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       # taz.de -- Mittelvergabe im Verkehrsministerium: Filzverdacht beschäftigt Bundestag
       
       > Freunde eines Abteilungsleiters im Verkehrsministerium sollen von
       > Millionen Euro Förderung profitiert haben. Die Linke fordert eine
       > Aufarbeitung des Falls.
       
   IMG Bild: Verkehrsminister Wissing bei der Vorstellung der Nationalen Wasserstoffstrategie am 26. Juli
       
       Berlin taz | Der [1][mutmaßliche Interessenkonflikt] eines
       Abteilungsleiters bei der Vergabe von Fördermitteln für Wasserstoffprojekte
       im Bundesverkehrsministerium soll im Bundestag behandelt werden. Dafür will
       die Linksfraktion sorgen. „Wir fordern lückenlose Aufklärung von
       Verkehrsminister Wissing im Parlament“, sagte der parlamentarische
       Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, der taz.
       
       Der Hintergrund: Einem [2][Bericht des Handelsblatts zufolge] soll der
       Leiter der Grundsatzabteilung im Bundesverkehrsministerium eng befreundet
       sein mit einem Unternehmer und einem Verbandschef, die vom „Nationalen
       Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“
       profitiert haben sollen. Gesellschaften des Unternehmers und die
       Organisation des Verbandschefs sollen aus dem Programm insgesamt rund 28
       Millionen Euro erhalten haben. Die Verantwortung für das Programm liegt dem
       Bericht zufolge bei der Grundsatzabteilung. Deren Leiter soll mit dem
       Unternehmer und dem Verbandschef in den Urlaub gefahren sein. Das
       Ministerium wird seit Ende 2021 von FDP-Mann Volker Wissing geführt.
       Politiker aus den Ampelparteien SPD und Grünen fordern eine rasche
       Aufklärung der Vorwürfe, bislang allerdings eine interne.
       
       Die Linkspartei dagegen will eine parlamentarische Aufarbeitung. Der
       Linkspartei-Abgeordnete Victor Perli beantragt, dass sich der
       Haushaltsausschuss nach der Sommerpause mit dem Thema beschäftigt. Die
       Linksfraktion werde die Vergabepraxis bei der Wasserstoff-Förderung im
       Haushaltsausschuss zum Thema machen, kündigte Perli an. „Wir fordern seit
       Langem die Verschärfung der Compliance-Regeln, sie sind löchrig wie ein
       Schweizer Käse.“ Mit Compliance ist die Einhaltung von Gesetzen und Regeln
       gemeint. Private Kontakte und wirtschaftliche Netzwerke dürften keinen
       Einfluss auf staatliche Förderentscheidungen haben, bereits der Anschein
       müsse vermieden werden, sagte Perli.
       
       Wie sich die Unionsfraktion positioniert, ist unklar. Eine Anfrage der taz
       blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Für die Union ist die Sache
       nicht ganz einfach. Der Abteilungsleiter, um den es geht, ist nicht unter
       Wissing ins Ministerium geholt worden. Das geschah unter seinem Vorgänger
       Andreas Scheuer (CSU). Nach Angaben der Organisation LobbyControl ist der
       Abteilungsleiter schon früher durch seine Nähe zur Wasserstoffindustrie
       aufgefallen. Als Beamter sei er aber zur Neutralität verpflichtet, so die
       Organisation. LobbyControl kritisiert deshalb auch die Mitgliedschaft des
       Beamten im Beirat in der Lobbyorganisation „Zukunft Gas“, die sich als
       Stimme der Gas- und Wasserwirtschaft versteht.
       
       ## Ministerium prüft
       
       Wissings Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) sieht bislang
       kein Fehlverhalten, will die Angelegenheit aber untersuchen.
       „Interessenskonflikte bei Förderentscheidungen im BMDV sind uns bislang
       nicht bekannt“, sagte eine Sprecherin. „Dennoch nehmen wir die Berichte
       ernst und überprüfen diese derzeit intern.“ Der Umgang mit Fördermitteln
       unterliege grundsätzlich einer permanenten Überprüfung. „Fördermittel
       werden in der Regel auf der Basis von Förderbescheiden, also
       Verwaltungsakten vergeben“, sagte sie.
       
       Nach Paragraf 20 des Verwaltungsverfahrensgesetzes dürften Beschäftigte,
       bei denen eine Interessenkollision im Sinne dieses Gesetzes vorliegt, in
       dem jeweiligen Verwaltungsverfahren nicht tätig werden. Gleiches gelte für
       Projektträger. „Verstöße hiergegen können zu rechtlichen Konsequenzen
       führen“, sagte sie. „Somit ist durch gesetzliche Regelungen sichergestellt,
       dass Fördermittel unabhängig von persönlichen Beziehungen
       freundschaftlicher oder familiärer Art vergeben werden.“
       
       NGOs wie der [3][Antikorruptionsorganisation LobbyControl] reicht das
       nicht. Sie fordern, dass Ministerien nicht nur selbst kontrollieren, ob es
       Regelverstöße gibt. Das soll nach ihrer Auffassung wie in Frankreich eine
       unabhängige Behörde übernehmen.
       
       1 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Filzverdacht-im-Verkehrsministerium/!5947889
   DIR [2] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/compliance-ein-unangenehmer-verdacht-im-bundesverkehrsministerium-/29251024.html
   DIR [3] https://www.lobbycontrol.de/kurzmeldung/nach-graichen-7-eckpunkte-fuer-strengere-regeln-bei-interessenkonflikten-108875/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Krüger
       
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