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       # taz.de -- Rassismus in Brasilien: Was Lula nicht sieht
       
       > Der Protest schwarzer Frauen in Rio de Janeiro zeigt: Das Land tut viel
       > zu wenig gegen den tiefsitzenden Rassismus in der Gesellschaft.
       
   IMG Bild: Black Womens March in Rio de Janeiro am 30. Juli 2023
       
       Einige hundert Schwarze Frauen zogen am Sonntag über die weltbekannte
       Promenade des Copacabana-Strandes. Mit dem Marsch in [1][Rio de Janeiro]
       wollten sie auf eine alte Wunde aufmerksam machen: den tiefsitzenden
       Rassismus.
       
       Brasilien präsentiert sich gern als bunte Nation, als Land der Toleranz.
       Doch das Erbe der brutalen Sklavenzeit strukturiert weiterhin jeden Bereich
       der Gesellschaft. Schwarze haben eine geringere Lebenserwartung,
       schlechtere Bildungschancen, verdienen weniger. In den gut bewachten
       Vierteln der Mittel- und Oberschicht, auch asphalto genannt, leben fast nur
       Weiße.
       
       Gerade die letzten Jahren waren für die schwarze und indigene Bevölkerung
       traumatisch. Denn unter der Ägide von Ex-Präsident Jair Bolsonaro erreichte
       die tödliche Polizeigewalt immer neue Höchstwerte, Neonazigruppen planten
       Anschläge und Bagger rollten durch Amazonien.
       
       So war bei vielen die Hoffnung groß, als Luiz Inácio „Lula“ da Silva am 1.
       Januar 2023 zum Präsidenten vereidigt wurde. Und tatsächlich inszeniert
       sich der Sozialdemokrat als Staatschef aller Brasilianer*innen. Er legte
       ein ambitioniertes Regierungsprogramm vor, versprach den Regenwald zu
       retten und den Hunger auszurotten.
       
       In der Lula-Regierung weht ein anderer Wind, es gibt tatsächlich auch
       einige schwarze Minister*innen und ein neugeschaffenes
       Indigenen-Ministerium. Um jedoch effektiv den Rassismus zu bekämpfen,
       [2][muss man an die Wurzeln der Probleme.]
       
       Hier liegt die Krux: Für mehr als ein bisschen Sozialkosmetik fehlt es Lula
       wahrscheinlich an Mehrheiten. Seine Koalition ist fragil, die Rechte stark.
       Außerdem hat die Linke bereits vor vielen Jahren einen großen Fehler
       gemacht – sie hat den Sicherheitsdiskurs den Rechten überlassen.
       
       In Regierungsverantwortung setzt sie nun auf alte Rezepte, wichtige
       Forderungen wie eine Abschaffung der Militärpolizei oder eine
       Entkriminalisierung von Drogen wurden hingegen der Bündnisfähigkeit
       geopfert. Das mag den Frieden der Regierungskoalition bewahren, verhindert
       aber einen nachhaltigen Kampf gegen den Rassismus.
       
       1 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Mord-an-Stadtraetin-in-Brasilien/!5951247
   DIR [2] https://www.boell.de/de/2023/01/30/brasilien-rassistische-und-geschlechtsspezifische-ungleichheit-praegt-auch-zugang-zu-land
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Niklas Franzen
       
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