URI: 
       # taz.de -- Flüchtlinge auf dem Atlantik vermisst: Drei Boote weiterhin nicht gefunden
       
       > Spanische Retter haben vor den Kanaren 78 Bootsflüchtlinge gefunden, 300
       > werden noch vermisst. Die Todeszahlen steigen rasant.
       
   IMG Bild: Glück gehabt, diese Bootsflüchtlinge wurden von spanischen Helfern vor den Kanaren gefunden
       
       Berlin taz | Ein weiteres Flüchtlingsdrama im Atlantik lenkt erneute
       Aufmerksamkeit auf eine der längsten maritimen Fluchtrouten der Welt. Am
       Dienstag wurden immer noch drei Boote aus Senegal auf dem Weg zu den zu
       Spanien gehörenden Kanaren vermisst, samt ihrer auf etwa 300 geschätzten
       Passagiere.
       
       Spanische Retter hatten am Montag vor den Kanaren [1][zwar ein Boot mit 78
       Menschen aufgegriffen], die sie auf die Insel Gran Canaria in die Obhut des
       Roten Kreuzes brachten, aber entgegen ersten Berichten handelte es sich
       nicht um eines der drei Boote, deren Verschwinden die spanische
       Hilfsorganisation Caminando Fronteras zuvor gemeldet hatte.
       
       Nach Angaben der Organisation hatte ein Boot mit 200 Passagieren am 27.
       Juni im senegalesischen Hafen Kafountine abgelegt. Zwei weitere Boote mit
       jeweils 50 und 60 Menschen waren kurz zuvor vom gleichen Hafen
       aufgebrochen. Von allen fehlt jeder Spur.
       
       Die [2][Migrationsroute aus Westafrika über den Atlantik auf die Kanaren]
       wird seit Jahrzehnten genutzt, obwohl Boote zwischen Senegals Hauptstadt
       Dakar und den Kanaren rund 1.500 Kilometer übers Meer fahren müssen.
       
       Die Alternative, der Landweg nach Norden, ist meist unpraktikabel. Weder
       die Grenze von [3][Senegal] nach Mauretanien noch die von Mauretanien in
       die von Marokko annektierte Westsahara ist problemlos passierbar. Dass
       Flüchtlinge auf marokkanischem Gebiet landen, wird größtenteils
       systematisch verhindert und aufgegriffene Schwarzafrikaner werden
       deportiert.
       
       ## Fluchtursache in Senegal
       
       Die neuerdings wieder zunehmende Beliebtheit des Seeweges spiegelt sich in
       rasant steigenden Todeszahlen wider: Im Jahr 2022 registrierte die
       UN-Migrationsbehörde [4][IOM auf der Atlantikroute 559 Ertrunkene], in der
       ersten Hälfte 2023 bereits 778, davon allein im Juni 332; die Dunkelziffer
       dürfte hoch sein.
       
       Spaniens Polizei hilft Senegal dabei, die illegale Ausreise zu erschweren –
       und das zwingt Migranten auf abseitige Routen. Aus dem Hafen Kafountine im
       Südteil Senegals, der vom Rest des Landes durch Gambia getrennt ist,
       beträgt die Entfernung zu den Kanaren sogar 1.700 Kilometer.
       
       In der Region Casamance, zwischen Gambia und Guinea-Bissau, sind
       Rebellengruppen aktiv und treiben Menschen in die Flucht. Außerdem ist das
       die [5][Heimat von Senegals Oppositionsführer Ousmane Sonko], dessen
       Anhänger Repressalien ausgesetzt sind. Einige sollen sich unter den jetzt
       vermissten Bootsflüchtlingen befinden. Auch viele Migranten aus
       Nachbarländern reisen aus Kafountine ab.
       
       Kafountine erlangte im Juni 2022 traurige Berühmtheit, als ein Fischerboot
       mit 140 Passagieren direkt bei der Abfahrt kenterte und 15 der 140
       Passagiere ertranken. Im Dezember explodierte ein Boot voller Migranten,
       als sich einer direkt neben dem Benzintank eine Zigarette anzündete. Nach
       solchen Vorfällen werden die Überlebenden meist von Senegals Polizei
       gejagt, verhaftet und deportiert.
       
       11 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Fluechtlingsboote-vor-Westafrika/!5946887
   DIR [2] /Fluchtroute-von-Afrika-auf-Kanaren/!5730523
   DIR [3] /Senegal/!t5017432
   DIR [4] /IOM-befuerchtet-Zunahme-von-Ungluecken/!5726380
   DIR [5] /Vergewaltigungsurteil-in-Senegal/!5934592
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Senegal
   DIR Kanaren
   DIR Spanien
   DIR Atlantik
   DIR Fluchtrouten
   DIR Migration
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Griechenland
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Migrationsroute über den Atlantik: 17 Leichen vor Dakar entdeckt
       
       Bei einem Bootsunglück vor der senegalesischen Küste sind wieder Migranten
       ums Leben gekommen. Das Boot sollte Richtung Kanarische Inseln unterwegs
       gewesen sein.
       
   DIR Griechenlands Justiz gegen Schlepper: Harte Urteile gegen Geflüchtete
       
       Prozesse gegen mutmaßliche Schmuggler in Griechenland dauern im Schnitt 37
       Minuten – und enden mit 46 Jahren Haft. Das zeigt eine aktuelle Studie.
       
   DIR Flüchtlingsboote vor Westafrika: Weiter rund 200 Menschen vermisst
       
       Mindestens 300 Menschen brachen vom Senegal aus auf, um die Kanaren zu
       erreichen. 86 sind bisher gefunden. Dutzende andere bleiben vermisst.​
       
   DIR Bootsunglück vor den Kanaren: 39 Menschen ertrunken
       
       Vor der spanischen Inselgruppe sind laut einer NGO 39 Menschen ums Leben
       gekommen. Die spanische Küstenwache bestätigt den Tod eines Minderjährigen.
       
   DIR Fluchtroute von Afrika auf Kanaren: Verloren im Atlantik
       
       Rund 400 Menschen kommen derzeit auf der Insel Gran Canaria an. Pro Tag.
       Doch viele Flüchtlingsboote verschwinden schon vorher im Ozean.