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       # taz.de -- Politikwissenschaftlerin über Klimakrise: „Der Zusammenhalt ist unter Druck“
       
       > Die Klimabewegung hat Unterstützung verloren, ergab eine Umfrage im
       > Auftrag von Laura-Kristine Krauses Organisation. Warum?
       
   IMG Bild: Letzte Generation: Ist die Klimabewegung ihretwegen unbeliebt?
       
       taz: Frau Krause, Ihrer Umfrage zufolge hat die [1][Klimabewegung bei der
       deutschen Bevölkerung massiv an Sympathie verloren]. Was haben Sie
       herausgefunden? 
       
       Laura-Kristine Krause: Wir sehen in unseren Daten, dass die Menschen der
       Frage, ob sie der Klimabewegung grundsätzlich ihre Unterstützung geben,
       heute nur noch mit 34 Prozent zustimmen. Vor zwei Jahren waren es noch
       doppelt so viele.
       
       Sie haben auch nach einzelnen Aspekten gefragt, etwa ob die Klimabewegung
       offen auf „Leute wie mich und dich“ wirkt. 
       
       Uns interessiert besonders die Verbindung der Themen Klimaschutz und
       gesellschaftlicher Zusammenhalt. Heute sagen nur noch 29 Prozent unserer
       Befragten, dass die Bewegung offen ist dafür, dass Menschen wie sie selbst
       mitmachen, früher waren es 63 Prozent. Ein anderer wichtiger Punkt ist die
       Frage „Hat die Klimabewegung das Wohl der gesamten Gesellschaft im Blick“,
       die nur noch 25 Prozent bejahen statt wie vorher 60 Prozent. Wir sehen in
       all diesen Fragen dramatische Zustimmungsverluste.
       
       Auch die Frage „Spricht die Klimabewegung eine verständliche Sprache“
       verneinen die Befragten eher. Anscheinend ist der Eindruck einer
       geschlossenen, radikalen Gruppe mit eigener Sprache entstanden. 
       
       Wir dürfen nicht vergessen, dass es in Deutschland eine lange Tradition der
       Klima- und Umweltbewegung mit unterschiedlichen Schwerpunkten gibt. Der
       Fokus der öffentlichen Debatte hat sich dagegen in den letzten acht Monaten
       auf einzelne Akteure konzentriert. Vor zwei Jahren haben die Menschen die
       Klimabewegung stark mit [2][Fridays for Future] verbunden. Das war auch
       nicht kritikfrei, aber mit ihnen war das Thema endgültig in der Mitte der
       Gesellschaft angekommen. Heute denken die meisten an die [3][Letzte
       Generation].
       
       Auch der gesellschaftliche Kontext ist heute ein anderer – der
       [4][Ukrainekrieg], die Inflation … 
       
       Klar, wir sind gerade in einer Phase, wo die Menschen [5][größere
       materielle Sorgen haben als vor zwei Jahren]. Das sehen wir auch in unseren
       sonstigen Daten. Die meisten Menschen haben einen viel negativeren Blick
       auf Politik und Gesellschaft, der gesellschaftliche Zusammenhalt ist unter
       Druck. Der Ukrainekrieg hat auch die Klimadebatte befeuert, das zeigt sich
       etwa beim Heizungsgesetz. Trotzdem: Heute stehen Bewegungsakteure im Fokus,
       die als antagonistischer wahrgenommen werden als FFF, und die auf das
       Stören des Alltags abzielen.
       
       Menschen stimmen der Klimabewegung eher zu, wenn sie auf eine nette und
       freundliche Art protestiert? 
       
       Das würde ich nicht sagen. Ich glaube, dass wir es gerade mit einer
       Situation der gefühlten Bedrängung zu tun haben. Wir haben vor zwei Jahren
       eine große Studie zum Thema Klimaschutz und gesellschaftlicher Zusammenhalt
       gemacht. Die Menschen sehen die gesellschaftliche Herausforderung, aber das
       am meisten genannte Gefühl zum Klimawandel war Hilflosigkeit. Viele fühlen
       sich überfordert.
       
       Wovon genau? 
       
       Vergleichen wir die Klimadebatte mit der Rentenpolitik: Wir zahlen am Ende
       des Monats durch unsere Gehälter in die Rentenkasse ein. Das basiert nicht
       darauf, wie genau wir verstanden haben, wie das Rentensystem funktioniert
       oder wie wichtig wir es finden. Sondern es wurde einmal
       gesamtgesellschaftlich ausgehandelt und liegt nicht in individueller
       Verantwortung. Klimaschutz wird völlig anders behandelt, auch von der
       Politik.
       
       Inwiefern? 
       
       Es geht immer darum, was der Einzelne tun soll, viel weniger darum, wie die
       Politik den gesellschaftlichen Rahmen setzen kann. Die Menschen haben das
       Gefühl, dass sie das unter sich aushandeln müssen. Aber sie wollen weder
       der Dumme sein, der als Einziger was tut, noch als schuldiger Blockierer
       dastehen. Den Individuen wird viel mehr Verantwortung aufgebürdet als in
       anderen Politikbereichen
       
       Also brauchen wir Verbote? 
       
       Verbote und Verzicht auf Ebene der Bürger allein sind der falsche Ansatz.
       Es gibt mit Anreizen, der Abschaffung von Subventionen und dem Setzen von
       Produktionsstandards doch ein großes Tableau an Möglichkeiten. Vor zwei
       Jahren haben 66 Prozent der Befragten gesagt, dass sie verbindliche Regeln
       für Klimaschutz möchten. Regeln ermöglichen ja auch eine mentale
       Entlastung. Die Menschen wünschen sich mehr Klimaschutz und wissen auch,
       dass es wehtun wird, da hinzukommen. Aber genau deshalb müssen sowohl
       Politik als auch Klimaakteure um sie werben – und sie nicht erziehen.
       
       Aber die Argumente liegen auf dem Tisch. Wie soll man stärker für etwas
       werben als damit, dass es das Überleben der Menschheit sichert? 
       
       Die Menschen wünschen sich eine positive Zukunftserzählung. Etwa die Frage
       „Wie kann das Land modernisiert werden, mit Klimaschutz als oberster
       Prämisse?“. Eine Möglichkeit ist die Schaffung öffentlicher Güter und einer
       funktionierenden Infrastruktur. Die ist den meisten Deutschen sehr wichtig.
       
       Das wäre Aufgabe der Politik. Und was sollte die Bewegung tun? 
       
       Neue Allianzen schließen, wie zum Beispiel bei der [6][gemeinsamen Demo von
       FFF und Gewerkschaften] für bessere Löhne im ÖPNV. Momentan stehen Themen
       wie Inflation, bezahlbarer Wohnraum oder Alterssicherung für viele Menschen
       im Fokus. Das heißt nicht, dass sie gar nicht für Klimaschutz empfänglich
       sind. Aber die Kommunikation sollte auf eine Art stattfinden, die um
       Menschen wirbt und sie nicht gegeneinander aufbringt. Mit jemandem, der
       sich hilflos fühlt, müssen Sie anders reden als mit jemandem, der gerade in
       seiner vollen Kraft steht. Man kommuniziert momentan mit einer
       verunsicherten Gesellschaft, die pessimistisch in die Zukunft schaut.
       
       30 Jul 2023
       
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