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       # taz.de -- Zahlen des Statistischen Bundesamts: Politikum Kinderarmut
       
       > 2022 waren in Deutschland 2,2 Millionen Kinder von Armut bedroht. Die
       > Zahlen sind auch mit Blick auf den Streit um die Kindergrundsicherung
       > aktuell.
       
   IMG Bild: Beim Wettrennen haben alle Kinder die gleichen Startbedingungen
       
       Berlin taz | Ob ein Kind in Armut aufwächst, hängt auch vom Bildungsgrad
       der Eltern ab. So lag 2022 die Armutsgefährdungsquote von Kindern, deren
       Eltern über einen Haupt- oder Realschulabschluss als höchsten Bildungsgrad
       verfügten, bei 36,7 Prozent.
       
       Entsprechende Zahlen [1][veröffentlichte am Mittwoch das Statistische
       Bundesamt]. Haben die Eltern eine Berufsausbildung oder Abitur, lag die
       Quote nur bei 14,5 Prozent. Kinder von Eltern mit Meistertitel oder Studium
       waren mit 6,7 Prozent am wenigsten gefährdet. Insgesamt waren 2022 in
       Deutschland 2,2 Millionen Kinder armutsgefährdet.
       
       Mit 14,8 Prozent lag die Gesamtquote leicht unter der des Vorjahrs (16,4
       Prozent). Als „armutsgefährdet“ gelten Personen, die über weniger als 60
       Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügen. Andere
       Untersuchungen [2][wie etwa der Mikrozensus] kommen auf höhere Werte – für
       2021 etwa auf 21,3 Prozent.
       
       Dass Bildungsgrad und Armut zusammenhängen, sei „eine absolute Binse“,
       sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen
       Gesamtverbands, der taz. Die neuen Zahlen stünden aber in einem politischen
       Kontext: [3][Die Ampelkoalition streitet seit Monaten über die Finanzierung
       der geplanten Kindergrundsicherung.] Bundesfinanzminister [4][Christian
       Lindner (FDP) hatte im April betont], der Schlüssel im Kampf gegen
       Kinderarmut sei nicht mehr Geld für Familien, sondern mehr Bildung.
       
       ## Kinder auf der Flucht
       
       Anfang der Woche hatten [5][FAZ und dpa unter Berufung auf die
       Bundesagentur für Arbeit berichtet], die Zahl der Kinder im Bezug
       staatlicher Grundsicherung stagniere seit 2015 – doch der Anteil
       ausländischer Kinder sei deutlich gestiegen. Diese machten inzwischen knapp
       48 Prozent der Kinder im Bürgergeld aus, während es 2015 bei Hartz IV rund
       19 Prozent gewesen seien.
       
       „Seit 2015 kamen mehr als 300.000 Kinder aus Syrien, Irak, Afghanistan und
       anderen Asylherkunftsländern sowie, seit 2022 mit Beginn des russischen
       Angriffskriegs, rund 270.000 Kinder aus der Ukraine hinzu“, schrieb die
       FAZ. [6][Die B.Z. schlussfolgerte], „Armutszuwanderung“ sei Schuld daran,
       dass so viele Kinder im Bürgergeldbezug seien – und dass die
       Kindergrundsicherung letztlich die „versteckten Kosten der unkontrollierten
       Migration“ auffange.
       
       Eine These, die Ulrich Schneider vom Paritätischen als „absolut zynisch“
       bezeichnet. „Schauen Sie sich an, was in der Ukraine passiert – da wird
       gemordet, Zivilisten werden erschossen. Dass man das jetzt vorbringt, um zu
       behaupten, mit der Kindergrundsicherung ziehe man irreguläre Migration an,
       kann ich nicht nachvollziehen.“ Wenn Kinder in Armut lebten, müsse man
       damit umgehen – unabhängig vom Aufenthaltstitel, so Schneider. Für ihn sei
       das nur ein weiteres Argument für die Kindergrundsicherung.
       
       Auch die migrations- und familienpolitische Sprecherin der Linksfraktion im
       Bundestag kritisiert die Darstellung der B.Z. „Wenn [7][der Nachname nach
       wie vor über Bildungschancen und damit auch über Einkommensverhältnisse
       entscheidet], dann sind das keine ‚versteckten Kosten‘, sondern ein
       gesellschaftliches Problem“, sagte Gökay Akbulut der taz. Eine
       Kindergrundsicherung sei deshalb ebenso überfällig wie ein
       diskriminierungsfreier Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt.
       
       26 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/07/PD23_N045_63.html
   DIR [2] https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61785/ausgewaehlte-armutsgefaehrdungsquoten/
   DIR [3] /Grundsicherung-fuer-Kinder-kommt-per-Post/!5941951
   DIR [4] https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/kindergrundsicherung-lindner-fuer-mehr-bildung-statt-geld,Tafv5Br
   DIR [5] https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/knapp-zwei-millionen-kinder-auf-buergergeld-angewiesen-19051726.html
   DIR [6] https://www.bz-berlin.de/meinung/kolumne/kolumne-mein-aerger/wenn-wir-von-kinderarmut-reden-sollten-wir-sagen-wen-wir-meinen
   DIR [7] /Studie-zu-Schulabbrecherinnen/!5916167
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dinah Riese
       
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