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       # taz.de -- Long-Covid-Erkrankte in Niedersachsen: Unterstützung per Hotline
       
       > Niedersachsen versucht, Long-Covid- und Impfgeschädigte über eine neue
       > Hotline an die richtigen Stellen im Gesundheitssystem zu lotsen.
       
   IMG Bild: Hilfe in Sicht: Gesundheitsminister Philippi (m), MHH-Direktor Schneider (l) und AOK-Chef Peter (r) stellen die Hotline vor
       
       Hannover taz | Ein neues Informations- und Beratungsangebot für Betroffene
       von Long- oder Post-Covid hat der niedersächsische Gesundheitsminister
       Andreas Philippi etwas vollmundig angekündigt. Im Kern handelt es sich um
       eine Hotline, die seit dem 1. August unter der Telefonnummer 0511/1202900
       erreichbar ist, erst einmal aber nur montags bis freitags von 10 bis 14
       Uhr.
       
       Sie soll Erkrankten, ihren Angehörigen, aber auch ArbeitgeberInnen
       Unterstützung vermitteln. Der Bedarf ist offensichtlich, wenn auch nicht so
       ganz leicht zu beziffern. Auf fünf bis zehn Prozent aller
       Corona-Infizierten schätzen die Experten aktuell [1][die Zahl der Menschen,
       die noch Wochen nach ihrer Infektion unter Langzeitfolgen leiden.]
       
       Dazu gehören zum Beispiel anhaltende Konzentrationsstörungen, Erschöpfung
       bis zur Fatigue, Gelenk- und Muskelschmerzen, Herz- und Atemprobleme. Bei
       3,9 Millionen Infektionen in Niedersachsen wären das zwischen 200.000 und
       400.000 Menschen, von denen allerdings ein guter Teil in der Zwischenzeit
       auch wieder genesen sein dürfte, weil die Symptome mit der Zeit abklingen.
       
       Von Long Covid spricht man dabei ab vier Wochen nach der
       Covid-19-Erkrankung, vom Post-Covid-Syndrom wenn die Symptome auch nach
       mehr als drei Monaten noch andauern. Das Angebot richtet sich auch an
       Betroffene, die [2][nach einer Impfung ähnliche Symptome entwickeln, das
       sogenannte Post-Vac-Syndrom]. Hiervon gibt es in Niedersachsen aktuell rund
       400 Verdachtsfälle.
       
       Der Leidensdruck ist auch deshalb so groß, weil das Krankheitsbild so
       komplex und noch nicht in Gänze verstanden ist, sagt Nils Schneider,
       Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Medizinischen Hochschule
       Hannover (MHH). Es werde in absehbarer Zeit keine kausale Therapie, kein
       einzelnes Wundermittel, geben. Behandelt werden können nur die Symptome,
       die allerdings individuell höchst unterschiedlich ausgeprägt sind.
       
       [3][Zahlreiche Leidensgeschichten] in den sozialen und alten Medien haben
       das zur Genüge erzählt: Die Verunsicherung, die gerade dieses Herantasten
       mit sich bringt, die ständigen Versuch-und-Irrtum-Behandlungen, die
       Ungewissheit, ob man überhaupt je sein altes Leben, seine alte
       Leistungsfähigkeit wiederbekommt. Und natürlich mangelt es in einer solchen
       Situation auch nie an Angeboten für dubiose Heilbehandlungen und
       vermeintliche Wundermittel.
       
       Die Hotline soll auch hier helfen. Es ist viel von „ernst nehmen“ und
       „zuhören“ die Rede; aufklären und die richtigen Anlaufstellen zeigen sollen
       die 16 Telefonberater auch. Viel mehr können sie allerdings auch nicht: Es
       sind keine Ärzte, die dort sitzen, sondern Psychologen, Pädagogen und
       Sozialarbeiter der AOK, die schon bei der Covid-Hotline Erfahrungen
       gesammelt haben. Der Service steht aber allen offen.
       
       Die Telefonberater werden von einem Expertenteam der MHH geschult, können
       aber keine ärztliche Beratung und schon gar keine Diagnostik leisten. Und
       nicht einmal Termine vermitteln – dafür bleibt die Kassenärztliche
       Vereinigung zuständig, während man sich in Krankengeld-, Reha- und
       Rentenfragen weiterhin mit den zuständigen Sozialversicherungsträgern
       auseinandersetzen muss.
       
       Die drei Herren von Gesundheitsministerium, AOK und Hochschule beschwören
       bei der Vorstellung des Angebotes trotzdem den hohen Nutzwert. Es gehe ja
       auch darum, die Betroffenen an die richtigen Stellen im Gesundheitssystem
       zu lotsen. Der Hausarzt oder die Hausärztin sollen dabei die zentrale Rolle
       spielen. Sie sollen die Fäden, in der Hand behalten, an Fachärzte und
       Spezialambulanzen weiter verweisen.
       
       ## 2021 dauerten die Erkrankungen noch viel länger
       
       „Das ist eine Herausforderung, weil man diese Patienten sehr intensiv und
       sehr lange betreuen muss“, sagt Schneider von der MHH. „Man muss eben auch
       die komplexen Wechselwirkungen zwischen den körperlichen, psychischen und
       sozialen Aspekten berücksichtigen – da waren wir anfangs nicht immer gut
       drin.“ Bei schweren Fällen müssten oft auch Angehörige mitbehandelt werden,
       denen sonst die Überlastung droht.
       
       Die MHH wird ab September eine „virtuelle Reha-Klinik“ starten, ein
       telemedizinisches Angebot für Hausärzte und ihre Patienten. Die können dort
       Beratungstermine bei den MHH-Spezialisten buchen. So soll deren Wissen und
       Kompetenz in die weite niedersächsische Fläche getragen werden.
       
       Jürgen Peter, Vorstandsvorsitzender der AOK Niedersachsen, hat außerdem
       noch ein paar Zahlen zusammengetragen, die wohl Mut machen sollen. Eine
       Analyse der Krankschreibungsdaten der AOK-Versicherten ergibt, dass von den
       13.500 krankengeldberechtigten Mitgliedern, die mit der Diagnose Long Covid
       krankgeschrieben wurden, 95 Prozent mittlerweile wieder arbeitsfähig sind.
       
       Auch die Länge der Krankschreibungen hat sich dramatisch reduziert: Als man
       2021 anfing diese Diagnose zu vergeben und die Daten zu erfassen, lag der
       Mittelwert noch bei 57 Tagen. Mit den Impfungen und dem Auftauchen der
       „milderen“ Omikron-Variante sank er auf 18 Tage in 2022 und 15 Tage in
       2023.
       
       Für die rund 700 schwer Betroffenen unter den AOK-Versicherten mag das kein
       wirklicher Trost sein, aber immerhin sei es auch gelungen, sehr viel mehr
       Betroffene in Reha-Maßnahmen unterzubringen, betont Peter.
       
       2 Aug 2023
       
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