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       # taz.de -- Grenzmuseum Lübeck-Schlutup: Vom Alltag der Trennung
       
       > Ein Verein betreibt die Grenzdokumentations-Stätte Lübeck-Schlutup. Er
       > will zeigen, was die deutsch-deutsche Grenze für die Menschen bedeutete.
       
   IMG Bild: Einziger ehemaliger Grenzübergang auf Großstadtgebiet: das heutige Doku-Zentrum Lübeck-Schlutup
       
       Lübeck taz | Lübeck-Schlutup hat Weltgeschichte erlebt. An diesem
       Grenzübergang zwischen der Bundesrepublik und der DDR ist das doppelt
       erfahrbar: Der Name Schlutup bedeutet „Schließ auf“. Als die innerdeutsche
       Grenze am [1][9. November 1989] „aufschloss“, war die Freude in Lübecks
       kleinstem Stadtteil grenzenlos. Hier betreiben engagierte Bürger, die sich
       zu einem Verein zusammenschlossen, seit dem 9. November 2004 die
       Grenzdokumentations-Stätte Schlutup.
       
       Vor dem ehemaligen Zollgebäude ragt ein Stück eben jener Mauer auf, die
       seit dem 13. August 1961 auf 43 Kilometern Berlin teilte. Daneben steht ein
       grauer Trabant, der DDR-Kleinwagen. Ein großer Findling trägt die
       Aufschrift „SCHLUTUP – Getrennt 1945–1989“. Das Gebäude erinnert an eine
       übergroße Schuhschachtel mit erschreckend-abschreckender Umzäunung und
       einer akustischen Besonderheit: Der Holzbau ist mit Metall ummantelt und
       dadurch abhörsicher.
       
       Bernhard Nölle arbeitet ehrenamtlich für den Förderverein der
       Grenzdokumentations-Stätte. „Wir wollen zeigen, was die deutsche Teilung
       für die Menschen in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bedeutet
       hat.“ Nölle erzählt von seiner Tätigkeit und dem Engagement der rund 150
       Vereinsmitglieder und der Anstrengung, die Stätte zu betreiben, die eben
       kein staatlich gefördertes Museum ist.
       
       Schlutup mit seiner langen Fischerei-Tradition war der nördlichste
       Grenzübergang der Bundesrepublik. Die Grenze verlief durch die Lübecker
       Bucht, von der Ostsee bis zum Ratzeburger See und über weite Strecken
       entlang der Flüsse Trave und Wakenitz. Schlutup lag als einziger der 56
       Grenzübergänge auf dem Gebiet einer Großstadt. Für uns Lübecker war
       Schlutup eine Sackgasse, denn hinter der Grenzstation begann das
       Territorium der [2][DDR]. Doch konnten wir ab 1972 den „Kleinen
       Grenzverkehr“ nutzen.
       
       ## Tagesbesuche aus Lübeck
       
       Als Bürgerin Lübecks, und damit als einer der 56 grenznahen Stadt- und
       Landkreise der Bundesrepublik, eröffnete er mir Tagesbesuche in einem der
       54 „Nachbar“-Kreise der DDR – um Verwandte zu sehen oder einfach aus
       Neugier. Wie oft ich „drüben“ war, daran ich mich nicht mehr, wohl aber an
       die häufigen Besuche bei Tante Betty in Schwerin, den Mindestumtausch von
       25 DM in 25 Mark der [3][DDR], den ich meist für Bücher ausgab, für
       russische Klassiker und Bände der Marx-Engels-Werkausgabe. Noch heute habe
       ich meinen letzten „Berechtigungsschein“ mit Datum 3. August 1989.
       
       Die Dokumentationsstätte versammelt auf begrenztem Raum eine Fülle höchst
       unterschiedlicher Exponate – vom „Berechtigungsschein“ und anderen
       Regularien des „Kleinen Grenzverkehrs“ bis zu den Uniformen der
       Grenzbeamten hüben und drüben, Abhörgeräte und Warnschilder. Auf Fotos sind
       die ehemaligen Grenzanlagen zu sehen.
       
       In einem der Räume liegt ein Schlauchboot, und anhand von Kartenmaterial
       erschließt sich, wie die [4][risikoreiche Flucht] über das Schlutuper Wiek
       in den Westen gelang. Es gibt ein Regal mit Büchern zur deutsch-deutschen
       Geschichte. Im Untergeschoss verdeutlichen Dokumentarfilme die
       überschwängliche Stimmung im November 1989 nach der Grenzöffnung – den
       nicht abreißenden Trabi-Konvoi entlang der Mecklenburger Straße, den
       Begrüßungsjubel der Lübecker:innen.
       
       2019, beim Fest zum 30-jährigen Tag der Deutschen Einheit, schmettern
       Manuela Schwesig und Daniel Günther in Schlutup „Hinterm Horizont geht's
       weiter“ von Udo Lindenberg. Was wird sichtbar bleiben von der einstigen
       innerdeutschen Grenze, außer der Erinnerung? Was für eine Ironie übrigens,
       dass eben das Zollgebäude, das die Schlutuper Dokumentations-Stätte nutzt,
       erst 1979 wegen der DDR-Sondermülldeponie im nahen Schönberg errichtet
       wurde. Hier fertigte der Zoll die Mülltransporte ab, die der DDR Devisen
       einbrachten. Aber das ist eine andere deutsch-deutsche Geschichte.
       
       2 Sep 2023
       
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