([1][Campo Bahia]), andere eher nicht (Watutinki).
Für Journalist:innen hat diese Klosterpolitik den Vorteil, dass man
Orte sieht, die man sonst nie betreten hätte. Also: Wyong. Im Gegensatz
[2][zum erdrückend spießbürgerlichen Brentford] bei der England-EM ist
Wyong, zwei Stunden von Sydney, ein durchaus erfreuliches Kaff.
Ich kann nicht genau sagen, was ich daran mag. Es ist vielleicht die
Mischung aus runtergerockt und möchtegern-mondän, widersprüchliche Welten
entlang einer einzigen Straße. Sportwetten-Pubs mit Folkloremusik neben
polierten Hipster-Restaurants, das Flair von Autowerkstätten, Pick-ups und
Trailerparks unter Palmen mit singenden bunten Vögeln. Wenig los und
zufrieden damit. Meist jedenfalls.
„Eigentlich mache ich nichts mehr außer Arbeit, seit ich hier bin“, klagt
die Tochter des italienischen Restaurantbesitzers. Wir kommen ins Gespräch
über das, was wir beide unmöglich finden: Die Tatsache, dass man hier schon
um 18.30 Uhr essen gehen muss. Für sie als Italienerin ein Sakrileg.
„Früher in Italien saßen wir nachts immer auf der Straße, haben noch ein
Eis gegessen, es war immer was los.“ Aus einem Dorf in der Toskana stammt
sie, vor der Pandemie kam sie als Teenagerin mit der Familie nach Wyong.
## Sehnsucht nach der Heimat
Seitdem war sie nicht mehr zurück – man konnte halt nicht reisen und
außerdem könne man ja ein Familienrestaurant nicht einfach schließen. Dass
sie die Heimat vermisst, muss sie nicht extra sagen. „Früher war ich
ziemlich wild. Jetzt wahrscheinlich noch mehr, hier kann man halt nichts
machen.“ Als Daueraufenthalt scheint Wyong eher nicht empfehlenswert. Sie
überlege, wieder wie in Italien ein Volleyballteam zu suchen. Fußball? „Als
Mädchen auf dem Dorf kam mir nie in den Sinn, dass Frauen das können.“
Nun findet sie es cool, dass die WM hier stattfindet – und dass das
deutsche Team in Wyong gastiert. [3][Die Nationalelf nämlich], erzählt sie
grinsend, habe hier angefragt. „Mein Vater war platt, als diese
Teambetreuer in den schicken Outfits kamen.“ Aber er habe ablehnen müssen;
ein ganzer Kader hier in dem kleinen Restaurant, das gehe nicht. Seitdem
hat sie schon Lust, ein bisschen WM zu gucken und ihr Team zu supporten.
Das natürlich nicht Australien heißt, sondern Italien. Wie konnte ich
fragen. „Aber jetzt, wo du hier warst“, eröffnet sie herzig, „kann ich ja
auch für Deutschland sein.“ Klosterpolitik als DFB-Werbekampagne. Und
Stadtförderung.
Mit Wyong, glaubt meine Gesprächspartnerin, gehe es allmählich aufwärts.
„Vor ein paar Jahren war es hier ein bisschen zwielichtig, jetzt bemüht
sich die Kommune echt, was zu machen.“ Dann veranlasst sie den Koch, mir
zur für Wyong späten Stunde noch ein Versorgungspaket mit Pasta zu machen.
27 Jul 2023
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## AUTOREN
DIR Alina Schwermer
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